"Goat Simulator 3" lässt sich auch mit Freunden spielen – wenn man welche hat, die wahnsinnig genug dafür sind.

Foto: Coffee Stain Studios

Ein Karren ruckelt durch die Landschaft, auf dem Gepäckträger sitzen wir gemeinsam mit drei anderen Gefangenen, düstere Musik erklingt im Hintergrund: Nein, wir befinden uns nicht in den ersten Minuten von "The Elder Scrolls: Skyrim" – stattdessen ist das die Introsequenz von "Goat Simulator 3", dem zweiten Teil (ja, mit der Benamung nimmt man es hier nicht so genau) des Simulator-Franchise rund um die destruktive Chaos-Ziege Pilgor. Der STANDARD hat sich diesen Wahnsinn ein paar Abende lang auf der Xbox Series X gegeben – und wenn wir hier ein Punktesystem hätten, dann wüssten wir nicht, ob wir entweder null oder elf von zehn möglichen Punkten geben sollen.

Ein Ziegen-Simulator als Aprilscherz

Der erste "Goat Simulator" wurde am 1. April 2014 veröffentlicht, Developer und Publisher Coffee Stain Studios wollte damit klassische Simulatoren ebenso wie Skater-Games durch den Kakao ziehen. Nach der ersten Version für PC folgten diverse weitere Plattformen, unter anderem für Smartphones – wo sich das Spiel vor allem wegen seines einfachen Spielprinzips gut machte.

Coffee Stain

Im Play Store sammelte der "Goat Simulator" 4,6 von fünf möglichen Punkten, in Apples App Store gab es im Schnitt 4,5 von fünf Punkten – und auf der PC-Plattform brachte man es auf glorreiche neun von zehn Punkten. Das von den Usern am häufigsten genannte Argument für die Traum-Wertungen: Man kann eine Ziege sein – und wo ist das sonst schon möglich?

Als solche sprang man im "Goat Simulator" durch eine offene Welt, probierte verschiedene Dinge aus und hinterließ dabei einen Pfad der Zerstörung: Menschen wurden mit den Hörnern in Swimmingpools gestoßen und Autos explodierten, wenn man an ihnen leckte. Wie bitte, Sie wussten nicht, dass Ziegenzungen Explosionen verursachen? Ist so. Määähhhrenwort.

Come-Blök ab zwölf Jahren

Am 17. November erscheint nun der zweite Teil, "Goat Simulator 3", für Playstation 5, Xbox Series X/S und PC. Für 39,99 Euro statt 29,99 Euro erhält man die "Downgrade Edition", die "aufgemotzten Müll aus diversen DLCs von 'Goat Simulator'" beinhaltet.

Die Publisher selbst ordnen das Spiel in der Kategorie der "Sandbox-Abenteuerspiele" ein, die Altersempfehlung liegt bei zwölf Jahren – wegen Kraftausdrücken und Gewaltdarstellungen. Das Spiel lässt sich mit bis zu vier Personen lokal oder online im Multiplayer-Koop spielen, sofern man Freunde hat, die dafür wahnsinnig bzw. betrunken genug sind.

Diese und ähnliche Dinge erläutert auch der Farmer, der den eingangs erwähnten Karren steuert, bevor er nach der – wie er selbst sagt – "viel zu langen Introsequenz" noch bittet, "bitte keine Rückerstattung zu beantragen", und uns in die Open World entlässt.

Offene Weidewelt

Durch selbige steuern wir unsere Ziege anschließend in der Third-Person-Perspektive – und stellen dabei rasch fest, dass die anfängliche "Elder Scrolls"-Parodie nicht die einzige popkulturelle Referenz im Spiel ist. So werden dunkle Flecken auf der Karte freigeschaltet, indem man in der Landschaft verteilte Ziegentürme "synchronisiert" und anschließend Aufnahmen von weiteren Dingen sieht, die man erklimmen oder kaputtmachen kann – das kennt man aus einem bekannten AAA-Franchise.

