Die Klimaaktivisten der Letzten Generation sind gegen neue Ölbohrungen. Deswegen schütten sie Öl auf Ölgemälde? Auf einen Klimt im Leopold-Museum?

Als die Schütt- und Festklebaktionen in Museen in London (van Gogh, "Sonnenblumen"), Potsdam (Monet, "Heuschober") und Oslo (Munch, "Der Schrei") begannen, blieb einem jedes Mal das Herz stehen, bis dann gemeldet wurde, die Kunstwerke seien eh hinter Glas gewesen. Zumindest ging es jenen so, die solche Gemälde für einen Teil unseres geistigen Bestands halten, den man nicht mutwillig gefährden sollte. Aber die Schüttenden von London waren ja bereit, van Goghs "Sonnenblumen" für ein höheres Ziel zu opfern. In der "Zeit" sagten Phoebe Plummer (21) und Anna Holland (20), sie hatten das Bild ausgewählt, weil es "so ikonisch" sei und: "Auch wenn das Gemälde nicht durch Glas geschützt gewesen wäre, hätten wir unsere Aktion für angemessen gehalten. Wo ist der Schock, wenn echte Sonnenblumen zerstört werden?"

Klimaaktivisten der Letzten Generation schütteten Öl auf ein Klimt-Bild im Leopold-Museum in Wien.
Foto: AP Photo/Letzte Generation Oesterreich

Das ist ein Versuch, Kontext herzustellen: Sonnenblume gegen Sonnenblume. Passt doch auch für Klimts "Tod und Leben" im Wiener Leopold-Museum: Umweltzerstörung = Tod, kapiert?

Es ist aber auch ein Zeichen für Radikalisierung. Die radikale Sprache geht meistens radikalen Handlungen voraus, das lehrt die Geschichte. Allerdings sind die Untergangsszenarien, die die radikalen Klimaschützer beschwören, mit einem sehr hohen Realitätsfaktor versehen – im Unterschied zu den halluzinierten Gefahren, die Verschwörungstheoretiker aller Art und aller historischen Herkunft motivierten. Deshalb ist es nicht ganz leicht, die radikalen Klimaschützer und ihre Selbstgerechtigkeit von der Thematik der drohenden Klimakatastrophe zu trennen. Irgendwo haben sie ja recht ("Leben ist wichtiger als Kunst"), zugleich aber nicht: Dieser Slogan ist zu simpel. Kein angepatztes Gemälde wird irgendeinen SUV-Besitzer dazu bringen, aufs Fahrrad umzusteigen.

Nachvollziehbare Wut

Übrigens: Von der Berichterstattung relativ unbeachtet, hat die Berliner Feuerwehr nun einen Endbericht über den Vorfall mit der getöteten Radfahrerin veröffentlicht. Zur Erklärung: Eine Radfahrerin war unter einen Betonmischer-Lkw geraten. Die Kritik richtete sich an die Klimaschützer, die einen sogenannten Rüstwagen der Feuerwehr, der den Lkw hätte heben können, durch den von ihnen erzeugten Stau aufgehalten hatten. Die vor Ort anwesende Notärztin erklärte zur Genugtuung der Klimaschützer, der Rüstwagen wäre ohnehin nicht gebraucht worden. Was aber jetzt im Endbericht der Feuerwehr herauskam: Um die Frau zu befreien, musste der Betonmischer-Lkw noch einmal über sie drüberfahren (!). Mit dem rechtzeitig eingetroffenen Rüstwagen wäre sie laut Bericht schonender hervorgeholt worden.

Die Wut der Letzten Generation und anderer endzeitlich gestimmter Gruppen über hinhaltende, halbherzige Pseudoklimamaßnahmen der Politik ist nachvollziehbar. Bei der Klimakonferenz wird gerade eher über Entschädigungszahlungen an die Länder des Globalen Südens diskutiert als über den Stopp des Klimawandels an sich.

Es muss aber bessere Methoden geben, die Politik zum Handeln zu zwingen, als PR-getriebene Maßnahmen gegen Kunstgegenstände, die ausgesucht wurden, weil sie "ikonisch" sind. (Hans Rauscher, 15.11.2022)