Moskau und Peking pflegen eine "allumfassende Partnerschaft", sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow in Bali.

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Beim G20-Gipfel auf Bali musste sich Russlands Außenminister Sergej Lawrow einiges anhören. "Ich bin überzeugt davon, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, an dem der zerstörerische Krieg Russlands beendet werden muss und kann", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner 15-minütigen Videoansprache. Der Krieg müsse "gerecht und auf der Grundlage der UN-Charta und des Völkerrechts beendet werden", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters aus seiner Rede. Selenskyj forderte die Wiederherstellung der "Strahlungssicherheit" für das Kernkraftwerk Saporischschja, die Einführung von Preisbeschränkungen für russische Energieressourcen und die Ausweitung der Getreideexportinitiative. Und er forderte auch die Freilassung aller ukrainischen Gefangenen.

Die meisten dieser Forderungen sind unannehmbar für den russischen Außenminister. Doch Sergej Lawrow blieb gelassen. Sein Chef, Russlands Präsident Wladimir Putin, war zu Hause geblieben. Business as usual scheint die Devise der russischen Seite zu sein: Russland als Teil der G20-Gemeinschaft, mit eigenen Positionen und einer eigenen Weltsicht, die man offensiv vertritt. "Die Stimmung ist gut", sagte der bekannte russische Journalist Iwan Prosorow. Er berichtet für das russische Staatsfernsehen über die Reise Lawrows zu dem Gipfel in Asien. Eine Isolation Russlands sei nicht zu spüren, die meisten G20-Mitglieder hätten keine antirussische Position.

Lawrows angeblicher Krankenhausaufenthalt nach seiner Ankunft auf Bali erwies sich als falscher Alarm. Seine Sprecherin Maria Sacharowa veröffentlichte am Montag ein Video, das den Minister in kurzer Hose beim Lesen auf einer Terrasse mit Palmen und Meer im Hintergrund zeigt.

Heikler Erklärungsentwurf

Trotz aller guten Laune: Der Inhalt des Entwurfs der Abschlusserklärung ist für die russische Seite nur schwer verdaulich. Moskau lehnte es bisher ab, die Invasion in die Ukraine als "Krieg" zu bezeichnen, und spricht von einem "militärischen Spezialeinsatz".

Im Entwurf heißt es: "Die meisten Mitglieder verurteilen den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste und betonen, dass er immenses menschliches Leid verursacht und bestehende Schwachstellen in der Weltwirtschaft verschärft, indem er das Wachstum beschränkt, die Inflation erhöht, die Versorgungsketten unterbricht, Energie- und Ernährungsunsicherheit verstärkt und die Risiken für die Finanzstabilität erhöht. Es gab andere Auffassungen und unterschiedliche Bewertungen der Situation und der Sanktionen." Russland wird diese Formulierung mittragen, hieß es.

Das Dokument enthält außerdem die Forderung, das Abkommen zum Export von Getreide aus der Ukraine zu verlängern, das am Samstag ausläuft. Ein sehr wichtiger Punkt im Entwurf der Abschlusserklärung ist der Passus, der nicht nur den Einsatz, sondern auch die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen als "unzulässig" bezeichnet.

Debatte um Getreideabkommen

Am Rande des Gipfels traf Lawrow UN-Generalsekretär António Guterres. Lawrows Sprecherin postete ein Foto der beiden. Laut Medienberichten hat sich Russland noch nicht für die Verlängerung des Getreideabkommens entschieden. Präsident Putin kritisierte in der Vergangenheit das Abkommen als "unfair". Auf dem G20-Gipfel forderte Russland die Beseitigung diskriminierender Hindernisse auf den Weltenergiemärkten und schlug vor, einen ehrlichen Dialog zwischen Energieversorgern und -verbrauchern einzuleiten, so Lawrow laut der Nachrichtenagentur Interfax.

Der russische Außenminister kam auch mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi zusammen. "Russland und China pflegen eine allumfassende Partnerschaft und eine strategische Zusammenarbeit", sagte Lawrow der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Doch China scheint vorsichtig auf Distanz zu Russland zu gehen.

Staats- und Parteichef Xi Jinping rief zur Einigkeit auf. Konfrontation solle durch Kooperation ersetzt werden. Alle Länder sollten Antwort auf die Frage geben: "Was stimmt nicht in der Welt, was sollen wir dagegen tun?" Die Corona-Pandemie dauere an. Die Weltwirtschaft werde anfälliger. Das geopolitische Umfeld bleibe angespannt. Die Krisen von Ernährung und Energie verstärkten sich gegenseitig: "All das stellt erhebliche Herausforderungen für unsere Entwicklung dar."

Lawrow länger in Bali als geplant

Russlands Außenminister blieb länger als geplant auf Bali, sprach kurz mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz, nahm, im Unterschied zu US-Präsident Joe Biden, am Abendempfang teil. Und machte eine gute Figur im landestypischen blauen Bali-Batikhemd. Erst danach flog er ab, während der G20-Gipfel erst am Mittwoch zu Ende geht. (Jo Angerer aus Moskau, 15.11.2022)