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Väter, die nach der Geburt ihres Kindes zu Hause bleiben, sind eine Seltenheit.

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"Es gibt Tage, die fühlen sich endlos lange an. Ich schaue dann aus dem Fenster, es ist kalt und regnerisch, und ich stelle frustriert fest, dass mit dem Kinderwagen im Regen spazieren keine gute Idee ist. Unsere Wohnung kommt mir dann plötzlich viel kleiner vor, als sie es ist, und ich merke, wie ein beklemmendes Gefühl in mir hochsteigt. In meinem Freundeskreis in Wien bin ich der Erste, der Vater geworden ist. Ich denke dann an meine Kumpels, die alle gerade in ihren Büros sitzen, Kaffee trinken, zwischendurch mit Kollegen tratschen. Mit richtigen Erwachsenen! Gespräche führen ist mit meiner fünfmonatigen Tochter derzeit noch schwierig. Stattdessen rufe ich Verwandte in Kärnten an oder meinen Bruder in der Schweiz. Das hilft. Und die Oma freut sich, wenn das Kind sabbernd ins Handy gluckst.

Aktuell ist meine Tochter in einer sehr quengeligen Phase. Ständig braucht sie etwas. Wahrscheinlich die Zähne. Oder sie will getragen und bespaßt werden. Ihr ist es dann ziemlich egal, wenn ich müde bin, weil sie in der Nacht mehrmals wach war. Doch ich will mich nicht beschweren: Schlafen ist aktuell gar nicht so übel. Es gab Phasen, da wachte sie nachts alle 45 Minuten auf. Ständig aus dem Schlaf gerissen zu werden, glauben Sie mir: Das fühlt sich an wie Folter. Das ist mit Sicherheit auch Folter. Immerhin war meine Frau da noch zu Hause. Zu zweit geht alles leichter. Doch seit zwei Monaten ist meine Frau wieder zurück in ihrem Job, und ich kümmere mich alleine um unsere Tochter. Geplant war das nicht. Zumindest nicht in der Form.

Jubelrufe für den Karenzvater

Für mich war schon während der Schwangerschaft klar, dass ich in Karenz gehen werde und später in Elternteilzeit. Das hat viele Menschen in unserem Umfeld verwundert. Die einen haben mich kritisch hinterfragt, von den anderen wurde ich gefeiert. Wenn Frauen sich für ihr Kind eine Auszeit vom Job nehmen, gibt es keine Jubelrufe. Bei Männern ist das anders. Ich kümmere mich um meine Tochter und bin deswegen "besonders". Zugegeben: Statistisch gesehen bin ich als Karenzvater tatsächlich eine Seltenheit, denn in Österreich gehen nur etwa zehn Prozent aller Väter in Karenz. Sechs Monate Karenz oder mehr nimmt überhaupt nur ein Prozent der Väter. Ich bin nicht der Mann, der für sein Kind die Karriere an den Nagel hängt – oder irgendwas aufgibt. Meine Frau und ich sind lediglich gleichberechtigt. Wir verdienen gleich viel, kümmern uns zu gleichen Teilen um den Haushalt, warum also nicht auch die Kinderbetreuung eins zu eins aufteilen? Der Jubel ist nicht nötig. Gleichzeitig gab es negative Kommentare für meine Frau, weil sie wieder so früh arbeiten geht.

Postpartale Depression

Dann kommen wir immer wieder in die Situation, in der wir uns rechtfertigen. Dann erzählen wir von den Schwierigkeiten, die meine Frau im Wochenbett hatte, von ihrer postpartalen Depression und argumentieren, warum es für uns alle besser war, dass sie bald wieder in ihren Job zurückkehrt. Das sorgt häufig für ungläubige Blicke. Postpartale Depression? Kennt keiner. Darüber wird auch zu wenig gesprochen. Man kann sich als Außenstehender nicht vorstellen, wie es ist, wenn man ein Baby bekommt, die Hormone verrückt spielen und frischgebackene Mamas im nächsten Moment völlig lahmlegen. Dabei weiß man, dass ungefähr jede sechste Frau nach der Geburt von postpartaler Depression betroffen ist. Das war eine schwere Zeit für uns. Plötzlich sagte meine Frau: "Ich kann nicht mehr, wie soll ich das schaffen?" Sie konnte nicht mehr klar denken, war mit allem überfordert, entwickelte irrationale Zukunftsängste und hatte starke Stimmungsschwankungen: Zuerst kuschelte sie unsere Tochter glücklich an sich, kurz darauf lag sie weinend im Bett und hinterfragte sich selbst als Mutter. Von Glückshormonen getrieben, konnte ich das als Vater gar nicht verstehen. Wir hatten zwar immer wieder davon gehört, dass es ein paar Tage oder auch Wochen nach der Geburt einen sogenannten Babyblues gibt, dass Mütter dann viel weinen, aber an eine echte psychische Erkrankung dachten wir nicht. Die Stillberaterin hatte eine Vermutung und ein anschließender Termin bei einem Arzt ergab die Diagnose: postpartale Depression. Meine Frau muss Medikamente schlucken.

