Die Protestaktion von Letzte Generation Österreich betraf das Klimt-Gemälde "Tod und Leben" im Leopold-Museum.

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Hans-Peter Wipplinger leitet das Leopold-Museum.

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Seit kurz vor 14 Uhr ist der Saal des Leopold-Museums, in dem Gustav Klimts "Tod und Leben" hängt, wieder geöffnet. Das am Dienstagvormittag von Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation auf das Sicherheitsglas vor dem Kunstwerk gespritzte Öl ist wieder weggewischt. Hans-Peter Wipplinger, der Direktor des Hauses, hatte für den Ernstfall vorgesorgt.

STANDARD: Wie ist diese Aktion abgelaufen?

Wipplinger: Wir haben die Saalaufsichten seit geraumer Zeit verstärkt, und glücklicherweise ist ein Aufseher drei Meter entfernt gestanden und sofort eingeschritten. Es ist dann alles nach unserem Notfallplan abgelaufen: Wir haben als Erstes den Saal evakuiert, dann die Polizei und die Sanitäter gerufen, dann die Restaurierung. Danach wurde ich informiert. Wir haben den Notfallplan einige Male durchgespielt, um Erstschäden zu vermeiden. Es hat nun im Ernstfall glücklicherweise alles funktioniert. Polizei und Sanitäter waren schnell vor Ort, haben die Personalien aufgenommen. Die Aktivisten wurden angehalten, aber nicht festgenommen. Es waren zwei Leute, die im Museum verblieben sind, während eine dritte das Museum verlassen und die Bilder und das Video ins Netz gestellt hat, damit sie viral gehen.

STANDARD: Ist dem Gemälde etwas passiert?

Wipplinger: Man hat gleich gesehen, dass nur das vorgeblendete Schutzglas betroffen ist.

STANDARD: Haben Sie im Rahmen der verstärkten Sicherheitsvorkehrungen junge Besucher derzeit besonders im Blick?

Wipplinger: Wir haben kein Profiling an unser Wachpersonal weitergegeben, keinen Steckbrief an der Kasse. Einerseits haben wir so viele junge Besucher, was sehr, sehr erfreulich ist. Wenn man sich andererseits die Menschen anschaut, die sich auf der Straße festkleben, sind da auch 50-Jährige dabei. Es dürfen seit einigen Tagen allerdings keine Taschen mehr mit ins Museum genommen werden, Mäntel müssen abgegeben werden. Wenn Besucherinnen und Besucher Handy, Geldtasche oder Medikamente mit sich in die Ausstellung nehmen wollen, bekommen sie dafür transparente Plastiksäcke. Wir präsentieren etwa 4.000 Kunstwerke auf unseren fünf Etagen, man kann nicht jedes schützen. Aber wir hatten und haben eine Auswahl von Werken ganz besonders im Auge. Denn man weiß ja von den Aktivistinnen und Aktivisten, dass es ihnen um eine mediale Präsenz geht. Und "Tod und Leben" steht da an Prominenz der Werke in unserer Sammlung ganz oben.

STANDARD: Wie viele und welche Werke stehen auf dieser Liste?

Wipplinger: Das ist ein internes Geheimnis. Ich verrate auch nicht, welche Aktivitäten wir sonst noch setzen, um die Kunstwerke zu schützen.

STANDARD: Wie viele Werke sind im Leopold-Museum hinter Glas? Nach welchen Kriterien wird das entschieden?

Wipplinger: Es gibt einerseits Sicherheitsmaßnahmen, die einen Diebstahl erschweren. Man braucht ein gewisses Werkzeug, um diese Gemälde von der Wand zu nehmen. Andererseits gibt es viele, viele Werke hinter Schutzglas. Unsere Intention ist es in den letzten Jahren, so viele Werke als möglich zu verglasen. Da geht es nicht nur um Schutzmaßnahmen gegen solche Aktionen. Verglasungen basieren auch auf Erfahrungen unserer Restaurierungsabteilung, die besagen, dass es bei einer halben Million Besuchern jährlich gerade in den Wintermonaten viele gibt, die beim Niesen auf die Leinwand sprühen. Dass wir Werke hinter Glas geben, hat also verschiedene Gründe. Wenn sich aber jemand an einen historischen Rahmen klebt, kann das auch ein unwiederbringlicher Schaden sein, wenn Farbe in den Rahmen eintritt oder etwaige Chemikalien, die bei einem Angriff verwendet werden, vor sich hin dampfen und die Malschicht angreifen. Deshalb gibt es Notfallkoffer in jeder Etage griffbereit. Das nun angegriffene Gemälde selbst konnten wir nicht verglasen, weil es ein alter, originaler, von Klimt eingesetzter Josef-Hoffmann-Rahmen ist, der noch Farbspuren von Klimt aufweist. Deshalb haben wir dieses hunderte Kilogramm schwere Glas, fast Panzerglas, installiert. Das war ein gutes Investment.

