Jod aus den Ozeanen trägt über Umwege zur Entstehung von Wolken bei. Ein internationales Forschungsteam konnte nun die Hintergründe klären.

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Damit Wasserdampf in der Atmosphäre zu Tröpfchen und in weiterer Folge zu Wolken werden kann, braucht es sogenannte Kondensationskeime. Sie können von Rückständen menschlicher Aktivitäten wie etwa Rußpartikel stammen, oder aus natürlichen Prozessen wie im Falle winziger Sandkörner oder Aerosole.

Auch Jod aus dem Meer kann bei solchen Prozessen eine Rolle spielen: Es gelangt aus den Ozeanen in die Atmosphäre, zerstört Ozon und trägt in Form von Jodsäure zur Wolkenbildung bei. Im Vorjahr hat das internationale Cloud-Experiment am Europäischen Labor für Teilchenphysik Cern in Genf (Schweiz) die wichtige Rolle von Jod bzw. Jodsäure bei diesem Prozess nachgewiesen.

Wie Jodsäure entsteht

Nun hat ein Forscherteam mit Beteiligung österreichischer Wissenschafter den Entstehungsweg von Jodsäure klären können. Das ist insofern von großer Bedeutung, weil sich die Jod-Emissionen in der nördlichen Hemisphäre seit 1950 verdreifacht haben.

Wenn Ozon (O3) mit im Meerwasser gelöstem Jodid reagiert, entsteht Jod. Gelangt es über die Ozeane in die Luft, wirkt es dort als Katalysator bei der Ozonzerstörung, wird dabei aber selbst nicht verbraucht. Das Problem dabei ist, dass es durch menschliche Aktivitäten zu einer Zunahme von bodennahem Ozon und zu immer höheren Temperaturen kommt. Dadurch wird das Eis in der Arktis immer dünner und mehr wassergelöstes Jodid kann mit Ozon in Berührung kommen und Jod freisetzen.

Beschleunigtes Abschmelzen

Beide Effekte verstärken die Jodemissionen. "Diese steigenden globalen Emissionen könnten demnach in der Arktis das Abschmelzen des Meereises weiter beschleunigen, es handelt sich also um einen selbst verstärkenden Effekt", erklärte Armin Hansel vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck.

Hansel gehört mit Kollegen von der Universität Wien dem Forscherteam an, welches das Großexperiment Cloud (Cosmics Leaving Outdoor Droplets) am Cern für seine Arbeit nutzt. Dort kann in einem 26 Kubikmeter großen Edelstahltank die Bildung von Aerosolpartikeln und Wolken unter extrem präzise kontrollierbaren Bedingungen untersucht werden.

Feldmessungen auf Reunion

Ein zentraler Zwischenschritt des Kreislaufes, bei dem Jod aus den Meeren in die Atmosphäre gelangt, Aerosole bildet und schließlich Ozon zerstört, ist die Bildung von gasförmiger Jodsäure (HIO3) in der Atmosphäre. In der Arbeit, die nun im Fachjournal "Nature Chemistry" veröffentlicht wurde, konnten die Forscher die einzelnen Schritte dieses Reaktionswegs entschlüsseln, nicht nur im Cloud-Experiment, sondern auch durch Feldmessungen am Maido Observatorium im französischen Übersee-Departement Reunion.

So zeigten sie, dass gasförmiges Jod in der Atmosphäre reaktive Radikale bildet, die eigentlich nur in Küstennähe bzw. über den Ozeanen unter Einfluss von Licht in chemische Reaktionen eingreifen und Ozon zerstören. Da aber Jod in Aerosolpartikeln über weite Strecken transportiert werden könne und weit weg von seinen Quellen wieder freigesetzt werde, habe der Jodkreislauf globale Auswirkungen. (red, APA, 15.11.2022)