So viel Demonstrierende wie bei der Sozialwirtschaft vergangene Woche sind am Mittwoch nicht zu erwarten.

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Wien – Nach den Pflege- und Sozialarbeitern, die vergangene Woche demonstrierten, gehen am Mittwoch auch die Handelsangestellten auf die Straße. Die Gewerkschaft GPA hat im Zuge der Verhandlungen über einen neuen Kollektivvertrag zu Demonstrationen in Wien und Salzburg aufgerufen. In Wien führt der Demo-Marsch ab zehn Uhr vom Christian-Broda-Platz über die Mariahilfer Straße bis in die Kärntner Straße zum Geschäft des Handelsobmanns Rainer Trefelik. An die hundert Teilnehmer haben sich im Vorfeld angekündigt. Dass Kundinnen und Kunden am Mittwoch vor geschlossenen Geschäften stehen, ist nicht zu erwarten.

Die bisher dritte Verhandlungsrunde der Handelsbranche, in der rund 430.000 Menschen beschäftigt sind, hatte in der Vorwoche kein Ergebnis gebracht. Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber boten zuletzt eine Gehaltserhöhung von vier Prozent und eine Einmalzahlung an. Die Gewerkschaft fordert dagegen eine "kräftige und dauerhaft wirksame Gehaltserhöhung" in der Höhe von zehn Prozent. Mit der Demo wollen die Handelsangestellten ihren Forderungen im Vorfeld der nächsten Verhandlungsrunde Nachdruck verleihen.

"Neuer Stil"

Vor Rainer Trefeliks Modegeschäft nahe der Oper wurden Dienstagabend die ersten Absperrgitter errichtet. Im Zuge schwieriger Verhandlungen wie dieser waren gewerkschaftliche Maßnahmen zu erwarten, sagt der Chefverhandler der Arbeitgeber im STANDARD-Gespräch. Die Kundgebungen vor seinem Haus zielten jedoch auf eine persönliche Ebene ab. "Das ist ein neuer Stil. Jeder soll für sich entscheiden, ob es der richtige ist."

Trefelik zufolge sei man den Arbeitnehmern weit entgegengekommen, bis hin zu einem neuen Einstiegsgehalt von 1.900 Euro. Bisher liegt dieses bei 1.800 Euro. "Aber wir sind Händler, keine Banken. Es kann doch nicht Anspruch der Gewerkschaft sein, künftig lieber über Arbeitsstiftungen zu verhandeln."

Handelsverbandspräsident Stephan Mayer-Heinisch mahnt eine rasche Einigung ein, mit dem Ziel, Arbeitsplätze zu erhalten, um Händlern zumindest eine Unsicherheit zu nehmen. Alle Realitäten würden bei den Verhandlungen auf dem Tisch liegen, sagt er. Österreich rausche in eine Rezession.

Sozialwirtschaft verhandelt

Einen Schritt weiter sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialwirtschaft. Sie hatten bereits vergangene Woche Betriebsversammlungen abgehalten und demonstriert; am Mittwoch wird der Streit um höhere Gehälter nun wieder am Verhandlungstisch ausgetragen. Bei der Sozialwirtschaft fallen die Forderungen noch höher aus als im Handel und zuletzt in der Metallindustrie: Für die 130.000 Beschäftigten des privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereichs fordern die Gewerkschaften GPA und Vida von den Arbeitgebern eine Gehaltserhöhung um 15 Prozent.

"Die Kolleginnen und Kollegen im Gesundheits- und Sozialbereich sind seit drei Jahren im Krisen-Dauereinsatz. Sie brauchen eine Abgeltung deutlich über der Teuerung, damit sie sich ihr Leben weiter finanzieren können", erklärte Eva Scherz, Chefverhandlerin der GPA. Dazu komme, dass sich der Personalmangel in der Branche immer weiter verstärkt, was zusätzliche Belastungen mit sich bringe. Doch die dritte Verhandlungsrunde war im Oktober nach zwölf Stunden ergebnislos unterbrochen worden, nachdem die Arbeitgeber 7,5 Prozent geboten hatten.

Kommt ein Streik?

Die Freigabe für einen echten Streik haben sich Vida und GPA noch nicht geholt – somit bleibt noch Spielraum für eine Einigung bei der vierten Verhandlungsrunde am Mittwoch. Sollte es keine Annäherung geben, könnte die Drohung der Gewerkschafter, die Arbeit vorübergehend einzustellen, aber doch noch wahr werden.

Zur Erinnerung: Bereits am 3. November hatte der Fachverband Metalltechnische Industrie einen Abschluss erzielt – traditionell der Schrittmacher bei den Verhandlungen. Am 7. und 8. November waren Nichteisen-Metallindustrie, Bergbau-Stahl, Fahrzeugindustrie und Gießereiindustrie nachgezogen. Selbst bei den Metallern hatte es kurzfristig bereits nach Streik ausgesehen – wollten die Arbeitnehmer doch 10,6 Prozent mehr Lohn, wobei man sich letztlich auf durchschnittlich 7,4 Prozent einigte. (joge, japf, vk, 16.11.2022)