Die WKStA will Daten aus dem Kanzleramt unter Karl Nehammer (ÖVP) sicherstellen, dieses will der Anordnung vorerst nicht Folge leisten.

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Ein Inserat im Umfeld der Kampagne eines Frauenmagazins gegen Gewalt: "Bitte auch Absage, danke!" Angebote zu Volksblatt und Bauernzeitung: "Versuche aktuell abzuklären, wer künftig was macht." Solche E-Mails zeigen für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), dass Andreas Grad, mittlerweile Generalsekretär im Bundeskanzleramt, sehr wohl mit Medienarbeit befasst war. Und das steht laut WKStA "im Widerspruch" zu dessen eigenen Angaben: Am 16. August 2022 habe Grad der WKStA mitgeteilt, dass er "mit den im Spruch der Anordnungen genannten Bereichen" – also etwa Inseratevergaben – "nicht befasst war", schreiben die Ermittler in einem Amtsvermerk.

Neue Brisanz

Damit erhält der schon länger schwelende Konflikt zwischen WKStA und Kanzleramt rund um die Sicherstellung von Daten neue Brisanz. Wie mehrfach berichtet, will die WKStA E-Mail-Postfächer zahlreicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kanzleramts auswerten, um Kommunikation mit Beschuldigten in der Causa Inserate und Umfragen wiederherzustellen.

Gemeint sind damit beispielsweise der einstige Medienberater von Kanzler Kurz, Gerald Fleischmann, oder Pressesprecher Johannes Frischmann. Beide sollen kurz vor der Hausdurchsuchung im Kanzleramt Daten gelöscht haben, denken die Ermittler. Das Kanzleramt weigert sich jedoch nach wie vor, die Anordnung umzusetzen, weil diese zu unkonkret sei und Datenschutzinteressen der Mitarbeiterschaft gefährde.

Nach dem Abgang des bisherigen Generalsekretärs Bernd Brünner vor rund drei Wochen ist nun Andreas Grad der Ansprechpartner für die WKStA im Kanzleramt. Sie erhielt, quasi als eine Art von "Amtshilfe", Unterlagen aus dem U-Ausschuss übermittelt. Der rote Fraktionschef Jan Krainer schickte rund 5030 Daten an die WKStA, die das Parlament aus dem Kanzleramt erhalten hatte. Und dort fand die WKStA nun jene E-Mails, die "im Widerspruch" zu Grads Angaben stünden.

Außerdem legte der U-Ausschuss vergangene Woche in seiner Befragung von Nehammers Kabinettschef Andreas Achatz eine E-Mail vor, der zufolge Grad seine ältere Kommunikation als Personalchef im Innenministerium einfach habe löschen lassen, anstatt sie für den U-Ausschuss aufzubereiten.

Beides zeigt aus Sicht der WKStA sinngemäß, dass Grad kein verlässlicher Ansprechpartner ist. Deswegen könne keine Amtshilfe durchgeführt werden, das Kanzleramt der WKStA also die vorselektierten Daten übermitteln. Vielmehr müsse die WKStA per Sicherstellung alle Daten erhalten, um sie dann selbst auszuwerten. Auch auf die Daten aus dem U-Ausschuss könne man sich nicht verlassen, schreibt die WKStA: "Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Vorlage ist weder gesichert (siehe oben Löschauftrag des Mag. Dr. Grad hinsichtlich seiner Daten) noch kontrollierbar." Grad reagierte auf eine Anfrage nicht.

Türkise Medienpolitik

Abseits der Frage der Sicherstellung bietet der Amtsvermerk der WKStA interessante Einblicke in die türkise Medienarbeit. Kurz zusammengefasst erhellen diverse Chats und E-Mails, dass der spätere Leiter der Stabsstelle Medien im Bundeskanzleramt und enge Kurz-Vertraute Gerald Fleischmann viel mit dem Inseratenthema zu tun hatte – und zwar schon 2014, als die Beteiligten alle noch im Außenministerium tätig waren, das Kurz damals gerade übernommen hatte. Der Kurz-Vertraute Stefan Steiner war ebenfalls involviert, aber auch der "Chef", also wohl Kurz selbst.

Vor dem U-Ausschuss entschlug sich Fleischmann im Juli unter Verweis auf laufende Ermittlungen bei allen Fragen zu Inseraten – er wollte nicht einmal beantworten, welche Abteilung dafür zuständig war. Aus dem Umfeld von Kurz heißt es zum Amtsvermerk, dass die Vorgehensweise datenschutzrechtlich zwar "absurd" sei, man sehe es aber positiv, da es sich "um eine alltägliche, völlig harmlose Kommunikation" handle. (Fabian Schmid, Renate Graber, 14.11.2022)