US-Präsident Joe Biden bei einer Pressekonferenz nach den Midterms am 9. November.

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Mit dem Sieg der Demokraten im Schlüsselstaat Nevada geht US-Präsident Joe Biden gestärkt in die zweite Hälfte seiner Amtszeit – unabhängig davon, wer im Repräsentantenhaus die Mehrheit erobern wird. Derzeit sieht es danach aus, dass die Republikaner die besseren Aussichten auf die Mehrheit in dieser Kammer haben.

Am Sonntag verliehen die Demokraten jedenfalls einmal ihrer Freude über das Senatsergebnis Ausdruck. Gamechanger war das Rennen in Arizona, wo die Demokratin Catherine Cortez Masto ihren Sitz mit geringem Vorsprung gegen den republikanischen Trump-Anhänger Adam Laxalt verteidigte. Ihr Sieg brachte somit den 50. Sitz für die Demokraten. Das reicht im Senat für eine Mehrheit, weil bei einem eventuellen Patt die Stimme der demokratischen Vizepräsidentin Kamala Harris zählt.

Wichtige Entscheidungen

Der Senat entscheidet wichtige Personalien auf Bundesebene. Vor allem die Berufung von Richtern und Richterinnen hat für die politische Ausrichtung in den USA Gewicht. Die Möglichkeit, weitere Nominierungen ultrarechter Kandidaten zu verhindern, ist jedenfalls eine positive Entwicklung für die Demokratie in den USA.

Für die Ukraine ist das Senatsergebnis ebenfalls eine gute Nachricht. Zumindest für die nächsten beiden Jahre. Im Vorfeld der Wahlen hatte man sich in Europa Sorgen gemacht, dass die USA der Ukraine ihre Unterstützung in Zukunft verweigern könnten, würden beide Kammern in republikanische Hände fallen. Militärisch werden die USA aber wohl weiterhin zur Ukraine stehen. Auch wenn der Einfluss der Isolationisten unter den Republikanern wächst, so dürfte er auf Basis des Wahlergebnisses nicht groß genug sein. Nichtsdestotrotz muss sich Europa die Frage stellen, warum die wichtigste militärische Stütze für die Ukraine gegen Russland nicht die EU ist, sondern die USA.

Streit und Blockaden

Aus innenpolitischer Perspektive gibt es allerdings zahlreiche Themen, die in Washington zu Streit und Blockaden führen werden, auch wenn der Senat demokratisch bleibt. Republikaner und Demokraten haben in den vergangenen beiden Jahren bereits Kompromisse in den Bereichen Fiskalpolitik, Infrastruktur, neue Technologien und Verteidigungsausgaben geschlossen. Übrig bleiben nur wenige Bereiche, in denen eine parteiübergreifende Zusammenarbeit denkbar ist. Klimapolitik, Waffengesetze oder Abtreibung gehören jedenfalls nicht dazu.

Mit neuerlichen Haushaltsblockaden im Repräsentantenhaus – das ja die Gelder für die Vorhaben Bidens freigeben muss – ist zu rechnen. Auch das Spektakel eines "government lockdown", der Stilllegung der gesamten US-Administration, könnte damit wieder drohen.

Geteilte Nation

Die Republikaner sehen jedenfalls nun die Zeit ihrer Rache gekommen. Ab Jänner übernehmen ihre Abgeordneten die Leitung sämtlicher Komitees. Es wird ihnen damit ein Leichtes sein, alle Trump-kritischen Untersuchungen abzubrechen. Stattdessen könnten sie Ermittlungen zum fragwürdigen Geschäftsgebaren von Biden-Sohn Hunter anstrengen oder sogar ein Impeachment gegen Joe Biden selbst starten. Die USA bleiben weiterhin eine geteilte Nation.

Zwar ist die innerparteiliche Kritik an Trump – auch in den Medien – offen wie nie. Rückschläge ließen den Selfmade-Narzissten aber in der Vergangenheit nur noch schmutziger kämpfen. Bis zur nächsten Wahl ist noch viel Zeit dafür. (Manuela Honsig-Erlenburg, 14.11.2022)