Als Joe Biden und Xi Jinping sich 2011 und 2012 persönlich trafen, taten dies der Amerikaner und der Chinese jeweils als Vizepräsident ihres Landes. Ein Blick in die Fotoarchive zeigt ein sichtlich entspanntes, ja gutgelauntes Duo. Die USA befanden sich in einer Umorientierungsphase hin zum asiatischen Raum ("Pivot to East Asia"), was China damals mit freudigem Interesse quittierte. "Die Entwicklung der Beziehungen ist durchwegs positiv, sie liegt im überwältigenden Interesse unserer beiden Länder", bestätigte Biden bei seiner Peking-Reise 2011.

Freundlich, aber auch reichlich förmlich begrüßten einander Xi Jinping und Joe Biden. Vor zehn, elf Jahren noch waren die Beziehungen viel besser.
Foto: Reuters / Kevin Lamarque

Elf Jahre später ist am Rande des G20-Gipfels auf Bali von dieser Aufbruchsstimmung nichts mehr übrig. Die beiden Mächte gehen unterschiedliche Wege, die Beziehungen befinden sich auf einem Tiefpunkt. Viel stehe auf dem Spiel – aber die Erwartungen seien sehr niedrig, schätzten mehrere US-Medien das Treffen der beiden Staatsmänner am Montag nüchtern ein.

Tatsächlich fiel die Begrüßung zwischen den beiden nunmehrigen Präsidenten zwar freundlich, aber auch reichlich förmlich aus. Xi sprach vor dem mehrstündigen bilateralen Meeting dem Vernehmen nach unumwunden von "einer Menge Herausforderungen" – wobei dieses Wort wohl nicht im Wortsinn von "Chance" zu werten war.

"Keine Notwendigkeit für Kalten Krieg"

Den geschäftsmäßigen Tonfall beherrscht aber auch Xis Amtskollege Biden: Washington sei immer zur Kooperation bereit, aber natürlich stehe man nicht überall auf derselben Seite. "Aus der Konkurrenz der beiden Nationen darf kein Konflikt werden", beide Seiten hätten die Verantwortung, diesen zu vermeiden und die Differenzen abzuklären. Das unterstrich Biden auch nach dem Treffen deutlich: "Es gibt keine Notwendigkeit für einen neuen Kalten Krieg."

Immerhin, so meinte der US-Präsident zum Auftakt der Gespräche, gebe es zwischen den USA und China "nur sehr wenige Missverständnisse". Wichtig sei es vielmehr, die jeweiligen roten Linien deutlich zu machen.

Der amerikanisch-chinesische Problemkatalog ist umfangreich wie schon seit langem nicht. Und dennoch könnte Bali der Startpunkt einer zumindest kleinen Trendwende sein, hoffen manche politischen Beobachter, auch wenn die USA China die monatelange Rückendeckung für Moskau im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg übelnehmen.

Fraglos heikle Themen sind auch Chinas Drohgebärden gegenüber Taiwan, der Machtanspruch im Südchinesischen Meer sowie der Umgang der Pekinger Führung mit Minderheiten, vor allem mit den Uiguren.

China wiederum prangert an, dass die USA den Aufstieg ihres Landes behindern würden – ein Vorwurf, den man vor einem Jahrzehnt nie und nimmer offen zu hören bekommen hätte.

Dauerthema Russland

Zwar fehlt Präsident Wladimir Putin beim G20-Gipfel in Bali, dennoch machte Moskau dort am Montag viel von sich reden: Der Kreml dementierte Meldungen, denen zufolge Außenminister Sergej Lawrow in ein Krankenhaus eingeliefert worden sei; tatsächlich befinde er sich – gesund – in Indonesien und werde wie geplant am Dienstag eine Rede beim Gipfel halten.

Ob es auch heuer eine gemeinsame politische Erklärung der 20 Teilnehmerstaaten, die vier Fünftel der weltweiten Wirtschaftskraft und drei Viertel des Welthandels repräsentieren, geben wird, ist unsicherer als in den Jahren zuvor. Zu unterschiedlich sind die Positionen etwa in Sachen Ukraine-Krieg. Die Differenzen könnten die offiziellen Tagungsthemen – Nahrungsmittelsicherheit, Energie- und Gesundheitspolitik, Digitalisierung – überschatten. (Gianluca Wallisch, 14.11.2022)