ÖVP-Klubobmann August Wöginger hat eine Debatte angestoßen.

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Eisenstadt – Die Europäische Menschenrechtskonvention sorgt für eine Diskussion in der ÖVP. Nach dem steirischen Landeshauptmann Christopher Drexler haben am Dienstag auch die ÖVP-Chefs aus Salzburg und dem Burgenland, Wilfried Haslauer und Christian Sagartz, den Vorstoß von Klubobmann August Wöginger im STANDARD für eine Überarbeitung der EMRK unterstützt. Zuvor hatte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) die Diskussion eigentlich für beendet erklärt.

Salzburg für "Lösung für Wirtschaftsflüchtlinge"

"Menschenrechtsmaterien sind besonders sensibel, wir müssen behutsam mit ihnen umgehen", betonte ein Sprecher von Salzburgs Landeshauptmann Haslauer. "Asylgrundsätze sind eindeutig und für jene da, die Asyl brauchen. Wir benötigen aber eine Lösung für Wirtschaftsflüchtlinge, die sich auf Asylgrundsätze berufen – ohne aber dass sie überhaupt Aussicht auf Asyl haben."

Sagartz, der auch stellvertretender Vorsitzender im Menschenrechtsausschuss des Europäischen Parlaments ist, erklärte: "Niemand möchte die Menschenrechte willkürlich ändern. Aber für mich ist ganz klar – die über 70 Jahre alte Menschenrechtskonvention benötigt ein Update beim Thema Migration; und diese Diskussion sollten wir so schnell als möglich starten." Ähnlich wie in anderen Rechtsbereichen müssen man die Menschenrechtskonvention ins neue Jahrtausend holen, da es seit 1984 keine wesentlichen Anpassungen mehr gegeben habe. "Noch dazu wurden die alten Passagen sehr freizügig ausgelegt, was zu langen Abschiebeprozessen und zu übermäßigem Zuzug geführt hat", meinte Sagartz.

Der Landesparteiobmann fordert darüber hinaus auch eine Überarbeitung der Genfer Flüchtlingskonvention: "Der ursprüngliche Text der Genfer Flüchtlingskonvention war ausgelegt, unseren unmittelbaren Nachbarn in Not zu helfen. Doch jetzt kommen Menschen von überall nach Europa und wollen Zugang zu unserem hart erarbeiteten Sozialsystem. Das konnte damals niemand vorhersehen."

Ähnlich hatte sich Drexler in der "Kleinen Zeitung" geäußert. "Ja, er hat recht. Wenn es darum geht, auch die Europäische Menschenrechtskonvention diskutieren zu dürfen", sagte er zu Wögingers Vorstoß. Und weiter: "Mir geht es weniger um den Text der EMRK aus dem Jahr 1950. Aber die fortlaufende Weiterinterpretation durch den Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg kann man als ein sich verselbstständigendes Richterrecht sehen. Da stellt sich die Frage nach der demokratischen Legitimation."

Diskussion "ist legitim"

Man solle "einmal abklopfen, was in einer zeitgemäßen Textfassung eine Deckung finden würde", so Drexler. "Möglicherweise braucht es eine Neukodifizierung, um das, was sich auf dem Interpretationsweg ergeben hat, zu bewerten, allenfalls in den Text aufzunehmen oder zu verwerfen. Darüber eine Diskussion zu führen ist legitim." Die heutige Asylpraxis sei "eine wirkliche Pervertierung des ursprünglichen Asylgedankens".

Zuvor hatten Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadić (Grüne) die Europäische Menschenrechtskonvention als "nicht verhandelbar" bezeichnet. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen schaltete sich am Montag in diese Debatte ein: Die EMRK sei eine große Errungenschaft der Menschlichkeit, ein Kompass der Humanität und gehöre zum Grundkonsens der Republik, schrieb er auf Twitter. Diese infrage zu stellen löse keine Probleme, sondern rüttle an den Grundfesten, auf denen unsere Demokratie ruhe. ÖVP-Parteikollege und Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments Othmar Karas schrieb am Dienstag ebenfalls auf Twitter: "Die Europäische Menschenrechtskonvention ist eine humanistische Errungenschaft. Wer sie in Frage stellt, sägt an einem Grundpfeiler unserer Demokratie. Dass dieser Vorstoß aus der ÖVP weiter Unterstützung findet, macht mich fassungslos und bedarf einer klaren Zurückweisung."

Die Katholische Aktion Österreich forderte in einer Aussendung am Dienstag alle politisch Verantwortlichen auf, sich gegen ein "Herumhämmern am Fundament der Europäischen Menschenrechtskonvention" zu engagieren. (APA, 15.11.2022)