Schwarze Luftballons steigen vor der Grazer Oper auf – mit der Botschaft "Universitäten geht die Luft aus". Dutzende Transparente und Plakate, die Studierende, Professorinnen und Professoren in Händen halten, erklären, warum das so ist und welche Folgen die zu geringen Budgetmittel für die Universitäten mit sich bringen: "Lichter aus, Geld runter – unsere Bildung geht unter" oder "Müssen wir frieren, weil sie schlecht regieren." Es war in Graz an diesem nebelkalten Dienstag die zweite große Demo der Unis für mehr Budgetmittel. Alle fünf steirischen Universitäten, die Grazer Uni, die TU Graz, die Kunstuniversität, die Med-Uni und die Montan-Uni Leoben, riefen zur Protestkundgebung rund um das Grazer Opernhaus auf – 3000 Personen folgten dem Aufruf.

Der Rektor der Uni Graz, Peter Riedler, rief am Dienstag zur Demo auf. Er ist in seinem Amt der Nachfolger von Minister Martin Polaschek.
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Dabei hatte Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP), vor seiner Bestellung in die Bundesregierung selbst Rektor der Uni Graz, schon in der Früh versucht zu kalmieren. Im Ö1-Morgenjournal kündigte er zusätzliche Gelder für die Hochschulen an. Konkret: weitere 150 Millionen Euro für das Jahr 2023. Zusätzlich zu den 500 Millionen, die den Unis bereits im Herbst für die kommenden zwei Jahre zugesichert wurden, erhalten sie demnach 400 Millionen zusätzlich im Jahr 2023 sowie 250 Millionen im Jahr 2024.

"Kein Ausweg aus Finanznot"

Die Universitätenkonferenz "begrüßte" in einer Reaktion, "dass in die Diskussion um einen dringend benötigten Teuerungsausgleich nun endlich Bewegung kommt". Um das "riesige Budgetloch auszugleichen", seien die in Aussicht gestellten zusätzlichen Mittel für das kommende Jahr aber "definitiv nicht ausreichend", sagte ihre Präsidentin Sabine Seidler: "Die 150 Millionen aus ministeriellen Rücklagen sind zusammen mit den budgetierten 250 Millionen Euro ein Schritt in die richtige Richtung, ein Ausweg aus der Finanznot ist das aber nicht, wie der Minister aus eigener Erfahrung als Rektor wissen müsste", sagte Seidler. Die Rektorin der TU Wien hatte seit Monaten von einem Budgetloch in der Höhe von rund 1,2 Milliarden Euro gesprochen, das durch die aktuelle Teuerung entstanden sei.

"Nicht belegt" sei diese Summe hingegen laut Polaschek. "Laut den öffentlich zugänglichen Rechnungsabschlüssen beliefen sich allein die Personalkosten aller 22 Universitäten 2021 auf 3,1 Milliarden Euro. Daraus lassen sich für jeden nachvollziehbar die zu erwartenden Gehaltssteigerungen und daraus der Mehrbedarf ableiten, der für die Leistungsvereinbarungsperiode 2022 bis 2024 mehr als 500 Millionen Euro beträgt", rechnete Seidler ihrem Minister vor. "Wie sollen wir mit diesem Betrag ‚gut auskommen‘, wenn weder Energiekosten noch Mieten gedeckt sind?"

"Reicht leider nicht"

Für Meinhard Lukas, Rektor der Linzer Johannes-Kepler-Universität, ist der finanzielle Nachschlag aus dem Wissenschaftsministerium ein "Schritt in die richtige Richtung", hieß es zum STANDARD. "Reicht aber leider nicht." Was es für die JKU konkret bedeute, könne man im Moment aber noch nicht sagen. "Wir kennen den Anteil noch nicht, den wir von den 150 Millionen Euro bekommen. Für die Unis insgesamt ist es aber sicher zu wenig, da der Betrag deutlich unter der Forderung liegt", sagte Lukas. Das "Heikelste" an der Sache sei aber die Planungssicherheit für die Unis. "Ein wesentlicher Faktor der Kostensteigerungen sind ja die absehbaren Gehaltssteigerungen." Denn: Was immer heuer als Gehaltssteigerung vereinbart wird, gilt für die Zukunft. Also auch für 2024. "Und damit wird das die KV-Verhandlungen nicht leichter machen. Es wird, völlig unabhängig von der Höhe für 2023, die für KV-Verhandlungen nötige Planungssicherheit nicht bringen", sagte Lukas.

