Stolz präsentierte die einst im Geheimen operierende Söldnertruppe Wagner ihre neue Zentrale in St. Petersburg.

Foto: Imago / Itar Tass / Valentin Yegorshin

Dafür, dass es sie laut Gesetz eigentlich nicht geben dürfte, ist sie schon immer sehr offensiv aufgetreten. Doch so wie in den vergangenen Wochen hat sich die russische Söldnertruppe Wagner bisher noch nicht ins Scheinwerferlicht gestellt: In enger Abfolge hat die einstige Schattenarmee den Vorhang, hinter dem sie bisher gearbeitet hatte, schrittweise weggezogen. Zuletzt machte sie auch mit besonders radikalen Ansagen zum Krieg in der Ukraine von sich reden – und mit einer Medienoffensive, die ihre Brutalität wohl auch ganz bewusst in die Auslage stellt.

Aktueller Anlass ist ein Video, das am Wochenende im Internet auftauchte. Zu sehen ist darauf eine grauenvolle Szene. Ein Mann, der sich als 55-jähriger Ex-Häftling ausgibt, ist abgebildet, an seinen Kopf ist seitlich ein geradezu übertrieben riesiger Stein geklebt. Beim Mann soll es sich um einen ehemaligen russischen Häftling handeln, der von Wagner für den Ukraine-Krieg rekrutiert wurde, dann aber desertierte. Er erzählt, dass er aus Kiew entführt worden sei. Dann kommt der Vorschlaghammer zum Einsatz und wird gegen den Stein geschlagen – der Mann sackt zusammen. Es handelt sich um eine Exekutionsvideo – eines, das offenkundig auch dazu dienen soll, andere Deserteure abzuschrecken.

Die Aussagen in dem Video lassen sich nicht unabhängig bestätigen. Dass es sich bei dem Mann um einen ehemaligen Strafgefangenen handelt, der sich später der Ukraine ergab, scheinen aber sowohl ukrainische Quellen als auch die Familie des Getöteten zu bestätigen. Zweifel gibt es an der Entführung aus Kiew, als wahrscheinlicher gilt ein Gefangenenaustausch. Dass wiederum Wagner wirklich hinter dem Video steht, schien der Chef der Truppe, Jewgeni Prigoschin, zunächst in einem Posting zu bestätigen. Er schrieb in einem Online-Medium, er habe den Film gesehen und müsse die "hervorragende Regiearbeit" loben. Der Film solle den Titel tragen: "Ein Hund stirbt den Tod eines Hundes". Später dann ließ er dementieren: Wagner-Angehörige würden sich "durch herausragende Disziplin auszeichnen und sich stets nach weltweit akzeptierten Verhaltensweisen richten."

Zweideutige Geständnisse

Völlig unbestritten ist indes die Medienoffensive Prigoschins. Schon im September hatte der Geschäftsmann, der mit Versorgungsleistungen für die Armee und den Staat reich wurde und daher als "Putins Koch" bezeichnet wird, eingestanden, was er bisher auch via Klagen dementiert hatte: dass er hinter der Wagner-Gruppe steht, die nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Syrien und in zahlreichen afrikanischen Staaten im Einsatz ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits in mehreren Einträgen in Micro-Blogs und in von Wagner betriebenen Medien eine noch härtere Gangart in der Ukraine gefordert und teils auch die Defizite in Armee und Verteidigungsministerium scharf kritisiert.

Anfang November dann stellte Wagner gar einen Glasbau in St. Petersburg öffentlich als Hauptquartier vor. Vor dem Gebäude waren Plakate platziert und auch Lkw,s die das aus dem Ukraine-Einsatz bekannte "Z" zeigen, das Russlands Propaganda als Emblem des Angriffs zu festigen versucht. Im Haus selbst war unter anderem eine Drohnenausstellung zu sehen. Prigoschin ließ sich zum Anlass mit den Worten zitieren, er wolle mit dem Bau eine "gute Atmosphäre schaffen, um über Russlands Verteidigung nachzudenken". Wenig später machte er auch mit dem Eingeständnis, er habe sich in US-Wahlen eingemischt, von sich reden – wobei auch dieses so sarkastisch formuliert war, dass die Worte als zweideutige Aussage stehenblieben.

Was genau Prigoschin mit der Offensive bezweckt, ist offen – sie sorgt aber durchaus für Diskussionen. Offenkundig scheint, dass seine einst als Instrument des Kreml geschaffene Truppe mittlerweile selbst zum gewichtigen Machtblock geworden ist – der teils auch seine eigenen Ziele verfolgt. (Manuel Escher, 15.11.2022)