Nachteile im Arbeitsverhältnis aufgrund des Geschlechts sind verboten. Der Europäische Gerichtshof zählt zum Geschlecht auch geschlechtsspezifische Merkmale wie die Schwangerschaft oder eben die Menstruation.

Foto: IMAGO/Panthermedia

Im Mai 2022 verabschiedete der spanische Ministerrat einen Gesetzesentwurf für eine Dienstfreistellung bei menstruationsbedingten Beschwerden. In den Medien ist häufig vom "Menstruationsurlaub" die Rede. Um Erholung geht es freilich nicht: Ein Krankenstand mit Fortzahlung des Entgelts soll nur zustehen, soweit mit der Menstruation Beschwerden verbunden sind, die eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben.

Hintergrund ist ein Defizit der spanischen Regeln zur Entgeltfortzahlung: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten für die ersten drei Tage der Arbeitsunfähigkeit gar kein Entgelt. Erst ab dem vierten Tag steht ein anteiliger Einkommensersatz zu, der teilweise von den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern und teilweise von der Krankenversicherung geleistet wird. Da Menstruationsbeschwerden regelmäßig nicht mehr als drei Tage an der Arbeit hindern, führt die derzeitige Rechtslage in Spanien dazu, dass häufig überhaupt kein Entgelt gebührt. Nach dem spanischen Vorschlag soll diese Versorgungslücke während der ersten drei Tage mit Leistungen aus der Krankenversicherung geschlossen werden.

Recht auf Krankenstand

Auch in Österreich ist das Thema "Menstruationsurlaub" angekommen, und erste Unternehmen verkünden, bei starken Beschwerden Krankenstand anzubieten. Diese Gönnerpose ist freilich nur Etikettenschwindel, steht den Beschäftigten ein Recht auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (vulgo "Krankenstand") doch ohnehin längst zu. Das gilt selbstverständlich auch bei Menstruationsbeschwerden, wenn diese zur Arbeitsunfähigkeit führen, und zwar nicht erst, wenn die Arbeitsleistung gar nicht mehr ausgeführt werden kann. Es reicht aus, wenn die Arbeitsleistung unzumutbar ist: Niemand ist verpflichtet, sich unter Schmerzen ins Büro zu schleppen.

Die spanischen Probleme stellen sich in Österreich allerdings nicht, denn bereits bei kurzer Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit besteht erheblich mehr Schutz: Entgeltfortzahlung steht schon ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit zu. Innerhalb eines Arbeitsjahres zahlen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber das Entgelt für zumindest sechs Wochen in voller und vier weitere Wochen in halber Höhe fort. Zudem wird die Entgeltfortzahlung durch das Krankengeld aus der Sozialversicherung ergänzt. Entscheidend ist unter anderem, ob eine "Krankheit" vorliegt. Das Arbeitsrecht orientiert sich dabei an der Definition des Sozialversicherungsrechts: Es geht um einen "regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand". Maßstab ist eine gesunde, gleichaltrige Person. Eine beschwerdefreie Menstruation berechtigt daher nicht zum Krankenstand, weil sie mangels Regelwidrigkeit keine Krankheit ist.

Nur im Theaterarbeitsgesetz kennt das österreichische Recht einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung auch bei beschwerdefreier Menstruation, und das immerhin schon seit 1922. Der Gesetzgeber wollte hier Hinderungsgründe erfassen, welche die Arbeitsleistung beeinträchtigen, ohne dass eine Krankheit vorliegt; etwa hormonell bedingte Stimmveränderungen bei Sängerinnen und Sängern.

Im übrigen Arbeitsrecht sind nur die mit der Menstruation verbundenen Beschwerden erfasst. Da das Gesetz allgemein auf "Krankheit" abstellt, umfasst es neben Menstruationsbeschwerden genauso prämenstruelle oder andere Beschwerden, die während der Menstruation besonders hervortreten (etwa bei Endometriose). Entscheidend ist letztlich, ob eine Arbeitsunfähigkeit eintritt oder nicht.

Grund darf geheim bleiben

Die Anwendung der allgemeinen Regeln zur Entgeltfortzahlung hat Vorteile: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind lediglich verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit zu melden und auf Verlangen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber durch ärztliche Bestätigung nachzuweisen. Der Grund der Arbeitsunfähigkeit muss dabei nicht offengelegt werden. Ein eigener Anspruch auf Menstruationsfreistellung hätte wohl den Nachteil, dass sich die Beschäftigten ausdrücklich auf ihn berufen und so den Hinderungsgrund offenlegen müssten.

Außerdem ist noch zu beachten, dass ein Krankenstand nicht grob fahrlässig herbeigeführt werden darf. Im Krankenstand darf die Genesung nicht sorgfaltswidrig vereitelt werden. Daraus kann aber keine Pflicht der Beschäftigten abgeleitet werden, die Arbeitsunfähigkeit etwa durch die Einnahme von Schmerzmitteln oder die Wahl eines bestimmten Verhütungsmittels zu beeinflussen. Zunächst wird die Arbeitsfähigkeit regelmäßig innerhalb kurzer Zeit auch ohne Behandlung wiederhergestellt sein. Zudem geht es zumindest teilweise um bloße Symptombehandlung. Gerade mit der Verhütung ist ein Bereich der höchstpersönlichen Lebensführung betroffen, der nicht mit Arbeitgeberinteressen abgewogen werden kann.

Kündigungsschutz nach dem Gleichbehandlungsgesetz

Ein häufiger Irrglaube gilt der Kündigung während des Krankenstands: Tatsächlich darf nicht nur während des Krankenstandes gekündigt werden, sondern auch wegen (häufiger) Krankenstände. Das Gesetz schützt nur die Entgeltfortzahlung: Dauert der Krankenstand über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus an, müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber weiter Entgelt fortzahlen.

Auch bei häufigen Krankenständen wegen Menstruationsbeschwerden können daher prinzipiell Nachteile drohen: Hier greift aber der Schutz des Gleichbehandlungsgesetzes. Nachteile im Arbeitsverhältnis aufgrund des Geschlechts sind verboten. Der Europäische Gerichtshof zählt zum Geschlecht auch geschlechtsspezifische Merkmale wie die Schwangerschaft oder eben die Menstruation. Damit können Kündigungen nicht nur bekämpft werden, wenn sie ausdrücklich mit häufigen Krankenständen wegen Menstruationsbeschwerden begründet werden, sondern auch dann, wenn Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nur allgemein auf häufige Fehlzeiten verweisen, diese aber die Folge von Menstruationsbeschwerden sind.

Regelmäßige Menstruationsbeschwerden können zudem eine Behinderung im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes sein. Dies ist gerade dann der Fall, wenn die Beschwerden etwa mit einer Endometriose zusammenhängen. Für eine Behinderung braucht es neben einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung auch ein Stigma, das die Teilhabe am Arbeitsleben erschweren kann. Im Zusammenhang mit Menstruationsbeschwerden ist das Stigma in der Arbeitswelt wohl evident. Ähnlich wie das Gleichbehandlungsgesetz sieht dann auch das Behinderteneinstellungsgesetz ein Diskriminierungsverbot vor, das ebenfalls einen Kündigungsschutz umfasst. (Sarah Rath, Peter C. Schöffmann, 13.11.2022)