Copenhill, eine Skipiste auf einer dänischen Müllverbrennungsanlage, gilt als Paradebeispiel für Kunststoffpisten.
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Roland König übt eine für Österreich durchaus gewöhnliche Funktion an einem für Österreich durchaus ungewöhnlichen Ort aus. Er wurde vor wenigen Monaten zum Präsidenten des Skiverbands jenes Bundeslands gewählt, dessen höchste Erhebung auf gerade einmal 542 Metern liegt: Wiens.

Königs erste Saison als Präsident, die nun vor der Tür steht, ist keine besonders einfache. Denn Wien hat in diesem Winter einen Skihang weniger. Die traditionsreiche Hohe-Wand-Wiese in Mauerbach wird, wie der STANDARD berichtete, nicht mehr als Piste bespielt. Grund für das Ende ist ein Streit zwischen der Skischule Wien, die bisher einen Teil der Fläche mit Kunststoffmatten in eine von Schnee unabhängige Anfängerpiste verwandelte, und dem Pächter der Wiese, dem Mountainbikeverein Hohe-Wand-Wiese. Im Wiener Stadtgebiet bleibt somit nur ein Ski- und Snowboardhang: die Dollwiese in Hietzing. Sie ist jedoch nur nutzbar, wenn es schneit. Und das war in den vergangenen Wintern immer seltener der Fall.

Dazu kommen – aus Sicht des Wiener Skiverbands– nicht gerade erfreuliche Zahlen. Österreichweit betrachtet fuhren laut Daten des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung in den vergangenen Jahren im Schnitt 40 Prozent der Bevölkerung regelmäßig Ski. In Wien war dieser Anteil niedriger, er betrug lediglich ein Drittel. Zu erklären sei der Unterschied mit der Bevölkerungsstruktur, konkret mit der höheren Zahl von Zugewanderten in der Hauptstadt, sagt Institutsleiter Peter Zellmann.

Wendepunkt für den Skisport

Verbandspräsident König formuliert es im Gespräch mit dem STANDARD so: "Der Skisport ist an einem Wendepunkt angelangt." Nach vielen Jahrzehnten des Wachstums, begleitet von sportlichen Erfolgen, nehme die Liebe dazu in weiten Teilen des Landes merklich ab. Verantwortlich dafür seien der Klimawandel und sozioökonomische Faktoren. Sichtbar werde dieser Trend besonders in Ballungsräumen wie Wien, sagt König: "Der Zulauf zu den einzelnen Sportarten ist in den vergangenen 20 Jahren deutlich zurückgegangen. Immer weniger Kinder und Jugendliche finden den Zugang zum Schneesport."

Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen sieht König eine Zukunft für Skifahren und Snowboarden in Wien – allerdings in einer anderen Aufmachung als bisher. Um dem Sport wieder neuen Schwung zu verpassen, will er an zwei Schrauben drehen: am Bewusstsein und an der Infrastruktur.

60 Skiclubs in Wien

Ersteres soll die Kampagne #WienLiebtSki schaffen. Sie wird über eine Website und Social Media verbreitet, der Verband will damit allen voran Kindern und Jugendlichen Lust auf Wintersport machen. Indem er einerseits auf die hiesige Ski- und Snowboardszene aufmerksam macht – immerhin gibt es in der Hauptstadt rund 60 Skiclubs mit 3.600 Mitgliedern – und andererseits Möglichkeiten präsentiert, wo diese Wintersportarten in und um Wien erlernt oder ausgeübt werden können. Dazu wurde unter anderem eine Liste mit Skischulen und deren Entfernung zur Stadtgrenze zusammengestellt.

Die grünen Matten kommen zum Einsatz, wenn kein Schnee liegt. Im Auslauf gehen sie in Rasen über.
Foto: Wiener Stadtadler

Ski fahren zu können habe einen Wert an sich, ist König überzeugt. "Viele Dinge, die man im Winter in alpinen Regionen machen kann, haben mit Bewegung im Schnee zu tun. Wenn man nicht Ski fahren kann, bleibt einem eine ganze Welt verschlossen." Dazu komme der Aspekt der gesellschaftlichen Teilhabe: "Skifahren spielt in weiten Teilen des Landes kulturell und ökonomisch eine Rolle. Da keinen Zugang zu haben, schließt Kinder und Jugendliche aus und schafft eine Trennlinie. Das muss nicht sein."

