Sie sind weiß, wiegen 260 Gramm und bestehen aus Bohnen. Genauer: aus dem Öl der Rizinusbohne. Die Rede ist von Laufschuhen der Schweizer Marke On. Sie heißen "Cloudneo" und können nicht gekauft werden, nur abonniert. Dadurch will man sie im Kreislauf behalten und Abfall vermeiden. Die Schuhe halten rund 600 Kilometer, danach werden sie an die Herstellerfirma zurückgeschickt. Sie werden geschreddert und recycelt. Die Kundschaft erhält ein neues Paar. So weit, so einfach, so ungewöhnlich.

Die Laufschuhe halten rund 600 Kilometer – dann kommen sie in den Schredder.
Foto: Hersteller

Die Schweizer Marke springt damit auf einen Zug auf, der Fahrt aufnimmt. Der Trend in der Modeindustrie geht in den letzten Jahren zunehmend in Richtung Nachhaltigkeit. Viele Marken produzieren Kleidung und Schuhe aus Zuckerrohr, Hanf, Rizinusöl und Co. Diese versprechen eine bessere CO2-Bilanz und die Vermeidung von Abfallbergen. Können diese Versprechen gehalten werden?

Wunderpflanze Rizinus

"Das Nachhaltigkeitsthema hat viele Ebenen. Es ist komplex", sagt Ute Ploier. Sie leitet den Studiengang Fashion & Technology an der Kunstuniversität Linz. "Rizinusbohnen sind ein erneuerbarer Rohstoff, das ist gut. Aber es stellen sich auch die Fragen: Woher kommen die Bohnen? Wie lang sind die Transportwege?" Ein Vorteil der Rizinusbohne: Sie braucht wenig Wasser, wächst auch auf kargen Böden und nimmt Nutzpflanzen kaum Platz weg. Verglichen mit Baumwolle, die sehr viel Land, Wasser und Pestizide benötigt, ist die giftige Pflanze ideal für die Kleidungsproduktion. Bisher wurde Rizinusöl kommerziell nur im Kosmetikbereich verwendet. "Wenn jetzt ein Sektor wie die Mode diesen Rohstoff für sich entdeckt, steigt natürlich der Bedarf. Das kann zu neuen Problemen führen", gibt Ploier zu bedenken. Sie spricht damit den vermehrten Einsatz von Pestiziden oder die Ausbeutung von Landwirten an.

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Die Rizinusbohne ist giftig und daher auch als Nahrungsmittel für den Menschen unbrauchbar.
Foto: Getty Images/ Kazakov

Kunstfasern aus Erdöl

Üblicherweise wird das Plastik in Laufschuhen aus Erdöl gemacht. Allein dieses Jahr wurden rund 420 Millionen Paar Sportschuhe hergestellt, Tendenz steigend. Viele werden verwendet, bis die Sohlen dünn werden, und landen dann samt Giftstoffen im Müll. Recycelt werden können sie nur schwer, denn Sportschuhe bestehen aus bis zu 40 verschiedenen Teilen. Polyester, Metall, Nylon und Schaumstoff werden miteinander vernäht und verklebt. Das Trennen der Einzelteile ist aufwendig, eine Wiederverwertung schwierig bis unmöglich. Bei Produkten aus Rizinusöl ist das anders. Das Rohmaterial wächst auf dem Acker und ist recycelbar. Allein das Material mache aber noch kein nachhaltiges Produkt, sagt Ute Ploier: "Das Nachhaltigkeitsthema hat viele Facetten. Man kann nicht beim Material stoppen. Es betrifft auch die Herstellung und die Frage: Was passiert mit dem Produkt am Ende seines Lebens?"

Laufschuh-Abo

On hat dafür ein zirkuläres Abomodell entwickelt. Es trägt den Namen "Cyclon" und ist das weltweit erste Abonnementservice für Laufschuhe und -bekleidung. Heißt: Am Ende des Laufschuhlebens landen diese nicht im Müll, sondern sie werden zurückgeschickt und als Ganzes recycelt. Beim "Cloudneo" ist das nach rund 600 gelaufenen Kilometern der Fall. Joggt man also 25 Kilometer in der Woche, ist der Schuh nach einem halben Jahr reif für den Schredder. So nachhaltig das Abomodell sein mag, es kostet. 30 Euro im Monat zahlt man für das Laufschuh-Abo in Österreich, aufs Jahr gerechnet läuft man um 360 Euro in den Rizinusöl-Schuhen. Bisher wurden weltweit rund 10.000 Abos verkauft.

Ploier von der Kunstuniversität Linz sieht im Abomodell grundsätzlich eine gute Alternative zur linearen Wegwerfwirtschaft. "Es ist aber auch wichtig, dass die Produkte Qualität haben und langlebig sind. Wenn ein Schuh nur ein paar Monate hält und dann wieder recycelt werden muss, dann geht da auch wieder sehr viel Energie drauf", erklärt sie. Was dazukommt: Die Schuhe werden zwar in Europa recycelt, produziert werden sie aber in Vietnam, womit die Transportwege lang bleiben.

Neue Trends in der Textilproduktion

Die Marke On ist nicht die einzige, die auf nachwachsende Materialien in der Produktion setzt. Der Sportartikelhersteller Rebook produziert Teile seines Schuhmodells "Forever Floatride Grow" aus Bohnen, und auch das Schuhlabel Allbirds greift in seiner neuesten Kollektion zu Rizinusöl. Das Wiener Label Margaret and Hermione bietet Swim- und Sportswear aus dem Material an. Die Liste der Unternehmen, die zumindest teilweise mit nachwachsenden Rohstoffen produziert, wird immer länger. Dabei kommt nicht nur Rizinusöl zum Einsatz, auch Zuckerrohr, Naturkautschuk oder traditionelle Materialien wie Hanf ersetzen erdölbasiertes Plastik immer häufiger.

Ein Trend, den Ploier positiv sieht: "Die Weltbevölkerung wächst, und alle müssen bekleidet werden. Wenn wir zu sehr auf fossile Brennstoffe, die endlich sind, setzen, ist das nicht mehr tragbar. Aber auch Fasern wie Baumwolle, die sehr viel Land und Wasser brauchen, sind problematisch."

Konsum reduzieren

Ploier sieht im neuen Modell der Marke On einen positiven Versuch, mehrere Aspekte der Nachhaltigkeitsproblematik gleichzeitig zu lösen. Dennoch: "Wenn wir Massen an nachhaltig produzierten Textilien kaufen, beißt sich die Katze in den Schwanz, weil dabei trotzdem unglaublich viele Ressourcen draufgehen", sagt sie. Auf lange Sicht komme man daher nicht darum herum, den Konsum zu reduzieren. (Judith Steinkellner, 21.11.2022)