Wien – Im Ringen um die Reform des 1974 eingeführten Mutter-Kind-Passes hat die türkis-grüne Bundesregierung am Mittwoch den nächsten Schritt gesetzt. Demnach wird der Pass umbenannt, digitalisiert sowie das Leistungsspektrum um weitere Untersuchungen und Beratungen erweitert. Er wird künftig unter Eltern-Kind-Pass firmieren, gaben Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) nach dem Ministerrat bekannt. Die Umsetzung passiere schrittweise in den nächsten Jahren.

Ein Streitpunkt der Reform konnte aber noch nicht gelöst werden. Weiterhin gibt es keine Einigung zur Erhöhung der Honorare für Ärztinnen und Ärzte. Die Kammer verweist darauf, dass diese seit 28 Jahren nicht valorisiert wurden. Aktuell erhalten Medizinerinnen und Mediziner 18,02 Euro für eine Untersuchung im Rahmen des Mutter-Kind-Passes als Kassenleistung. Gefordert wird eine Erhöhung um 80 Prozent. Die Verhandlungen laufen nun zwischen Sozialversicherung und Ärztekammer.

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) kündigte nach dem Ministerrat die Reform des Mutter-Kind-Passes an.
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Ärztekammer sieht nur "vage Absichtserklärungen"

Edgar Wutscher, Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte sowie Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, hält der Ankündigung der Regierung entgegen, dass es weiterhin nur vage Absichtserklärungen gebe. "Wenn die Tariffrage nicht fair und leistungsgerecht gelöst wird, dann werden die beschlossenen Kündigungen schlagend werden." Wie berichtet droht die Ärztekammer damit, ohne Einigung bei den Honoraren den Mutter-Kind-Pass mit Jahresende zu kündigen. Damit wären diese Untersuchungen keine Kassenleistung mehr und müssten privat bezahlt werden.

Donnerstagfrüh sagte Andreas Huss, der als ÖGK-Obmann als Vertreter der Sozialversicherung am Verhandlungstisch sitzt, im Ö1-"Morgenjournal", dass die Ärztekammer hier "natürlich versucht, das Maximum an Honoraren herauszuholen". Die Sozialversicherung vertrete wiederum die Seite der Versicherten. Es stehe aber außer Streit, "dass hier etwas zu tun ist", deutete Huss Verhandlungsbereitschaft an.

Rauch: "Man wird sich einigen"

Der Gesundheitsminister rechnet nicht damit, dass die Situation eskaliert. "Man wird sich einigen", sagte Rauch. Details nannte er nicht – und verwies auf die Verhandlungen zwischen Kammer und Sozialversicherung.

Lieber sprachen die Regierungsvertreter über die Leistungserweiterungen: So soll es im Rahmen des Passes künftig auch eine psychosoziale Beratung, ein zweites Hebammengespräch sowie zusätzliche Ultraschall-Untersuchungen und ein Hörscreening für Neugeborene geben. Angebote gibt es auch im Bereich Eltern-, Ernährungs- und Gesundheitsberatung. Die Leistungspalette soll schrittweise ausgeweitet und bis Mitte 2026 zur Gänze verfügbar sein. Die im Pass vorgesehenen Untersuchungen sind Kassenleistung und zum Teil verpflichtend, um das Kinderbetreuungsgeld vollständig zu erhalten.

Der neue Eltern-Kind-Pass wird zudem digitalisiert. Die Ausschreibungen dafür starten Mitte 2023, kündigte Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky (ÖVP) an. Befunde können dann zwischen Ärztinnen und Ärzten sowie Hebammen in elektronischer Form weitergegeben werden. Sollte der Pass verloren gehen, müssen mit der Digitalisierung Ergebnisse von Untersuchungen nicht mehr neu angefordert werden. Bis 2026 stehen zehn Millionen aus Mitteln der EU zur Verfügung.

Derzeit liegt das Jahresbudget für den Mutter-Kind-Pass bei rund 62 Millionen Euro. Die Mehrkosten hängen von den Verhandlungen mit der Ärztekammer über die Honorare sowie von der Inanspruchnahme der zusätzlichen Beratungen ab. (David Krutzler, Max Stepan, 16.11.2022)