Mobile Schanze in der Innenstadt

Allein bei der Kampagne soll es nicht bleiben. Königs großes Ziel sei es, direkt in der Stadt Wintersport-Infrastruktur zu haben. Und zwar eine solche, die nachhaltig sei– also ohne natürlichen oder künstlichen Schnee funktioniere.

Erfahrungen mit derartiger Infrastruktur hat der Verein Wiener Stadtadler, der nach eigenen Angaben der einzige Skisprungclub in Wien und Niederösterreich ist und sich großer Beliebtheit erfreut. Bei den Skispringerinnen und -springern sei Training ohne Schnee seit mehr als 20 Jahren üblich, sagt Vereinsvorsitzender Florian Danner. Liege kein Schnee, werde auf bewässerten Matten trainiert.

Eine Sprungschanze gibt es in Wien allerdings nicht. Daher organsiert der Verein an den Wochenenden Trainings in den Bundesländern – allen voran in der Steiermark. Allerdings sei es nur möglich, mit einer begrenzten Zahl an Kindern in Mürzzuschlag zu trainieren. Der große Traum sei daher eine eigene Kinderschanze in Wien, denn die lange Anreise sei durchaus "ein Abtörner", wie es Danner formuliert. "Wir wünschen uns keine zweite Bergiselschanze, aber eine Trainingsmöglichkeit für den Nachwuchs."

Einen Vorgeschmack darauf wollen die Stadtadler im Jänner bieten: Sie planen, in einem Innenstadtbezirk an zwei Wochenenden eine kleine mobile Schanze aufzubauen – zum Schnuppern. Wo genau sie stehen wird, ist noch Gegenstand von Verhandlungen.

Skifahren auf laufendem Band

Dauerhaft Platz finden könnte eine solche Schanze – gemeinsam mit anderer Skiinfrastruktur – in einem Skisportzentrum. Das ist zumindest der große Wunsch der Stadtadler und des Skiverbands. Ein derartiges Zentrum würde einen Zugang zum Skisport direkt im Wiener Stadtgebiet möglich machen, sagt König.

Skimaschinen, mit denen eine Piste imitiert wird, werden etwa im steirischen Teufenbach vermarktet.
Foto: Skiworld Pro

Freestyler könnten in einem solchen Zentrum auf Riesenluftkissen üben. Ski alpin könnte auf sogenannten Skimaschinen ermöglicht werden: Das sind überdimensionale, schräg gestellte Laufbänder, mit denen eine Piste imitiert wird. In Belgien, Groß Britannien und China sind diese durchaus verbreitet. "Man benötigt dafür nur einen Stromanschluss und ein Dach", sagt König.

Zusätzlich brauche es Mattenpisten unter freiem Himmel. Als internationales Vorzeigeprojekt dafür gilt Copenhill: Mitten in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen wurde auf dem Dach einer Müllverbrennungsanlage eine 450 Meter lange Piste aus Matten gebaut. In Wien schweben König als mögliche Standorte unter anderem die Donauinsel oder der Laaer Berg vor.

Skifahren auf Matten sei "eine gute Möglichkeit für Anfänger – etwa in Vorbereitung auf einen Skikurs", sagt König. Seitens Stadt und Skiverband gebe es Überlegungen, eine solche Mattenpiste auf der Hohen-Wand-Wiese weiterzuführen sagt er. Dies wäre auf der FIS-tauglichen Strecke sogar in großem Stil möglich.

Stadt will "gescheite Lösung"

Im Büro von Sportstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ist man von diesen "spannenden Visionen" angetan. "Was den Skisport in Wien angeht, gibt es sicher Luft nach oben", sagt ein Sprecher. Jetzt gehe es darum, aus den Visionen konkrete Konzepte zu machen: "Wir werden den Winter dafür nutzen." Zu diskutieren seien dabei finanzielle und ökologische Fragen, als nächster Schritt stehe die Standortsuche an.

Das vom Verband ins Spiel gebrachte Skisportzentrum wird im Rathaus jedenfalls als Möglichkeit gesehen, es gebe aber auch Argumente für andere Varianten. Ziel sei eine "gescheite Lösung, wir wollen keine Schnellschüsse". Soll heißen: Ein bis zwei Winter Geduld sind wohl noch nötig. (Stefanie Rachbauer, 24.11.2022)