Wie bekommt man festgeklebte Hände möglichst schonend wieder vom Untergrund los? Das fragen sich derzeit viele.

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An Bilderrahmen, an Museumswänden, an den Sockeln von Dinosaurierskeletten, auf Sportwagen, auf Straßen wie Autobahnausfahrten oder Kreuzungen, an Baumaschinen, an den Hausmauern vor Büros von Finanzinvestoren: Die Orte, an denen sich Klimaaktivistinnen und -aktivisten mit Sekundenkleber festmachen, mehren sich. Etwa eine Tube eines handelsüblichen Klebers soll nötig sein, um eine Handfläche an der gewählten Oberfläche zu verankern. Doch wie bekommt man diese wieder los? Und wie sieht die Haut der Hand danach aus?

Die Polizei ist dafür verantwortlich, die Aktivistinnen und Aktivisten wieder vom Ort ihres Protests zu lösen. Und sie hat erprobte Mittel. Welche das sind, will zumindest die Wiener Polizei aber nicht sagen. Man gehe beim Loslösen selbstverständlich mit größtmöglicher Behutsamkeit vor und mache das möglichst schonend, betont eine Sprecherin. Doch verrate man die angewendete Lösungsmethode, könnten die Aktivistinnen und Aktivisten darauf reagieren bei weiteren Aktionen, das würde die Arbeit erschweren.

Auskunftsfreudiger ist da die Polizei in Zürich. Sie verwendet Pflanzenöl, in manchen Fällen auch alkoholhaltige Desinfektionsmittel, wie eine Sprecherin gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" sagte. Und das ist auch die Empfehlung von Kleberproduzenten, Chemikern und Dermatologinnen.

Rutschige Angelegenheit

Der erste Impuls, um festgeklebte Hände wieder zu lösen, wäre wohl der Griff zu einem Lösungsmittel wie Aceton, das etwa in Nagellackentfernern enthalten ist. Das ist aber nicht der optimale Weg. Eine Nachfrage bei der Produktberatung des Sekundenkleber-Herstellers Loctite ergibt, dass zumindest in diesem Produkt gar kein Aceton mehr enthalten ist und deshalb damit auch nicht gelöst werden kann. Die Stelle empfiehlt, ebenso wie das die Zürcher Polizei tut, mit Pflanzenöl oder fettigen Handcremen zu arbeiten, dann sei die Hand in 15 bis 20 Minuten wieder frei.

Empfohlen wird so eine Klebeaktion vom Hersteller selbstverständlich nicht, man weist dringend darauf hin, dass solche Kleber die Haut reizen können – auch wenn sie per se nicht sehr gefährlich seien. Das bestätigt auch der Chemiker Andreas Mautner von der Uni Wien: "Der Hauptbestandteil solcher Kleber sind üblicherweise Cyanacrylate. Diese härten in Verbindung mit Feuchtigkeit, und da reicht schon normale Luftfeuchtigkeit, extrem schnell aus, deshalb sind sie als Sekundenkleber so geeignet."

Der Vorteil: Der Stoff ist kaum giftig. "Natürlich reizt der Sekundenkleber die Haut, das liegt vor allem an den darin enthaltenen Lösungsmitteln. Aber er ist nicht per se stark gesundheitsgefährdend." Auch Mautner empfiehlt zum Lösen Pflanzenöl. Der Grund dafür: Nach einem alten Alchemisten-Grundsatz soll man Gleiches mit Gleichem lösen. Im konkreten Fall sind das hydrophobe Stoffe, also Stoffe, die sich nicht mit Wasser verbinden. Das gilt für die Sekundenkleber genauso wie für Pflanzenöl. Auch Benzin wäre so ein hydrophober Stoff, aber Mautner betont: "Pflanzenöl ist auf jeden Fall die bessere Variante, für die Umwelt und für die Haut."

Vorsichtig vorgehen

Dass Klebstoff für die Haut per se ungefährlich ist, bestätigt auch die Dermatologin Kerstin Ortlechner. Ohnehin kennen das viele selbst vom Basteln, auch mit Kindern, da kann es schon passieren, dass einmal zwei Finger zusammenkleben. Aus solchen Erfahrungen hat man gelernt: Die Verklebung löst sich halbwegs rasch wieder. Das passiert bei kleinen Stellen wie eben den Fingerkuppen sogar recht rasch durch das Hautfett.

Nicht so harmlos ist es aber, wenn man großflächig Körperteile an Fremdoberflächen festklebt und diese dann womöglich mit Gewalt abgerissen werden. Ortlechner betont: "Dabei kann es sehr wahrscheinlich zu Verletzungen der Hautbarriere kommen. Die oberen Schichten wie Epidermis und Teile der oberen Dermis können sich dabei lösen." Vor allem in letzterem Fall können offene, blutende Wunden entstehen, die später womöglich auch Narben hinterlassen. Je nach chemischer Zusammensetzung des Klebers kann die Chemikalie auch zu Verätzungen führen.

Ortlechner empfiehlt auch aus ärztlicher Sicht deshalb behutsames Ablösen mit dem Hilfsmittel Öl oder sehr fetthaltigen Cremen. Simple Seifenlauge ist zwar auch fettig, aber nicht konzentriert genug. Und eines sollten klebende Menschen dringend beachten: Nicht mehr harmlos ist Sekundenkleber, wenn er mit den Schleimhäuten in Berührung kommt, wie etwa im Mund oder in den Augen. Da kann es auch zu schwereren Verletzungen kommen. (Pia Kruckenhauser, 15.11.2022)