Bei Twitter überschlagen sich weiter die Ereignisse, während Whistleblower von chaotischen Zuständen berichten.

(Dieses Symbolbild wurde mit der Bilder-KI Midjourney unter dem Prompt "a burning blue bird" generiert.)

Foto: STANDARD/Pichler/Midjourney

Laut mehreren übereinstimmenden Berichten – darunter Axios, Platformer und CNBC – ist der Stellenabbau bei Twitter noch nicht vorbei. Wie es aussieht, hat die seit kurzem von Elon Musk geführte Plattform kurzfristig tausende Leiharbeiter vor die Türe gesetzt. Betroffen sein dürften zwischen 4.400 und 5.500 Menschen.

Viele von ihnen sollen im Bereich der Inhaltsmoderation und in der technischen Infrastruktur tätig gewesen sein.

Zahlreiche Betroffene dürften den Schritt erst bemerkt haben, als gegen Ende der Vorwoche ihre Zugänge zu internen Kommunikationskanälen und Tools plötzlich stillgelegt waren. Ihnen ist zudem eine E-Mail zugeschickt wurden, die sie über das Ende des Arbeitsverhältnisses informiert:

Brief in Volltext-Übersetzung

"Wie Sie vielleicht wissen, hat Twitter eine Repriorisierung und Sparmaßnahmen durchgeführt, um zu versuchen, einen besseren Fokus während dieser Zeit setzen zu können, in der wir nur über eingeschränkte Ressourcen verfügen. Diese Kommunikation ist eine Kundmachung im Namen Ihres Arbeitgebers, dass Ihre Aufgabe bei Twitter als Teil dieser Repriorisierungs- und Sparmaßnahmen zu Ende gegangen ist.

Aus Sicherheitsgründen und um vertrauliche Twitter-Informationen zu wahren, werden Ihr System und Kartenzugang mit sofortiger Wirkung abgeschaltet. Ihr letzter Tag bei Twitter ist Montag, der 14. November. Es wird nicht erwartet, dass Sie am 14. November Arbeit erbringen. Ihre letzte Lohnzahlung umfasst den Zeitraum von 7. bis 14. November. Bitte stellen Sie sicher, dass alle Zeitkarten und ausstehende Spesen umgehend in Magnit VMS (das von Twitter genutzte Personalverwaltungssystem, Anm.) übermittelt werden.

Zur Erinnerung: Sie haben eine Geheimhaltungsvereinabrung unterschrieben, bitte bedenken Sie, dass alle Informationen zu intellektuellem Eigentum im Zusammenhang mit Ihrer Aufgabe, Geschäftstätigkeiten oder Ihrem spezifischen Projekt während Ihrer Vertragslaufzeit und auch danach strenger Geheimhaltung unterliegen.

Sollten Sie Fragen haben, kontaktieren Sie bitte Ihren Arbeitgeber, Surya Systems Inc.

Wir danken für Ihre Dienste bei Twitter."

Diese Vertragsauflösungen folgen regulären Entlassungen zahlreicher angestellter Mitarbeiter, die man dann teilweise aufgrund der resultierenden Notlage wieder zurückzuholen begann. Zudem quittierten einige wichtige führende Angestellte ebenfalls ihre Posten. Quellen aus dem Unternehmen beschreiben die aktuellen Zustände als chaotisch.

Musk streitet mit Senator

Derweil streitet Musk öffentlich mit dem demokratischen Senator Ed Markey. Dieser hat angesichts einer Schwemme an verfizierten Fakeaccounts nach Einführung des Acht-Dollar-Premiumzugangs einen Brief an Musk geschrieben und diesen auf Twitter veröffentlicht. Dabei bezieht er sich auf einen Bericht der "Washington Post", wo es einem Journalisten testweise gelungen war, einen Fakeaccount im Namen von Markey zu eröffnen und verifizieren zu lassen. Der Senator verlangt nun Auskunft, wie Derartiges überhaupt ermöglicht werden konnte.

Musk reagierte auf die Veröffentlichung eher unsouverän und entgegnete lapidar: "Vielleicht weil Ihr echtes Konto wie eine Parodie wirkt?" Markey erinnerte Musk daraufhin, dass eine seiner Firmen derzeit nach strengen Vorgaben der Handelskommission operieren muss, während die Autobahnsicherheitsbehörde NHTSA eine andere Firma – Tesla – wegen tödlichen Unfällen untersucht wird. Statt online Kämpfe auszutragen, solle Musk lieber seine Unternehmen reparieren. "Denn sonst wird es der Kongress tun."

Wahlempfehlung sorgte für Aufregung

Musk hatte im Vorfeld der Midterm-Wahlen vom vergangenen Dienstag per Tweet dazu aufgerufen, republikanisch zu wählen. Argumentiert hatte er dies mit einem notwendigen Gegengewicht zum demokratischen Präsidenten und seiner Regierung. Die Empfehlung hatte sowohl Beifall wie auch Kritik ausgelöst, zumal Musk vor der Übernahme von Twitter noch betont hatte, dass das Unternehmen sich "politisch neutral" verhalten solle.

Genützt haben dürfte die Empfehlung allerdings nicht viel. Viele Meinungsforscher hatten mit einer "red wave" gewechselt und den Republikanern hohe Chancen eingeräumt, sich die Mehrheit im Senat und Repräsentantenhaus zu sichern. Mittlerweile steht fest, dass die Demokraten ihre durch Vizepräsidentin Kamala Harris sichergestellte Mehrheit gehalten haben und bei der Stichwahl in Georgia im Dezember sogar auf 51:49 ausbauen könnten.

Auch bei der Wahl des Repräsentantenhauses ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. In einer Reihe von Wahlkreisen – viele davon im stark demokratisch dominierten Kalifornien – sind die Rennen noch nicht entschieden. Die Demokraten verlieren hier zwar Sitze, könnten aber letztlich ihre Mehrheit knapp behalten. (gpi, 14.11.2022)