Am Dienstag wurde im Heimatbundesland des Bildungsministers demonstriert. 3000 Menschen kamen zum Protest der steirischen Unis in Graz.Foto: Alexander Danner
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Das Problem in der Debatte sei, heißt es aus Linz, dass auch "einmalige Einsparungen, sofern eine Uni dazu in der Lage ist, auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind". Vielleicht gehe ein wenig bei den Energiepreisen. "Aber bei den Mieten und vor allem bei den Lohnkosten ist das ad infinitum", sagte der Rektor. "Und die neue KV-Verhandlung 2025 bis 2027 baut ja auf dem bisherigen Budget auf. Und das, was den Unis jetzt an Teuerungen nicht ausgeglichen wird, bedeutet ein Schrumpfen für immer." Das mache es so dramatisch. "Man muss wissen, dass eine Uni wie die JKU Personalkosten von jährlich 120 Millionen Euro hat. Jeder Prozentpunkt, der dazukommt, bedeutet dann in jedem Jahr eine Teuerung um 1,2 Millionen Euro", rechnete der Linzer Rektor vor: "Und wenn ich drei Millionen einsparen muss, dann sind das schon fast 50 Leute."

Studierende solidarisch

Unterstützung im Kampf um mehr Budget erhielten die Rektorate von den Studierenden. Jene 150 Millionen Euro, die Polaschek nun zugesagt hat, reichten "bei weitem nicht aus", sagte etwa Noak Koinig, der in Graz Archäologie und alte Geschichte studiert, am Rande der Demo in Graz. "Es trifft natürlich in erster Linie die Technische Uni in Wien, die kann zusperren, wenn die Budgetmittel nicht erhöht werden. Schon allein aus Solidarität ist es wichtig, hier zu sein", sagt der Grazer Student. Zwei Medizinstudentinnen am Rande der Protestversammlung erklärten zwar, dass es auf der Grazer Medizinischen Universität noch nicht bedrohlich sei, "aber es wird immer schlimmer".

ÖH-Chefin Sara Velić demonstrierte in Graz und schrieb einen Brief an die Parlamentarier in Wien.
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Und während in der Steiermark demonstriert wurde, wurden in Wien Briefe geschrieben: Die Hochschülerschaft wandte sich zum Auftakt der Budgetberatungen im Parlament per Brief an die Abgeordneten. Sie fordere zusätzliches Geld für die Unis. Die aktuelle Teuerung führe "zu einer massiven Kostensteigerung" für die Universitäten, und dies bedeute "drastische Einsparungsmaßnahmen". Diese würden dem gesamten Wissenschaftsstandort Österreich "nachhaltigen Schaden für Jahrzehnte zufügen". Einsparungen wurden von den Unis schon angekündigt, sie reichen etwa von der einmonatigen Schließung an der TU Wien bis zu einem Aufnahmestopp an der Uni Wien. "In letzter Folge führt dieser Weg in den finanziellen Abgrund und somit ins Aus für ganze Universitäten", hieß es von der ÖH.

Uni-Debatte im Parlament

Im Parlament erreichten die Studierenden zumindest Teile der Opposition: SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl stellte sich in ihrer Rede zum Wissenschaftsbudget auf die Seite der Unis. Um deren Bedarf von rund 1,2 Milliarden Euro zu decken, brachte die SPÖ einen entsprechenden Antrag ein. Die Mehrkosten der Universitäten sowie der Fachhochschulen sollen ersetzt werden, hieß es darin. "Dieses Hochschulbudget garantiert geradezu das Eintreten sämtlicher Horrorszenarien für die Universitäten", erklärte Kuntzl.

Und auch die Neos empfanden das "Kasperltheater" rund um das Hochschulbudget als "unerträglich und eines Wissenschaftsministers unwürdig", sagte Wissenschaftssprecherin Martina Künsberg Sarre. Mit ihrem "Hü-hott-Kurs" sorge die Regierung nur für Unsicherheit und Stillstand. (Oona Kroisleitner, Walter Müller, Markus Rohrhofer, 15.11.2022)