Leif Ove Andsnes – der sanfte Mann am Klavier.

Gregor Hohenberg

Wien – Ist es möglich, ihn nicht zu mögen? Leif Ove Andsnes, in seinen frühen Fünfzigern noch von einer sportlichen Elastizität, gereichen ein gewinnendes Äußeres und eine ruhig-sanfte Ausstrahlung zu seinem Vorteil – wahrscheinlich haben lediglich Labradorwelpen höhere Sympathiewerte.

Die Klänge, die der Pianist aus seinem Steinway zaubert, sind zudem oft so schmeichelweich wie Kaschmirdecken; Konzerte des Norwegers werden so zu Wellnessbehandlungen für strapazierte Gemüter. Bei seinen geglätteten, überpflegten Mozart-Deutungen (wie vor einem Jahr im Musikverein) überspannt er den Kult des wohltemperierten Spiels mitunter.

Nuancierte Schilderung

Im Großen Saal des Konzerthaus spielte Andsnes am Freitagabend aber keinen Mozart, sondern Beethoven: dessen vorletzte Sonate in As-Dur, op. 110. Licht der Beginn, ebenmäßig das freundliche Gewölk der Dreiklangszerlegungen. Es folgte eine Deutung, die weniger an metaphysischen Dingen interessiert war als an einer liebevollen, nuancierten Schilderung von irdischen Geschehnissen.

Der Beethoven beschloss den ersten Konzertabschnitt, der mit Alexander Kusmitsch Wustins kurzem Lamento und Leoš Janáčeks Sonate 1. X. 1905 düster begonnen hatte, um sich dann mit Valentin Silvestrovs in jeder Hinsicht schlichten Bagatelle op. 1/3 sonnigeren Gemütsgefilden zuzuwenden.

Tanzende Kobolde

Nach der Pause folgten Antonín Dvořáks Poetische Stimmungsbilder op. 85: dreizehn meist mehrteilige Stücke virtuoser Prägung und recht umfangreichen Formats. Nächtliche Wege führten zu alten Burgen oder an tanzenden Kobolden vorbei zu einem heiligen Berg. Anklänge an Liszts Pathos ("Am Heldengrabe") und Chopins Eleganz (Bacchanale) ließen aufhorchen, mit der Melodie der Serenade könnte Dvořák heute noch im Schlagergeschäft reüssieren.

In den heimeligen Harmoniewelten des 1889 veröffentlichten Werks – darf man diesbezüglich von Aprèsgarde sprechen? – fühlte sich Andsnes hörbar wohl und bot alle seine Klangkünste auf, um die Stücke wie die größten Kostbarkeiten darzubieten. Jubel darüber und zwei Zugaben. (Stefan Ender,13.11.,2022)