Heute lebt das Sumatra-Nashorn nur noch in den Regenwäldern Indonesiens. Es ist stark vom Aussterben bedroht.
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Mit seiner Schulterhöhe von höchstens 1,5 Metern und einem Gewicht von weniger als einer Tonne ist es für Nashornverhältnisse klein. Seine weiche, rotbraune Haut ist dicht behaart und es besitzt zwei Hörner. Die Rede ist vom extrem seltenen Sumatra-Nashorn. Gerade einmal 30 bis 80 Exemplare durchstreifen heute noch Indonesiens Regenwälder auf den Inseln Sumatra und Borneo. Da die Tiere einzelgängerisch unterwegs sind und zudem verstreut leben, finden paarungsbereite Individuen nur mehr schwer zueinander.

Stammzellen von Nashornbulle Kertam

Im benachbarten Malaysia ist die kompakteste und älteste der fünf Nashornarten trotz jahrzehntelanger Rettungs- und Zuchtversuche bereits ausgestorben. Das letzte verbleibende Männchen Kertam und die Nashornkuh Iman starben bereits 2019.

Über Umwege könnte der letzte Nashornbulle Malaysias dennoch für Nachkommen sorgen. Einem Forschungsteam des Max-Delbrück-Centrums in Berlin ist es nun gelungen, aus Hautzellen von Kertam sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen zu erzeugen. Diese können sich nicht nur quasi unbegrenzt aufs Neue teilen, sondern im Labor für das Züchten jedes beliebigen Organs verwendet werden, wie das Forschungsteam in ihrem im Fachjournal iScience publizierten Beitrag darlegten.

Beim nördlichen Breitmaulnashorn existieren überhaupt nur mehr zwei weibliche Individuen.
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Mit Nashorn-Hirnzellen bzw. Hirn-Organoiden waren die Fachleute bereits erfolgreich, in einem nächsten Schritt wollen sie aus den Stammzellen des Nashornbullen Samenzellen züchten, die sich für eine künstliche Befruchtung eignen. Auch Eizellen könnten auf diese Weise gewonnen werden. Da eine künstliche Befruchtung von noch lebenden Nashornkühen an potenzieller Unfruchtbarkeit und am Alter der Tiere scheitern könnte, ist es denkbar, Embryonen im Labor herzustellen und sie über tierische Leihmütter austragen zu lassen.

Artenrettung als ethische Grauzone

Das Vorhaben ist wissenschaftlich gesehen alles andere als trivial. Um Samen- oder Eizellen entstehen zu lassen, müssen als Vorstufe aus den Stammzellen zunächst primordiale Keimzellen gezüchtet werden. Bei Eizellen kommt hinzu, dass diese sich aus den Vorläuferzellen nur entwickeln, wenn Eierstockgewebe vorhanden ist, das ebenfalls gezüchtet werden muss. Auch ethisch ist das Ganze nicht unumstritten. Die an der Forschung beteiligte Vera Zywitza bezeichnet den Versuch, vom Aussterben bedrohte Tiere auf diese Art zu retten, folglich als Ausnahme, "die nicht zur Regel werden dürfe".

In der Zwischenzeit versuchen indonesische Behörden mit Tierschutzorganisationen, den natürlichen Bestand der Tiere zu retten. In Schutzgebieten sollen die verbleibenden Sumatra-Nashörner, die im Normalfall nur in der Paarungszeit eine kurze Verbindung mit anderen Individuen eingehen, enger zusammengetrieben werden. Die kleinste Nashornart ernährt sich von über 100 meist weicher Blatt- und Pflanzenkost und ist darüber hinaus im Dickicht sowie in höheren Lagen sehr wendig.

Bei einer anderen Art, dem nördlichen Breitmaulnashorn, scheint dieser Kampf bereits verloren. Denn mit Fatu und Najin existieren weltweit nur noch zwei weibliche Individuen. Neben eingefrorenen Ei- und Samenzellen bleibt die Stammzellforschung folglich auch bei dieser Unterart die letzte Hoffnung. (Martin Stepanek, 12.11.2022)