Ein Neugeborenes in der indischen Stadt Chennai. Im südasiatischen Land kommen täglich rund 86.000 Babys auf die Welt – mehr als in jedem anderen Staat.

Arun SANKAR / AFP

Ob die Weltbevölkerung tatsächlich am 15. November die Acht-Milliarden-Marke erreichen wird, wie die Uno in ihrem jüngsten Bericht "World Population Prospects 2022" behauptet, weiß natürlich niemand so genau. Die Schwelle könnte auch schon Ende des Sommers überschritten worden sein, geben der österreichische Demograf Wolfgang Lutz und andere weltweit führende Fachleute zu bedenken. Das Maß der Ungenauigkeit zeigt sich etwa daran, dass in Indien mit seinen geschätzten 1,4 Milliarden Menschen die letzte Volkszählung 2011 stattfand.

Geht es nach Ländern, dann ist dieser südasiatische Staat auch am wahrscheinlichsten das Geburtsland des achtmilliardsten Menschen. Weltweit werden zurzeit täglich etwa 440.000 Babys lebend geboren – dem stehen rund 170.000 tägliche Todesfälle gegenüber. Während in China, das ebenfalls rund 1,4 Milliarden Einwohner zählt, aktuell "nur mehr" rund 49.000 Babys täglich auf die Welt kommen, sind es in Indien 86.000, das damit China als bevölkerungsreichstes Land demnächst überholen wird – oder es bereits getan hat.

Aktuell leben weit mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung – nämlich 4,75 Milliarden Menschen – in Asien. Indien ist laut Uno auch jenes Land, das bis 2050 am stärksten zum Bevölkerungswachstum beitragen wird. Mit Indien sind laut den Prognosen in den nächsten gut 27 Jahren sieben weitere Länder für mehr als die Hälfte des globalen Bevölkerungswachstums verantwortlich: In Asien sind das noch Pakistan und die Philippinen; die anderen fünf Länder finden sich in Afrika: Ägypten, Äthiopien, Kongo, Nigeria und Tansania.

Gestiegene Lebenserwartung, weniger Kinder

Wie alt wird dieser achtmilliardste Mensch werden? Die aktuelle Lebenserwartung beträgt laut Uno im globalen Schnitt rund 71 Jahre – und war schon einmal etwas höher: nämlich 72,8 Jahre im Jahr 2019, wobei Frauen im weltweiten Durchschnitt zurzeit eine um mehr als fünf Jahre höhere Lebenserwartung haben. Der Rückgang von 2019 auf 2021 geht vor allem auf die Pandemie zurück; der Trend ist aber langfristig sehr positiv: 1990 betrug die durchschnittliche globale Lebenserwartung noch weniger als 65 Jahre. Und 2050 wird dieser Wert laut Uno-Berechnungen 77,2 Jahre betragen.

Ist das Geschlecht des Babys weiblich, dann wird diese Frau als Erwachsene – wieder im globalen Schnitt – nur etwa zwei Kinder haben: 2,1 Kinder ist der prognostizierte Wert für 2050; aktuell halten wir bei 2,3 Kindern. Zum Vergleich: 1950 waren das im globalen Schnitt noch fünf Kinder. Im Jahr 2020 betrug deshalb das jährliche globale Bevölkerungswachstum das erste Mal seit 70 Jahren weniger als ein Prozent.

Dank dieses Trends haben die Fachleute der Uno ihre Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung im 21. Jahrhundert in den letzten Jahren deutlich nach unten korrigiert: Bei den Prognosen 1992 etwa wurde der achtmilliardste Mensch bereits für 2020 vorhergesagt:

Die Uno-Expertinnen und – Experten schätzen nun, dass wir etwa 2080 ein Maximum von 10,4 Milliarden Menschen erreichen werden; bis 2100 bleibt es in etwa bei diesem Wert, ehe die Zahlen sinken. Die vom österreichischen Demografen Wolfgang Lutz und dessen Team vom Wittgenstein Center for Demography and Global Human Capital ermittelte Kurve fällt noch etwas flacher aus – und fällt auch früher wieder ab: Nach den Prognosen von Lutz und seinem Team erreichen wir das Bevölkerungsmaximum bereits 2070 mit rund 9,8 Milliarden.

Drei unterschiedliche Prognosen der Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2100. (Der Knick um das Jahr 2050 in der Prognose des US Census Bureaus, übernommen von einer Grafik aus dem WSJ, geht vermutlich darauf zurück, dass es unterschiedliche Prognosen aus unterschiedlichen Jahren bis 2050 und bis 2100 gibt, die Red.)

Anders als die Kolleginnen und Kollegen von der Uno wagt Lutz Prognosen noch bis weit in das 22. und sogar 23. Jahrhundert. Sollte sich – wie in den optimistischen Szenarien vorhergesagt – das globale Geburtenniveau auf 1,5 Kinder (wie aktuell in Europa) einpendeln und unsere Lebenserwartung auf 100 Jahre steigen, dann könnte die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2200 auf zwei bis vier Milliarden Menschen absinken. Und was wäre auch – laut einer oft zitierten Stanford-Studie aus dem Jahr 1994 – für den Planeten auch ökologisch ideal. (Klaus Taschwer, Michael Matzenberger, 15.11.2022)