Nuklearmedizinische Untersuchungen sind zwar den wenigsten ein Begriff, aber sie sind sehr häufig – wie etwa die Schilddrüsen-Szintigrafie zur Abklärung heißer oder kalter Knoten. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Abklärung koronarer Herzerkrankung.

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Die Nuklearmedizin ist für viele ein im Grunde unbekanntes Gebiet. Manche haben auch noch gar nichts davon gehört, es klingt beim ersten Hören eher gefährlich. Dabei sind Untersuchungen mit radioaktiven Substanzen sehr verbreitet, grob geschätzt wird diese Untersuchungsmethode in Österreich rund 1.500-mal pro Woche angewendet. Und zwar für eine Vielzahl an Abklärungen, wie Alexander Becherer, Nuklearmediziner und Primar am Landeskrankenhaus Feldkirch in Vorarlberg, erklärt. Nun gibt es einen Lieferengpass bei einem für viele Untersuchungen notwendigen radioaktiven Element. Was bedeutet das für die gesundheitliche Versorgung in Österreich?

Es handelt sich dabei um das Radionuklid Technetium-99m. Dieses Radionuklid wird in einer Vielzahl an bildgebenden Untersuchungen eingesetzt, etwa bei der Messung der Durchblutung des Herzmuskels in der Abklärung der koronaren Herzkrankheit, bei Knochenuntersuchungen, Wächterlymphknoten-Szintigrafie, Lungen-Szintigrafie, Nieren-Szintigrafie oder Schilddrüsen-Szintigrafie zur Abklärung heißer oder kalter Knoten.

Bei der bildgebenden Untersuchung wird ein Medikament in sehr geringer Dosis mittels Injektion oder Inhalation – in sehr wenigen Fällen wird es auch oral verabreicht – in den Körper eingebracht, das mit Technetium-99m markiert ist. Dieses Radionuklid heftet sich an das Medikament an und wird so dorthin transportiert, wo die Untersuchung nötig ist. Beim Zerfall von Technetium-99m wird Energie in Form von Strahlung freigesetzt, die man sichtbar machen und so Diagnosen erstellen kann – etwa wie gut ein Organ durchblutet ist oder ob ein Tumor Metastasen gebildet hat.

Kurzfristiger Reaktorausfall

Hergestellt wird dieses Radionuklid in speziellen Generatoren, die immer frisch produziert werden müssen. Dafür benötigt man das Mutternuklid Molybdän-99. Dieses zerfällt zu Technetium-99m, das dann ausgewaschen wird, so entsteht eine mit dem Radionuklid angereicherte Salzlösung. Diese wird dann zu einem für das zu untersuchende Organ spezifischen Arzneimittel hinzugefügt.

Das Problem dabei: Beide Radionuklide haben eine sehr kurze Halbwertszeit, Technetium-99m etwa sechs Stunden, Molybdän-99 rund 66 Stunden. Die nutzbare Lebensdauer eines Generators zur Herstellung von Technetium-99m beträgt etwa drei Halbwertszeiten des Molybdän, also rund eine Woche. Man kann also nicht auf Vorrat produzieren.

Molybdän-99 wiederum wird in Reaktoren hergestellt, die für den wissenschaftlichen oder industriellen Gebrauch bestimmt sind, man benötigt dafür angereichertes Uran. Nur sehr wenige Reaktoren sind dafür geeignet, weltweit gibt es im Wesentlichen sechs Stück. Vier davon stehen in Europa, und hier ist es jetzt zu einem Produktionsausfall gekommen – der nicht nur Österreich, sondern im Grunde ganz Europa betrifft. Becherer erklärt: "Damit es nicht zu solchen Engpässen kommt, stimmen sich diese Reaktoren untereinander ab, was ihre Wartung betrifft. Das ist auch diesmal passiert, aber während die anderen Reaktoren gewartet werden, ist es beim stärksten in Europa zu einer technischen Störung gekommen."

Die gute Nachricht, betont Becherer: "Der Engpass ist bald wieder beseitigt. Laut meiner Information kann die Produktion bald wieder anlaufen, ab 21. November können wir mit etwas schwächeren Generatoren rechnen, ab 28. November ist Technetium-99m wieder in normaler Aktivität vorhanden. Das heißt, bereits in einer Woche können wir wieder zum normalen Untersuchungsbetrieb übergehen."

Manche Untersuchungen ausgefallen

Bis jetzt ist auch das Wohl der Patientinnen und Patienten nicht gefährdet. Die häufigste Untersuchung mit Technetium-99m ist die Messung der Durchblutung des Herzmuskels bei der koronaren Herzkrankheit. Da gibt es aber ein Ersatz-Radiopharmakon, Thallium-201-Chlorid. Mit diesem Mittel wurden die Untersuchungen früher durchgeführt, es hat aber eine etwas höhere Strahlenbelastung als Technetium-99m. Deshalb wird es nun nur noch bei solchen Engpässen verwendet. Zumindest sind so im Bereich der Herzuntersuchungen keine Rückstaus entstanden.

Zeitkritisch sind Wächterlymphknotenuntersuchungen, die direkt vor einer entsprechenden Operation durchgeführt werden, und die Lungen-Szintigrafie, die bei Verdacht auf Lungenembolie akut eingesetzt wird. Hier greift man aktuell auf die noch vorhandenen Restbestände von Technetium-99m zurück. Weniger dramatisch ist die Lage bei Nieren- oder Schilddrüsen-Szintigrafie. Hier ist es zwar unangenehm, wenn man auf die Untersuchung warten muss, aber Patientinnen und Patienten haben dadurch keinen gesundheitlichen Nachteil.

Es ist auch nicht das erste Mal, dass so ein Engpass vorgekommen ist, weiß Becherer: "Die Produktionskette ist sehr sensibel, weil viele Räder ineinandergreifen. Blockiert ein Rädchen am Anfang, kann sich das dann sogar europaweit auswirken." Trotzdem sieht er die medizinische Versorgung nicht gefährdet: "Man muss dann priorisieren, aber bei so einem kurzen Ausfall entsteht kein gröberes Problem." Und er betont, dass die Positronen-Emissions-Tomografie, der sogenannte PET-Scan, mit der Stoffwechselaktivitäten im Gewebe dargestellt werden können, etwa zum Aufspüren von Tumoren oder Metastasen, von dem jetzigen Engpass nicht betroffen ist: "Dafür werden andere Radionuklide verwendet, die anders hergestellt werden."

Bleibt noch die Frage des Laien, wie gefährlich so eine Untersuchung mit Radionukliden ist. Denn die Vorstellung, radioaktives Material im Körper zu haben, auch wenn es extrem schnell zerfällt, klingt nicht sehr wünschenswert. Hier beruhigt Becherer aber: "Die Strahlenbelastung der allermeisten Untersuchungen ist vergleichbar mit einer Computertomografie. Und es gibt Untersuchungen, etwa die Nieren-Szintigrafie bei Kindern, da ist die Belastung sogar geringer als bei einer Röntgenuntersuchung für die gleichen Fragestellungen." (Pia Kruckenhauser, 16.11.2022)