Verstappen da, Perez dort. Die Stimmung war schon mal besser.

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Und das auch noch: Verstappen fährt in Hamilton.

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Not amused: Helmut Marko.

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So wortkarg sah man den Doktor selten. "Das Ziel ist, dass Checo den zweiten Platz in der WM erzielt, und Max wird alles unternehmen, um ihm dabei zu helfen", sagte Motorsportberater Helmut Marko von Red Bull Racing im Interview mit dem ORF und ließ Moderator Ernst Hausleitner in Interlagos stehen. Checo, das ist Sergio Perez. Max, das ist sein Teamkollege Max Verstappen, der unangefochtene Champion. Und Max hilft Checo nur sehr ungern.

Was war am Sonntag im Autodromo Jose Carlos Pace geschehen? Nun, der Brite George Russell gewann für Mercedes seinen ersten Grand Prix, der große Aufreger in Brasilien spielte sich jedoch weiter hinten ab. Auf Geheiß seines Teams sollte Verstappen Perez den sechsten Platz überlassen. Der Mexikaner kämpft gegen Charles Leclerc um die Vizeweltmeisterschaft, mit Rang sechs wäre Perez am 20. November zwei Punkte vor dem Ferrari-Piloten ins letzte Saisonrennen gegangen.

Geheimnisvolle Andeutung

Keine große Sache, sollte man meinen. Zumal Verstappen längst als Weltmeister feststeht und ein sechster Platz weder Glanz noch Gloria bringt. Doch der Niederländer hatte andere Pläne. "Ich habe euch das im Sommer gesagt. Ihr sollt mich das nicht noch einmal fragen, ist das klar?", funkte der 25-Jährige an die Box. Perez beendete das Rennen hinter Verstappen auf Rang sieben und verlor den zweiten Platz in der Weltmeisterschaft vor dem Finale in Abu Dhabi an Leclerc.

Was meint Verstappen? Was ist im Sommer passiert? Darüber hüllen sich Team und Fahrer in Schweigen. Was im Fahrerlager passiert, bleibt im Fahrerlager. Aber es gibt auch die Gerüchteküche. Und die erzählt Folgendes: Im Qualifying von Monte Carlo könnte Perez mit Absicht gecrasht sein, um eine schnelle Runde von Verstappen zu verhindern. Der Mexikaner selbst spricht von einem Fahrfehler. Verstappen musste von Position vier ins Rennen gehen – und Perez triumphierte im Fürstentum. Es wäre nicht klug, so einen Vorfall an die große Glocke zu hängen. Es wäre nach der Kostenüberschreitung der nächste Skandal im österreichischen Rennstall.

Enttäuschter Teamkollege

Welch einen Unterschied ein Jahr machen kann. "Checo ist eine Legende", jubelte Verstappen 2021 beim Grand Prix von Abu Dhabi. Perez hatte Lewis Hamilton im entscheidenden Rennen am Yas Marina Circuit aufgehalten und Verstappen damit den Weg zur ersten Weltmeisterschaft geebnet. Ewige Dankbarkeit? Fehlanzeige! "Nach allem, was ich für ihn getan habe, ist das etwas enttäuschend. Er hat gezeigt, wer er wirklich ist", sagt nun der Mexikaner.

Aber wer ist dieser Max Emilian Verstappen eigentlich? Er ist eine auf Sieg getrimmte Rennmaschine. Und offensichtlich will er nicht Weltmeister der Herzen werden. Dass man den Teamkollegen bekämpft, ist in der Formel 1 nicht ungewöhnlich. An ihm wird man gemessen. Wer in der Königsklasse reüssieren will, muss seinen Teamkollegen unter Kontrolle haben. Das kann für Spannungen sorgen. Alain Prost und Ayrton Senna, Nigel Mansell und Nelson Piquet, Nico Rosberg und Lewis Hamilton – sie alle fuhren nahezu auf Augenhöhe und hatten phasenweise schwierige Beziehungen.

Im Normalfall entspannt sich die Situation unter Kollegen, wenn die Nummer eins klar definiert ist. Der große Senna überließ seinem loyalen Teamkollegen Gerhard Berger 1991 den Sieg von Suzuka. So geht es auch, Rennfahrer-Ego hin oder her. Fußnote: Der Österreicher empfand dieses Geschenk in der letzten Kurve als, wie er später erzählte, etwas demütigend.

Nonchalanter Weltmeister

Für Senna war Berger keine Gefahr, die Großmut wurde ihm leicht gemacht. Bei Red Bull sind die Rollen ähnlich vergeben. Verstappen ist der Champion, Perez ist der Wingman, der Wasserträger. Angesichts der Ausgangslage ist der zur Schau getragene Egoismus sogar für den an Egoisten nicht armen Rennzirkus bemerkenswert. Kein Fahrer stellt sich derartig über das Team.

Da verkam in Brasilien auch Verstappens ungestüme Kollision mit Hamilton zur Randnotiz. Verstappen nonchalant: "Ich war ohnehin zu langsam, ihn hat es die Siegchance gekostet." Hamilton: "Ach, ihr wisst doch, Max ist eben Max." (Philip Bauer, 14.11.2022)