Acht kompakte Wohnungen kommen in diesem Wohnhaus in Dornbirn fast ohne Heizung aus.

Foto: Baumschlager Eberle Architekten

Manche Ideen kommen einfach zur richtigen Zeit. Rund 15 Jahre ist es her, dass Baumschlager Eberle Architekten den Geistesblitz hatten, ein Gebäude zu konzipieren, das von allein eine konstante Innentemperatur über das ganze Jahr erzeugt – ohne haustechnische Materialschlachten. "Uns war klar, dass die Leute diese Übertechnologisierung nicht wollen", erinnerte sich Jürgen Stoppel, Partner bei Baumschlager Eberle, beim Bau-einfach-Symposium der IBA Wien im Wiener Architekturzentrum (AzW) im Oktober.

Keine Heizung, keine Lüftung, keine Klimaanlage, keine Wärmedämmung. Einfach 50 Zentimeter solides Mauerwerk – und eine Raumtemperatur von 22 bis 26 Grad. Der erste Prototyp wurde auch gleich danach benannt: das Bürohaus 2226 in Lustenau, das 2013 eröffnet wurde.

Die Resonanz war enorm, die Idee war genau zur richtigen Zeit gekommen. Seit zehn Jahren steht der cremeweiße Kubus nun im Rheintal und hat fast genau so viele Hitzesommer überstanden. "Wir können mit Fug und Recht sagen, dass das System einwandfrei funktioniert", bilanziert Stoppel.

Fenster auf

Die Grundzutaten der Rezeptur: eine kompakte Form und massive Wände und Geschossdecken, die nicht verkleidet sind und so als Speicher agieren können. Bei den Fenstern gilt es, den Spagat zwischen maximalem Tageslicht und minimaler Fläche zu schaffen, damit es hell genug, aber nicht zu heiß wird. Nicht zuletzt die Menschen im Raum selbst, die dank ihrer Abwärme selbst als Heizkörper fungieren.

Was im Bürobau gut funktionierte, wurde jetzt auch im Wohnbau angewendet. In Dornbirn steht seit zwei Jahren ein Haus namens 2226 Graf, die erste Umsetzung des Systems im Wohnbau in Österreich. Das System erkennt man sofort wieder: einfach, kubisch, weiß, tiefe Fensteröffnungen. Darin: acht kompakte Dreizimmerwohnungen. Wie schon beim Bürohaus wird hier mittels Lüftungsflügeln die Frischluftzufuhr elektronisch gesteuert, was für einen angenehmen CO2-Gehalt der Luft unter 1000 ppm sorgt. Ein zweiter Fensterflügel darf von den Bewohnern nach momentanem Bedarf geöffnet und geschlossen werden – ganz einfach.

Infrarotpaneele als Backup

Ganz ohne Heizung kommt es zwar nicht aus, als vorsichtiges Backup wurden Infrarotpaneele eingebaut, die über eine Photovoltaikanlage gespeist werden. Trotzdem hat sich, wie sich aus der Analyse der tatsächlichen Temperaturen ergibt, das System bewährt, und auch an kalten Wintertagen herrschen innen ganz von allein angenehme 23 Grad und ein Verbrauch von 42,7 Kilowattstunden pro Jahr. Das macht sich auch bei den Stromkosten bemerkbar.

Das nächste Projekt wird diese Erkenntnisse in größerem Maßstab umsetzen: Im Zentrum von Lustenau wird ein kleines Quartier mit knapp 100 Wohneinheiten sowie Gewerbeflächen entstehen, Partner sind die Marktgemeinde Lustenau und die Wohnbauselbsthilfe Vorarlberg.

2226 bietet, so Jürgen Stoppel, nicht nur dank des geringen Energieverbrauchs, sondern auch durch die massive Konstruktionsmethode ökologische Vorteile. "Das Gebäude ist im Prinzip ein Materiallager. Durch den einfachen Aufbau lässt es sich nach 200 oder 300 Jahren sortenrein und rückstandsfrei auseinandernehmen." In Zeiten, da die Baukosten ins Astronomische sausen, eine beruhigende Langzeitperspektive. (Maik Novotny, 19.11.2022)