Plötzlich allein daheim

Im Anschluss an den Papamonat wollte ich wieder in meinen Job zurückkehren, doch nun musste ich mich um meine Frau und das Baby kümmern. Nachdem ich meinen gesamten Pflegeurlaub verbraucht hatte, brauchten wir eine Lösung. Wir tauschten die Karenz: zuerst ich sechs Monate, dann meine Frau. Und im nächsten Moment war ich ein echter Stay-at-Home-Dad. Aus bürokratischer Sicht war das Ganze etwas gefinkelt, alles in allem hatten wir aber irrsinniges Glück. Ich bin Molekularbiologe und arbeite in der Krebsforschung. Ich erinnere mich noch gut daran als ich in einem Meeting meinem Chef und einigen Kollegen die frohe Botschaft mitteilte: Wir bekommen ein Baby. Und an die Reaktionen als ich verkündete für mindestens sechs Monate in Karenz zu gehen. Die Reaktionen waren durchwegs positiv, ich bekam viel Zuspruch. Wenn ein Mitarbeiter jedoch von heute auf morgen ausfällt, das Team nicht damit rechnet, ist das was anderes. Doch wieder hatte ich Glück: Nur Verständnis und Hilfsangebote für mich und meine Familie. Solche Arbeitgeber haben nicht viele. Da bin ich mir sicher.

Finanzielle Einbußen

Wenn Väter nicht in Karenz gehen, verstehe ich das. Verdient er mehr als sie, bleibt sie daheim, weil es sonst finanzielle Einbußen gibt. Dazu gibt es auch Studien: Je höher das Gehalt der Frau vor der Geburt ist, desto eher geht auch der Mann in Karenz. Je höher das Gehalt des Mannes ist, desto kürzer geht er in Karenz. Der Papamonat, den Väter ja ohne das Einverständnis des Arbeitgebers in den ersten acht Wochen nach der Geburt nehmen dürfen, hat genau das gleiche Problem: Welche Familie kann es sich leisten, auf ein reguläres Gehalt des Mannes für einen Monat zu verzichten? Väter können während des Papamonats den Familienzeitbonus in der Höhe von täglich 23,91 Euro, also etwa 741,21 Euro für einen Monat beziehen. Für die meisten ist das zum Leben zu wenig.

Elternteilzeit muss belohnt werden

Im Schnitt verbringen Väter täglich nur 37 Minuten mit ihren Kindern. Gruselig. Da würde ich mir ein Modell wie in Island wünschen, wo 90 Prozent aller Väter in Karenz gehen, weil es verpflichtend ist, dass die Eltern die Karenzzeiten teilen. Österreich wirkt sehr rückschrittlich, was Familienpolitik angeht. Deswegen habe ich mich ganz bewusst dafür entschieden, auch nach der Karenz viel für mein Kind da zu sein, in Elternteilzeit zu gehen. Die Ungleichheit hört ja mit dem ersten Lebensjahr des Kindes nicht auf. Und mir ist klar: Auch dafür müsste man Anreize schaffen. Die Arbeiterkammer fordert etwa einen Bonus von 250 Euro pro Monat für Eltern, die nach der Karenz die Kindererziehung gerecht aufteilen und dafür beide Teilzeit arbeiten.

Es ist so schade, denn jede Phase mit dem eigenen Kind ist so besonders, so schön. Das hat man als Vater vielleicht nur einmal im Leben. Und am Ende möchte ich nicht zurückschauen und mir denken: "Mist, ich habe ja alles verpasst." So wie neulich: Da hatte ich keinen guten Tag. Ich war müde, und meine Tochter heulte schon frühmorgens los. Sie wollte sich eine gefühlte Ewigkeit nicht beruhigen, nichts half. Dann merkte ich, dass ihre Windel gerade überging, das ganze Gewand war vollgekackt. Nach dem notdürftigen Baden heulte sie weiter, doch plötzlich, als sie dann trocken auf dem Wickeltisch lag, lächelte sie mich strahlend an und quiekte vergnügt. Mein Herz machte einen Freudensprung. Da spürte ich wieder, dass es richtig ist, was ich da mache: da sein." (Protokoll: Nadja Kupsa, 15.1.2023)