Zadić und Edtstadler präsentieren am Montag die Reform des Verbotsgesetzes.

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Das Verbotsgesetz wird reformiert – das kündigten Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW), Gerhard Baumgartner, am Montag an. Antisemitismus in Form von Desinformation und Verschwörungstheorien sei wieder verstärkt wahrnehmbar: auf der Straße, in Schulen, an Stammtischen, aber auch online. Deshalb ist es laut Zadić umso wichtiger, gegen "jede Form von NS-Verherrlichung vorzugehen". Das Verbotsgesetz sei auf nationaler Ebene "das wirkungsvollste Element im Kampf gegen Antisemitismus, Rechtsextremismus und nationalsozialistische Wiederbetätigung".

Ihr Ministerium habe daher in einer Arbeitsgruppe aus unterschiedlichen Stellen, allen voran dem DÖW und der Israelitischen Kultusgemeinde, in den vergangenen Monaten daran gearbeitet, "Lücken" im Verbotsgesetz zu schließen, sagte die Justizministerin am Montag. Man habe analysiert, welche "Nachschärfungen und Verbesserungen" es brauche, um "noch schlagfertiger" und "noch treffsicherer" gegen jede Form von NS- Wiederbetätigung und Rechtsextremismus vorgehen zu können.

Ausweitung der inländischen Gerichtsbarkeit

Die Anpassung besteht aus einer Reihe von Änderungen: Zum einen sollen antisemitische Vorfälle, die in Österreich strafbar sind, aber im Ausland im Internet gesetzt werden, hierzulande juristisch geahndet werden können. Wenn etwa jemand von Spanien aus online strafbare Inhalte verbreitet, die hierzulande abrufbar sind, dann soll das in Österreich auch geahndet werden können. Die inländischen Gerichtsbarkeit wird also dort ausgeweitet, wo die entsprechenden Inhalte auf Österreicherinnen und Österreicher abzielen. Die Justizministerin nannte diesen Schritt "besonders wichtig", weil NS-Propaganda und Radikalisierung zunehmen im Internet stattfänden.

Zweitens sollen NS-Devotionalien eingezogen werden können, auch wenn sich aus den Gegenständen selbst keine strafrechtliche Verantwortlichkeit ableitet. Bisher konnten die Gegenständige nur dann von den Behörden eingezogen werden können, wenn nachweislich eine Wiederbetätigung vorlag. Der bloße Besitz ist nicht strafbar. Fortan sollen NS-Devotionalien wie etwa die sogenannten Ehrenringe der SS (der ehemaligen NS-Organisation "Schutzstaffel") auch ohne Strafverfahren aus dem Verkehr gezogen werden können. "Diese Dinge haben hier nichts verloren", hielt Edtstadler fest. Die rechtliche Lage sei wesentlich, um "die Welt ein Stück weit besser" zu machen.

Jede Verharmlosung strafbar

Drittens soll nicht bloß die Leugnung des Holocaust, sondern jede Form der Verharmlosung verboten werden. Zadić nannte als Beispiel die seit der Pandemie bei den Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen oft gezogenen Vergleiche der Impfgegnerinnen und -gegner mit den im Nationalsozialismus verfolgten Jüdinnen und Juden. So habe das Tragen des abgewandelten "Judensterns" bei den Corona-Demonstrationen "zu Recht für Diskussionen gesorgt". Die im Verbotsgesetz festgehaltene "gröbliche Verharmlosung" wird um das Wort "gröblich" gekürzt, jegliche Verharmlosung wird damit strafbar.

Und letztlich soll jede rechtskräftige Verurteilung nach dem Verbotsgesetz bei Beamtinnen und Beamten automatisch zu einem Amtsverlust führen – unabhängig von disziplinarrechtlichen Schritten. Wer nach dem Verbotsgesetz verurteilt ist, habe im Staatsdienst "nichts zu suchen".

Mit der Novellierung "zeigen wir klar auf", sagte Edtstadler, "dass es bei nationalsozialistischer Wiederbetätigung null Toleranz gibt und die volle Härte des Rechtsstaats ausgeschöpft wird".

Instrument der Diversion

Ziel sei es, die Verurteilungsquote bei Verstößen gegen das Verbotsgesetz zu erhöhen. Außerdem soll ein neues Grunddelikt mit geringerer Strafandrohung geschaffen werden, damit auch Diversion möglich wird. Das soll nicht nur für nicht-vorbestrafte Minderjährige gelten, sondern auch für Erwachsene. DÖW-Leiter Baumgartner begrüßte die Reform: Das "Schließen der Lücken ist besonders wichtig", vor allem, dass nicht mehr nur die teilweise Leugnung, sondern auch die Verharmlosung des Holocaust strafbar sein soll.

Er sieht die Maßnahmen als "Modernisierung" des Gesetzes, um "auf die geänderten Bedingungen der digitalen Kommunikationsinstrumente reagieren zu können und eine effektive Antwort auf Vermeidungsstrategien neofaschistischer und rechtsextremer Gruppierungen zu finden".

Diversion halte er prinzipiell bei jenen Menschen für sinnvoll, die nicht vorbelastet oder vorbestraft sind. Bei jenen, die bereits Vorstrafen haben, "wird es nicht das gezielte Instrument sein". Hier reiche nicht ein Besuch im KZ Mauthausen, er gehe aber davon aus, dass hier "noch etwas Konkretes" geschaffen werden könne.

Vorfall im Oktober

Zuletzt hatte im Oktober ein Unteroffizier des Bundesheers für Aufregung gesorgt. Wegen des Tragens einer SS-Uniform war er nach dem Verbotsgesetz verurteilt worden und durfte trotzdem weiter im Heer tätig sein. Die Regierung reagierte damals mit einer klaren Ansage.

"Wer nach dem Verbotsgesetz verurteilt ist, hat im Staatsdienst nichts zu suchen", erklärte Zadić Mitte Oktober. Jede Form von NS-Verherrlichung sei ein "nicht tolerierbarer Angriff auf unsere demokratische Gesellschaft". Es dürfe "null Toleranz" geben. Edtstadler schlug damals in eine ähnliche Kerbe: "Nationalsozialistische Wiederbetätigung widerspricht allem, wofür wir als Österreich stehen", erklärte die Verfassungsministerin. Zu Recht setze man "höchste Ansprüche an die Bediensteten der Republik".

Pläne im Regierungsprogramm

Die Vorschläge werden dem Ministerrat am Mittwoch präsentiert und sollen anschließend Gesetz werden. Der "Kampf gegen Antisemitismus" sowie die Reform des Verbotsgesetzes sind auch im türkis-grünen Koalitionspakt aus dem Jahr 2020 festgehalten. Neben der Evaluierung und Überarbeitung "insbesondere in Hinblick auf die Äußerungsdelikte der Paragrafen 3g und 3f" ist im Regierungsprogramm das Schließen etwaiger Gesetzeslücken wie der "Teilleugnung" festgehalten. Außerdem hielt man auch da das Vorhaben fest, zu prüfen, ob auch NS-Devotionalien ohne Verwirklichung einer Straftat beschlagnahmt werden können, und das Abzeichengesetz evaluieren. (ook, giu, 14.11.2022)