Mit der Berufswahl stellen Jugendliche die Weichen. Die Herausforderung stellt sich früh, aber Wechseln wird einfacher.

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Weiter zur Schule oder doch eine Lehre? Diese Entscheidung müssen Jugendliche nach der achten Schulstufe treffen. Und damit stellen sie bereits im Alter von 14 Jahren die Weichen für die weitere Berufslaufbahn. Und auch wenn Eltern ihren Kindern bei der Wahl freie Hand lassen, wird die Entscheidung der Jugendlichen von ihnen geprägt. Denn bei der Bildungs- und Berufswahl spielt das sozioökonomische Umfeld eine wesentliche Rolle. Je höher der Bildungsabschluss der Eltern, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Kinder für eine Lehre entscheiden. 57 Prozent der Kinder, deren Eltern einen Universitätsabschluss haben, erreichen in Österreich ebenfalls einen Hochschulabschluss. Haben die Eltern maximal Pflichtschulabschluss, gelingt es nur rund sieben Prozent der Nachkommen, einen akademischen Abschluss zu erreichen.

Starke Unterschiede je nach Schultyp gibt es auch darin, welche Berufe von 15-Jährigen als Traumberufe genannt werden. Schülerinnen und Schüler einer AHS nennen Arzt, Apothekerin oder Anwalt, Mittelschüler Mechaniker oder Polizist.

Den richtigen Beruf zu wählen ist keine einfache Entscheidung. Allein bei den Lehrberufen stehen mehr als 220 Möglichkeiten zur Auswahl. Aber nur bei den wenigsten haben Jugendliche eine genaue Vorstellung davon, was in diesem Beruf dann tatsächlich gemacht wird. Daher werde gern auf Bekanntes zurückgegriffen. Bei den Burschen sind das Metall-, Elektro- oder Kraftfahrzeugtechnik, bei den Mädchen Einzelhandel, Bürokauffrau oder Friseurin, wie ein Blick in die Lehrlingsstatistik zeigt.

Möglichkeiten kennen

Damit mehr berufliche Perspektiven eröffnet werden, gibt es an den Mittelschulen verpflichtend, an den allgemein höheren Schulen (AHS) optional Berufsorientierungsangebote. Nach zwei Jahren Pandemie können in diesem Schuljahr auch wieder Unternehmen ihre Arbeitsfelder vor Ort an den Schulen vorstellen, Schülerinnen und Schüler interessante Betriebe in der Region besuchen.

Daneben bieten die Bildungseinrichtungen von Wirtschaftskammer oder Arbeiterkammer Berufsberatungen an. Das Berufsinformationszentrum der Wirtschaftskammer Wien (Biwi) etwa unterstützt seit 1991 Jugendliche zwischen 13 und 20 Jahren bei der Berufswahl. Seit der Corona-Pandemie wird verstärkt auch auf virtuelles Erleben gesetzt. Mittels VR-Brille sollen Berufe noch besser erlebbar werden. Ein ähnliches Angebot gibt es von der Arbeiterkammer Wien. Die Berufsberatungsmesse findet Mitte November erstmals hybrid statt.

Doch trotz Berufsberatung und Interessenchecks sieht der Arbeitsalltag oft anders aus als gedacht. Und nicht immer wird die richtige Berufswahl getroffen. Rund 16 Prozent der Lehrlinge brechen ihre Berufsausbildung ab. Besonders hoch ist diese Quote bei Lehrlingen, die keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Auch die Branche spielt für den erfolgreichen Abschluss der Lehre eine Rolle. So zeigt eine aktuelle Auswertung des Lehrlingsmonitors des Instituts für Berufsbildungsforschung (ÖIBF), dass Lehrlinge im Tourismus und im Handel am unzufriedensten sind. Jeder zweite Lehrling in diesen Branchen denkt über einen Ausbildungsabbruch nach. 36 Prozent der Einzelhandelslehrlinge und 28 Prozent der Tourismuslehrlinge haben demnach vor, nach der Lehre den Beruf oder die Branche zu wechseln.

Damit aber die Ausbildungswahl keine Sackgasse wird, wurde in den vergangenen Jahren mehr Durchlässigkeit zwischen den Bildungswegen ermöglicht – von der Lehre mit Matura bis zum Studium ohne Matura. Die Lehre nach der Matura führt in Österreich noch ein Schattendasein. (Gudrun Ostermann, 14.11.2022)