STANDARD: Dass Werke im Leopold-Museum aufgrund ihrer Bedeutung besonders gefährdet für Angriffe sind, war vielleicht anzunehmen. Sind Sie irgendwie auch erleichtert, dass es jetzt passiert und glimpflich ausgegangen ist?

Wipplinger: Es war anzunehmen, dass es eines der großen Museen in Wien treffen wird, aber ich hätte mir die ganze Aufregung gerne erspart. Ich bin allerdings insofern erleichtert, als das Kunstwerk, eines der bedeutendsten dieses Landes und international eine Ikone, diesen Anschlag unbeschadet überstanden hat. Wir hatten Glück, es gibt nur Kollateralschäden am Boden und am Glas. Aber es kann natürlich auch einmal schlecht ausgehen.

STANDARD: Wie viel Verständnis haben Sie für diese Klimaproteste?

Wipplinger: Ich habe Verständnis für die Anliegen. Wir machen in der Museumslandschaft so vieles, bis hin zum Green Museum. Bei vielen Ausstellungen wechseln wir nicht die Wandfarbe, um dieses Material nicht zu verbrauchen. Wir verwenden Ausstellungsarchitekturen immer wieder, um nicht so viel Holz zu verbrauchen. Wir achten darauf, nicht zu viele Transporte zu haben und, wenn es geht, nichts mehr aus Übersee zu holen. Nur bin ich der Überzeugung, dass diese Methode der Aktivisten die breite Bevölkerung abschreckt, auch wenn die Ziele hehr sind. Ich habe kein Verständnis dafür, dass man Kunstwerke angreift, denn es kann ja immer etwas passieren. Es ist ein kultureller Schatz, den wir hier als Museen bewahren. Das ist Nachhaltigkeit für die nächsten Generationen, da geht es um unsere kulturelle Identität, unser kulturelles Erbe. Wir haben insofern ähnliche Intentionen wie die Klimaaktivisten. Aber ich glaube, das Ziel kann man nur auf einem demokratischen Weg erreichen.

STANDARD: Einer der Aktivisten spricht explizit die OMV an, die die Ausstellung sponsert. Der Mineralölkonzern wolle sich dadurch seine Weste reinwaschen. In den vergangenen Jahren hat es, vor allem in Amerika, viele und aufsehenerregende Proteste gegen Sponsoren gegeben. Wie gehen Sie als Direktor damit um, wenn jetzt Kritik an einem Sponsor Ihres Hauses laut wird?

Wipplinger: Wir überlegen uns sehr wohl, von wem wir Geld nehmen. Die OMV ist seit zwölf Jahren einer unserer wichtigen Sponsoren. Wir sind auch abhängig von privatwirtschaftlichen Unternehmen, weil sie uns Dinge ermöglichen, die wir uns sonst nicht leisten könnten. Die OMV hat uns heute etwa den Leopolditag gesponsert, sodass wir Gratiseintritt anbieten können – und dazu zwölf Kunstvermittler. Kinderbetreuung, die Vermittlung an Schulklassen, Zeichenklassen – das könnten wir ohne Sponsoren nicht machen. Wir zahlen eine Million im Jahr nur für Saalaufsichten. Da bin ich dankbar, dass uns Unternehmen unter die Arme greifen. Ich stehe zur OMV, diese Partnerschaft ist sehr produktiv. Ich denke aber, es ist in allen Unternehmen sehr viel im Gang, was den Weg hin zu alternativen Energien betrifft. (Michael Wurmitzer, 15.11.2022)