Die Bucht der Stadt trägt den Namen "Michael Bay", und auch auf einer "Cos Con" können wir Chaos unter Menschen anrichten, die sich als Homer Simpson verkleidet haben. Ein blaues Möbelhaus mit gelber Schrift erinnert an eine schwedische Handelskette – ein gewagtes Experiment angesichts der Tatsache, dass eben dieser Konzern zuletzt einen Indie-Developer wegen eines Horrorspiels klagte, das in einem Möbelhaus spielt.

Ein Pfad der Zerstörung

Natürlich können wir das Möbelhaus im "Goat Simulator 3" komplett verwüsten. Und das Gleiche gilt auch für so gut wie alle anderen Orte und Gegenstände des Spiels, von der Poolparty über das Kino bis zum Friedhof. Tankstellen gehen in Flammen auf, Menschen rennen panisch davon, Autos explodieren – "Goat Simulator 3" lässt sich vollkommen sinnbefreit spielen, indem man als Ziege einen Pfad der Zerstörung hinterlässt.

Natürlich kann Pilgor auch mit Autos fahren. Ziegen können das.
Foto: Coffee Stain Studios

Dafür stehen etliche Mittel zur Verfügung. So können Objekte und Menschen mit Hörnern gestoßen und somit in der Gegend herumkatapultiert werden. Die Zunge des gehörnten Chaoten ist klebrig und eignet sich somit ebenfalls dazu, Dinge und Menschen herumzuschleudern.

Und natürlich kann die Ziege auch in Autos steigen und mit diesen herumfahren, manche von ihnen können durch einen Turbobutton in luftige Höhen abheben. Stößt man gegen Gastanks, so gehen diese in Flammen auf, über die Zerstörung von E-Auto-Tankstellen kann das Umfeld unter Strom gesetzt werden.

Partys und Präsidenten

Das ist aber noch nicht der gesamte Inhalt des Spiels. Außerdem versucht "Goat Simulator 3", dem Spieler durch verschiedene "Ereignisse" Aufgaben zu geben, die es zu lösen gilt. So versuchen wir uns an einer Stelle im "Mission Impossible"-Stil an einem Juwelenraub, indem wir an Laserstrahlen vorbei springen. An anderer Stelle muss Pilgor einem einsamen Menschen bei seiner Geburtstagsparty helfen, indem er mit seiner klebrigen Zunge Passanten von der Straße in dessen Haus zerrt. Und auch zum Präsidenten kann sich die Ziege wählen lassen. Ja, warum eigentlich nicht?

Die meisten dieser Aufgaben sind äußerst amüsant, in vielen Fällen auch komplexer als bei manch einem anderen Spiel, das sich selbst als "Adventure" bezeichnet. Denn was im konkreten Fall zu tun ist, das muss der Spieler schon selbst herausfinden – was wiederum bei manchen Rätseln frustrierend sein kann, wenn diese auf den ersten Blick nicht logisch wirken. Macht aber nichts: Dann trappelt man halt einfach weiter zur nächsten Aufgabe und setzt auf dem Weg ein paar Autos in Flammen.

Sogar der Shop ist eine Parodie

Neben dem Erledigen dieser Aufgaben können außerdem kleinere Herausforderungen – Grinden wie Tony Hawk auf Stromleitungen, Polizisten mit einem Partyoutfit verkleiden – erledigt werden. Für beide Tätigkeiten gibt es Punkte, mit denen wiederum in den Ziegentürmen (die sich beim Betreten im mystische Schlösser verwandeln) neue Features freigeschalten werden, außerdem bekommt man Ingame-Währung für den Ingame-Shop.

Wie bitte? Ingame-Währung? Ingame-Shop?

