Bleiben die Budgets für die Forschung gleich, ohne die Teuerung miteinzuberechnen, kann sich dies für Österreich negativ auf den weltweiten Wettbewerb auswirken.
Illustration: Fatih Aydogdu

Mehr als 20 drei- bis vierjährige Projekte konnte das Zentrum für Soziale Innovation (ZSI) zuletzt über das EU-Forschungsprogramm Horizon Europe finanzieren. Klaus Schuch, wissenschaftlicher Leiter des ZSI, betont trotz aller Freude über diesen Erfolg: "Wir müssen, da derartige Drittmittel unsere einzigen Umsätze sind, vor der Finalisierung des einen Projekts schon die Gelder für das nächste einwerben." Dabei sei die Chance, dass sich die Arbeiten "konsekutiv aufeinander beziehen" nur sehr gering.

Vorsichtig optimistisch

Die Forschenden am ZSI arbeiten entlang der thematischen Leitlinien "Arbeit und Chancengleichheit", "Technik und Wissen" sowie "Forschungspolitik und Entwicklung". Das ist die Art von inhaltlicher Nachhaltigkeit, die sich das Zentrum leisten kann. Angesichts einer prognostizierten Jahresinflation von acht bis neun Prozent für 2022 spricht Schuch von einer dringend nötigen, nachhaltigen Inflationsanpassung für die Forschung.? "Bisher ist in unseren Horizon-Europe-Projekten eine Angleichung von den üblichen drei Prozent eingepreist worden, das wird künftig nicht reichen, wenn die Preise weiterhin so steigen, da müssen wir mit mehr Bedarf kalkulieren." Schuch ist optimistisch, dass das gelingen wird.

Selbstverständlich ist das nicht. Im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E) sehen Vertreter einiger Institutionen mit Sorge auf die Teuerungswelle. Anton Plimon, Geschäftsführer des Austrian Institute of Technology (AIT), sieht in der angewandten außeruniversitären Forschung künftig einen deutlichen Mehrbedarf. "Ich rede dabei nicht von 2022 und 2023. Das heikle Jahr wird 2024 sein, denn dann kommen die Folgen der Teuerung voll zum Tragen." Er führt als Beispiel Personalkosten an. Die Forderung nach einer Inflationsanpassung könne er verstehen und verweist auf die nötige Steigerung des Wachstumspfades in der Basisfinanzierung durch das Klimaschutzministerium für den Fall, dass der derzeitige Trend sich nicht bald deutlich umkehrt. Die nächste Finanzierungsperiode ist 2024 bis 2026, und die derzeitigen Bilder im entsprechenden Budgetrahmen (UG34) bilden das nicht ab.

Wettbewerbsnachteile ohne Förderung

Budgets, die die Teuerung nicht abbilden, könnten indirekt die Innovationsdynamik bremsen. Darauf verweisen die Geschäftsführer der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), Henrietta Egerth und Klaus Pseiner. "Teuerung heißt, F&E-Projekte werden teurer, bei gleichbleibenden Förderbudgets müssten die Kriterien verschärft werden, und damit wären weniger Projekte förderbar. Oder jedes einzelne Förderprojekt müsste mit weniger Unterstützung auskommen, weil die Kosten steigen." Das Führungsduo ist dennoch zuversichtlich. Das Budget der FFG hat sich in den letzten Jahren zufriedenstellend entwickelt. "Und bereits im kommenden Jahr werden weitere Budgets aus der Transformationsoffensive hinzukommen." Diese werden wie der größte Anteil der Mittel vom Klimaschutzministerium zur Verfügung gestellt, um einen Umbau der heimischen Industrie und eine klimaneutrale Entwicklung zu ermöglichen.

Die Verhandlungen für die nächste Finanzierungsvereinbarung der FFG für 2024 bis 2026 beginnen in diesen Tagen. Experten sind sich einig: Wenn die Inflation anhält und die Budgets nicht deutlich erhöht werden, könne das Wettbewerbsnachteile für den Forschungsraum Österreich bringen. Innovationsexperte Jürgen Janger vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo warnt etwa vor Auswirkungen auf das Personal im F&E-Bereich. Mit gleichbleibenden Mitteln könne ein Forschungsinstitut nur den Arbeitsaufwand anpassen, was theoretisch zu Kündigungen führen könne. Die Forschung würde massiv leiden, wenn eine nicht auszuschließende Folge "schlechte oder gar keine Jobs für die junge Generation bedeutet".

Investition in die Zukunft

Die Inflation trifft auch die Grundlagenforschung mit steigenden Lohn- und Energiekosten. Beim Wissenschaftsfonds FWF fließt der Großteil der Mittel in die Gehälter der Forschenden, aktuell 4500 vom FWF finanzierte Forschende in ganz Österreich, 70 Prozent davon im Nachwuchsbereich. Für die Valorisierung der Gehälter rechnet man für 2023 mit einem Mehrbedarf von 15 Millionen Euro. Bei länger anhaltender hoher Inflation sei das so dringend benötigte Wachstum aber mit einem Schlag weg. Im FWF habe man entschieden, bei laufenden Projekten die steigenden Lohnkosten im nächsten Jahr auszugleichen, um etwa gestrandete Dissertationsprojekte zu vermeiden. "Da unser Budget seitens des Wissenschaftsministeriums bleibt, wie es ist, können dadurch 2023 weniger neue Projekte starten, das ist bitter", sagt FWF-Präsident Christof Gattringer. "Um die Delle möglichst klein zu halten wären kurzfristige Zusatzmittel wünschenswert."

Mit den prognostizierten 34 Prozent Erhöhung für den nächsten Finanzierungszeitraum werde man aus der Delle herauskommen, vorausgesetzt, die Inflationsdynamik flacht ab. "Es geht ja bei der Grundlagenforschung um Investitionen in die Zukunft. Wenn die Kosten an allen Ecken und Enden steigen, Universitäten den Forschungsbetrieb einschränken müssen und Fördermittel durch die Inflation weniger wert werden, dann bremst das die Zukunftschancen Österreichs", sagt Gattringer. "Ein finanzieller Zickzackkurs wäre gerade in der Grundlagenforschung kontraproduktiv, einige der besten Forschenden würden die Wissenschaft verlassen oder ins Ausland abwandern." Nun scheint die Wissenschafts- und Forschungspolitik gefragt, die avisierten Budgetsteigerungen umzusetzen und nachzuschärfen, wo es nötig ist. (Peter Illetschko, 15.11.2022)