US-Präsident Joe Biden schüttelt dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping zum ersten Mal persönlich die Hand, als sie sich am Rande des G20-Gipfels in Bali treffen.

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Bali – US-Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping haben nach US-Angaben russische Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine gemeinsam verurteilt. Beide Seiten stimmten demnach auch überein, dass "ein Atomkrieg niemals geführt werden sollte", wie das Weiße Haus nach einem etwa dreistündigen Treffen der Präsidenten am Montag auf der indonesischen Insel Bali mitteilte. Solch ein Krieg könne auch niemals gewonnen werden.

Wörtlich hieß es in der Mitteilung, die beiden Präsidenten hätten ihre Einstellung "gegen den Einsatz von oder die Drohung mit Atomwaffen in der Ukraine" bekräftigt, Biden habe sich zudem besorgt über ein "provokatives Verhalten" Nordkoreas geäußert, so das Weiße Haus. Die gesamte internationale Gemeinschaft habe Interesse daran, Nordkorea zu verantwortungsvollem Handeln zu bewegen.

Streitfrage Taiwan

Die Begegnung in der Stadt Nusa Dua auf Bali war das erste persönliche Treffen zwischen Xi und dem US-Präsidenten seit Bidens Amtsantritt vor knapp zwei Jahren. Die beiden halten sich zum diesjährigen G20-Gipfel der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer auf der indonesischen Insel auf, der am Dienstag beginnt. Eigentlich wurde dort auch Russlands Präsident Wladimir Putin erwartet. Der Kremlchef lässt sich jedoch von Außenminister Sergej Lawrow vertreten.

Biden warnte nach US-Angaben Xi davor, gegen Taiwan militärische Gewalt anzuwenden. Demnach versicherte der US-Präsident in dem Gespräch, dass sich die amerikanische Ein-China-Politik nicht geändert habe. Washington lehne aber auch jede einseitige Änderung des Status quo ab – sei es durch China oder Taiwan.

Xi forderte Biden seinerseits auf, sich aus dem Konflikt um Taiwan herauszuhalten. "Die Lösung der Taiwan-Frage ist eine Sache für die Chinesen und Chinas interne Angelegenheit", sagte er nach chinesischen Angaben bei seinem Treffen mit Biden. Es sei die "erste rote Linie, die in den Beziehungen zwischen China und den USA nicht verletzt werden darf".

"Wie Wasser und Feuer"

Es sei der "gemeinsame Wunsch" des chinesischen Volkes, die "Wiedervereinigung" zu verwirklichen. Jeder, der versuche, Taiwan von China abzuspalten, verstoße gegen die fundamentalen Interessen der chinesischen Nation, sagte Xi Jinping weiter. "Das chinesische Volk wird das auf keinen Fall zulassen."

"Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße und Taiwans Unabhängigkeit sind unversöhnlich wie Wasser und Feuer", wandte sich Xi gegen das Verständnis der taiwanesischen Regierung, die die demokratische Inselrepublik längst als unabhängig ansieht. Peking hingegen betrachtet Taiwan als Teil der Volksrepublik an und droht mit einer Eroberung, sollten sich die 23 Millionen Taiwanesen einer friedlichen "Vereinigung" widersetzen.

Taiwan begrüßte indes den Einsatz von US-Präsident Joe Biden für den Status quo der demokratischen Inselrepublik. Nach dem Treffen zwischen Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi sagte Regierungssprecher Xavier Chang am Montag in Taipeh, Taiwan sei dankbar, dass Biden seinen Widerstand gegen eine einseitige Änderung des Status quos und eine Untergrabung von Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße bekräftigt habe. Es zeige, dass die Erhaltung des Friedens in der Meerenge ein "gemeinsamer Wunsch" der Weltgemeinschaft sei.

Keine Reisen wegen Covid-Bestimmungen

Vor dem Gipfeltreffen hat Biden deutlich Position gegen China bezogen. Beim Gipfel des südostasiatischen Staatenverbands Asean am Sonntag in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh wies er die Territorialansprüche Chinas im Südchinesischen Meer zurück.

"Joe Biden wird im selben Raum wie Xi Jinping sitzen und direkt und geradeaus sein, wie er immer ist – und dasselbe von Xi erwarten", kündigte Jack Sullivan, US-Sicherheitsberater, am Donnerstag an. Die Wortwahl deutet an, dass es um das Verhältnis der beiden Supermächte derzeit nicht so gut bestellt ist.

Aufgrund der strikten Covid-Vorschriften war der chinesische Präsident in den vergangenen drei Jahren nicht ins Ausland gereist. Seine allererste Reise ging im September nach Usbekistan, wo sich die Staatschefs der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit, eines Zusammenschlusses zentralasiatischer Länder, trafen. Die Zusammenkunft am Montag findet am Rande des G20-Treffens in Indonesien statt.

Chip-Embargo der USA gegen China

Vor einigen Wochen haben die USA ein Chip-Embargo gegen China erlassen, das die Wirtschaft empfindlich treffen dürfte. Peking soll so von modernster Halbleitertechnologie abgeschnitten werden. Die chinesische Wirtschaft braucht Chips für Smartphones, künstliche Intelligenz, Überwachungstechnologie und Waffensysteme.

Es ist dies aber bei weitem nicht der einzige Streitpunkt. Im Sommer war die Taiwan-Frage ob eines Besuchs der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, beinahe eskaliert. Chinas Marine und Luftwaffe hielten großangelegte Manöver um die Insel ab. Eine Lösung dürfte es an dieser Stelle nicht geben. Xi hatte erst auf dem Parteitag vor einigen Wochen betont, dass er auch eine militärische Option nicht ausschließe. Die USA halten an ihrer Unterstützung des demokratischen Taiwan fest.

Politischer Schlingerkurs

Darüber hinaus schwelt seit langem ein Streit um Bilanzierungsvorschriften. Viele chinesische Unternehmen sind an US-Börsen notiert und haben Geld von US-Anlegern eingesammelt. Washington will deswegen, dass sich diese auch von US-Bilanzprüfern in die Bücher schauen lassen. Und schließlich dürfte auch Chinas Rolle beim Ukraine-Konflikt Thema sein. Peking fährt seit Beginn des Krieges einen Schlingerkurs, pocht einerseits auf die territoriale Unversehrtheit der Ukraine, beteiligt sich aber andererseits auch nicht an den Sanktionen. Darüber hinaus sind die russischen Energieexporte nach China seit Beginn der Invasion stark gewachsen.

Biden und Xi hatten seit Bidens Amtsantritt im Jänner 2021 nur fünfmal miteinander telefoniert. Lösungen für die großen Probleme dürften bei dem kurzen Treffen nicht herauskommen. Trotzdem ist eine persönliche Zusammenkunft im Prinzip positiv. In diplomatischen Kreisen heißt es, dass die fehlenden persönlichen Treffen Spuren hinterlassen haben: Xi hat sich so noch mehr von äußeren Einflüssen abgeschottet. Kritik oder wenigstens andere Perspektiven seien so an ihn überhaupt nicht mehr herangekommen. Auch die chinesische Presse wertet das Treffen grundsätzlich als positiv. (Philipp Mattheis, red, APA, 14.11.2022)