Bevor die Leserschaft gleich hyperventiliert: Keine Sorge – der STANDARD hat beim Publisher nachgefragt und eine klare Antwort erhalten. Es gibt zwar einen Shop, in dem die erspielte Währung ausgegeben werden kann, eine Option zum Ausgeben von Echtgeld-Währung ist aber nicht geplant. Oder, um es anders zu sagen: Selbst der Ingame-Shop ist eine Verballhornung einer weltweit grassierenden Seuche, die sich "Pay to Win" nennt.

Und was bekommt man für sein erspieltes Geld im Shop? Na, eh klar: Zusätzliche Items, um noch mehr Schaden anzurichten! Von der laserschießenden Cyberbrille bis zur Arche Noah, aus der auf Knopfdruck ständig neue Tiere hervorsprudeln, lässt sich hier alles erwerben und anschließend auf Pilgors Körper anbringen. Außerdem kann sich die Ziege bei Bedarf auch in ein anderes Tier – etwa in einen Hai, ein Schwein oder eine Giraffe – verwandeln.

Bugs en masse

Sieht es seltsam aus, wenn statt der Ziege eine Giraffe mit ultralangem Hals durch die Stadt rennt? Ja, natürlich – und nicht selten zeigten sich im Test Grafikfehler, bei denen der Hals etwa durch Decken oder Wände hindurchstach. Und das ist freilich nicht der einzige Bug in "Goat Simulator 3".

Wir hinterlassen einen Pfad der Zerstörung. Und sehen dabei recht putzig aus.
Foto: Coffee Stain Studios

So steht auch die Ziege manchmal zwischen Wänden, die plötzlich verschwinden. Menschen tauchen aus dem Nichts auf und widerholen immerzu die gleiche Textzeile. Und die Autos fliegen in einer unrealistischen Physik durch die Gegend, die ihresgleichen maximal in den ersten Versionen von "Cyberpunk 2077" sucht.

Das würde man bei anderen Spielen fürchterlich finden – bei einem Spiel, in dem man in ein Megafon blökt, um Menschen einen Berghang hinunterzuschleudern, hat man hingegen innerlich ohnehin schon kapituliert. In "Goat Simulator 3" wirkt es fast schon so, als seien die Bugs ein gewollter Teil des Gesamtkunstwerks.

Fazit: ein weiteres völlig dummes Spiel

"'Goat Simulator 3' ist ein weiteres völlig dummes Spiel. Lernt man darin, mit der Herde eins zu werden? Wahrscheinlich nicht. Wer etwas über echte Ziegen erfahren will, muss aufs Dorf." Diese Aussage stammt nicht von mir, sondern von den Entwicklern selbst. Ich könnte es aber kaum besser ausdrücken.

Szenen wie diese sorgen gegenüber unbeteiligten Beobachtern für Erklärungsbedarf.
Foto: Coffee Stain Studios

"Goat Simulator 3" ist kompletter Schwachsinn und pure Zeitverschwendung. Zu jedem Zeitpunkt des Tests habe ich mich gefürchtet, dass meine Frau ins Zimmer kommt und ich ihr erklären muss, warum ich gerade eine Tankstelle anzünde und die Feuerwehrleute anschließend mit einem Feuerwehrauto durch die Stadt brettere.

Aber: Das Spiel ist zugleich eines der witzigsten Games, die ich in den vergangenen Wochen gespielt habe. Schon das Intro zaubert Insidern ein Grinsen ins Gesicht, an jeder Ecke lauern neue absurde Abenteuer, die Mini-Tasks sorgen trotz teilweise frustrierender Rätsel für willkommene Abwechslung. Kurzum: Nach einem anstrengenden Tag kann "Goat Simulator 3" für viele Menschen genau jene Zerstreuung bieten, die sie brauchen. Ob man sich an das Game auch mit Freunden herantraut, ist eine andere Frage – der Publisher warnt nämlich auch explizit, dass man selbige durch das Spiel auch rasch wieder verlieren kann. (Stefan Mey, 16.11.2022)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Ein Exemplar des Spiels wurde dem STANDARD von Coffee Stain Studios zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.