Die Aufnahme mit dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array zeigt einen Stern, der wahrscheinlich die gleiche Geschichte wie Gamma Columbae hat.

Foto: Eso

Keine tausend Lichtjahre entfernt, im Sternbild Taube, befindet sich Gamma Columbae – ein Stern mit dunkler Vergangenheit, der nun ein internationales Forschungsteam auf die Spur gekommen ist: Einst bildete der Stern nämlich die massereichere Hälfte eines Doppelsternsystems. Die beiden näherten sich einander immer mehr an, bis der Stern schließlich seinen kleineren Partner verschlang und dabei seine äußere Hülle verlor. Was man heute von Gamma Columbae beobachten kann, ist im Grunde das Herz des ursprünglichen Sterns, berichten die Astronomen im Fachjournal "Nature Astronomy".

Verschwenderische Riesensterne

Seit etwas weniger als hundert Jahren weiß man, dass Sterne ihre enorme Strahlungsenergie durch Kernfusion von Wasserstoff zu Helium bei Temperaturen von vielen Millionen Grad Celsius tief im Sterninneren erzeugen. Diese Fusion läuft in einem Kreisprozess ab, in dem Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff als Katalysatoren wirken. Dadurch kommt es zu einer charakteristischen Anreicherung von Stickstoff im Kern des Sterns.

Weil sehr massereiche Sterne verschwenderisch mit ihrem nuklearen Energievorrat umgehen, existieren sie nur wenige Millionen Jahre, bevor sie in einer gigantischen Explosion, einer Supernova, vergehen. Diese nukleare Entwicklung ist normalerweise nicht direkt beobachtbar, da die sehr dichten Sternhüllen, die Oberflächenschicht eines Sterns, den heißen zentralen Fusionsreaktor abschirmen. Vorhersagen von Sternentwicklungsmodellen können daher nur durch zahlreiche Beobachtungen von Sternoberflächen getestet werden.

Rätselhafte Zusammensetzung

Seit vielen Jahren beobachten Andreas Irrgang von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Norbert Przybilla von der Universität Innsbruck massenreiche Sterne, indem sie spektroskopische Aufnahmen vieler Sterne mit ausgefeilten Modellen analysieren. Nun gelang ihnen eine einzigartige Entdeckung: Der Stern Gamma Columbae im südlichen Sternbild Taube in 900 Lichtjahren Entfernung zeigte eine ungewöhnliche chemische Zusammensetzung seiner Oberfläche.

Sie unterscheidet sich deutlich von dem, was man von Sternen mit ähnlicher Masse erwarten würde. Zusammen mit Georges Meynet, einem führenden Sternenentwicklungstheoretiker der Universität Genf, fanden die Wissenschafter die Erklärung dafür.

Kosmischer Striptease

Sie kamen zu dem Schluss, dass Gamma Columbae, der, wie die Forscher vermuten, einst zu einem Doppelsternsystem gehörte und mit einem anderen Stern um einen gemeinsamen Schwerpunkt kreiste, seine Hülle verlor, als er sein Gegenüber verschlang. Dass sich Doppelsterne einander ständig nähern und dadurch Energie verlieren, ist normal.

Stehen die beiden Sterne nahe beieinander, sind die Gravitationswellen, die den Energieverlust verursachen, stark und haben einen großen Einfluss – wie es auch hier der Fall gewesen sein muss. Bei Gamma Columbae wurde durch diesen Prozess der stellare Kern, gleichsam das Herz des Sterns, freigelegt. Das deutet darauf hin, dass Gamma Columbae der freigelegte Kern eines ursprünglich viel größeren Sterns des ehemaligen Doppelsternsystems sein könnte.

Baldige Explosion

Aufgrund der festgestellten Zusammensetzung ist anzunehmen, dass Gamma Columbae rund 90 Prozent seiner auf gut zehn Millionen Jahre geschätzten Lebenszeit erreicht hat. Damit dürfte er noch weniger als zwei Millionen Jahre zu leben haben, bevor er explodiert. Bis dahin bietet er ein spannendes Studienobjekt, anhand dessen Forschende die Vergangenheit und Zukunft von Doppelsternen im Detail untersuchen können. (red, 14.11.2022)