Nur die Stimmen der Jungen, glaubt man Exit-Poll-Daten, haben bei den Midterm-Wahlen am Dienstag ein Desaster für die Demokraten verhindert. Seither überschlagen sich US-Medien mit Erklärungsversuchen und Berichten über den Einfluss der neuen Wählerschaft. Demokratische Strategen lassen sich feiern. Immerhin hat Präsident Joe Biden just im Vorwahlkampf sein Versprechen umgesetzt, jene Schulden, die viele für ihre Uni-Ausbildung aufnehmen mussten, zu erlassen. Auch wenn die Aktion kurz nach der Wahl vorerst gerichtlich blockiert wurde: Bei jungen Menschen kam sie gut an.

Maxwell Frost ist das neue Gesicht der Gen Z.
Foto: AP/Lynne Sladky

Nun ist es keine große Überraschung, dass mit jedem Urnengang neue Wählerinnen und Wähler heranwachsen. Vertreter der Generation Z, alle nach 1996 geboren, erreichen nach dem aktiven jetzt auch das passive Wahlalter und können selbst gewählt werden. Einer von ihnen ist Maxwell Frost, 25 Jahre jung und damit gerade alt genug, um als Erster seine Generation im US-Repräsentantenhaus zu vertreten.

Waffengewalt politisiert

Der adoptierte Afrokubaner hat einen – sehr liberalen – Wahlkreis in Florida gewonnen und ist seither Dauergast in TV und Medien. In Our Body Politic, einem feministisch geprägten Podcast junger schwarzer Frauen, erklärte der Teilzeit-Uber-Fahrer und Musikstudent noch vor seiner Wahl seine Beweggründe, in die Politik zu gehen:

Vor einem Auftritt mit seiner Band habe er als Teenager damals in einem Diner die Nachricht über eine Schulschießerei in seiner Nähe im TV flimmern sehen. Wenige Tage später lernte er bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer den Bruder einer getöteten Lehrerin kennen, die sich während des Sandy-Hook-Massakers schützend vor die Kinder warf. Auch er wollte "nicht in der Schule erschossen werden", sagt der demokratische Jung-Star im Wahlkampf immer wieder.

Klimawandel als Wahlkampfthema

Es brauche aber auch ein generelles Umdenken, wonach eine Waffe kein Teil einer Problemlösung sein sollte. Die Menschen müssten ihre mentale Gesundheit so regelmäßig abchecken lassen, wie sie es auch mit ihrer körperlichen Gesundheit machen, sagt Frost.

Nicht nur Waffen töten, auch der Klimawandel. Hurrikan Ian, der in Florida heuer mehr als 100 Menschenleben forderte, habe ihn bestärkt anzutreten, argumentiert Frost. Er spricht damit über Gefahren und Ängste, die Altersgenossen der Generation Zoomer großteils teilen. Dass sich die Demokraten darauf konzentrieren, gilt plötzlich als Erfolgsgeheimnis. Sieben Prozentpunkte hätte der Vorsprung der Republikaner im Schnitt betragen, wären nur Menschen ab 30 zur Wahl gegangen. Nur einen Prozentpunkt beträgt er tatsächlich – "Zoomer" sei Dank.

Starke Meinungen, schwache Wahlbeteiligung

Doch stimmt der plötzliche Hype von der politischen Macht der Jungen? Die Zahlen sind nicht ganz eindeutig. Denn: Ganz neu ist der Einfluss der Jungen nicht. Sowohl Wahlbeteiligung als auch Zustimmung zu den Demokraten waren bei den Midterm-Wahlen 2018 unter den 18- bis 29-Jährigen knapp höher als dieses Mal. Und es bleibt auch wahr, was Demoskopen schon immer sagen: Junge Menschen mögen starke politische Meinungen haben, zur Wahl gehen sie relativ selten.

Und doch. 2018 und 2022 waren massive historische Ausreißer, was die Wahlbeteiligung Junger betrifft. Seit Donald Trump Ämter bekleidet, hat sich der leichte strukturelle Vorteil, den Demokraten bei Jungen schon immer genießen, zu einem riesigen Überhang gewandelt.

Ein neues Amerika

Die verkappt rassistische Vision, nach der Trump das alte Amerika "zurückholen" will, steht der Lebenswelt Jüngerer entgegen. Nur 52 Prozent der "Zoomer" sind weiß, hat das Demografie-Institut Pew erhoben. Ein Viertel sind Latinos, 14 Prozent schwarz. Ein Fünftel hat einen Elternteil aus dem Ausland.

Er wolle das Recht auf Patriotismus nicht den Republikanern überlassen, sagt Frost. Viele, die in den USA eine Chance erhielten, wachsen mit "Spenglisch" auf, weshalb er als erster Kandidat seine Wahlkampfvideos in einem spanisch-englischen Sprachenmix präsentierte. Das ist Frosts neues Amerika. Auch den Freiheitsbegriff hätten Republikaner nicht gepachtet. Freiheit müsse bedeuten, alles tun zu können, Chancengleichheit zu haben.

Nicht besser als andere

Nur noch 14 Prozent der Gen Z sind der Meinung, die USA seien "besser als alle anderen Staaten". Unter den Babyboomern sind es 30 Prozent, in deren Elterngeneration gar 45. Viele junge, oftmals weitgereiste Amerikaner wissen um die Vorteile europäischer Sozialsysteme oder strengerer Waffengesetze.

Schockiert darüber, vom Supreme Court das Recht über den eigenen Körper abgesprochen zu bekommen, eilten junge Frauen zu den Wahlurnen. Klimawandelleugner polieren das Image der Grand Old Party, die bei jungen Themen schlecht dasteht, nicht gerade auf.

Und trotzdem: Wenn es bei den diesjährigen Midterms schon keine rote Welle gab, dann schon gar keine junge Welle an Abgeordneten. Frost hat den ersten Schritt zu seinem Ziel, "eine Regierung, die die Bevölkerung widerspiegelt", gesetzt. Mit den Millennials bildet die Gen Z ein Drittel der US-Bevölkerung. In Sachen fairer Repräsentation sei man aber "noch nicht mal ansatzweise angekommen", sagt Frost.
(Manuel Escher, Fabian Sommavilla, 12.11.2022)