Weltweit finden Proteste statt, die jene im Iran unterstützen. Hier im Bild in Washington, D.C.

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Teheran / Nusa Dua – Im Zusammenhang mit den Protesten im Iran sind weitere drei Demonstranten zum Tode verurteilt worden. Dies berichtete die Nachrichtenagentur FARS am Mittwoch. Gegen die Todesurteile könne Berufung eingelegt werden, hieß es weiter. Bereits in den vergangenen Tagen wurden zwei Menschen zum Tode und weitere zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Nach Angaben von Menschenrechtlern wurden seit Beginn der Proteste vor zwei Monaten rund 15.000 Demonstranten festgenommen.

Einem der nun Verurteilten wird dem Bericht zufolge vorgeworfen, mit seinem Auto Polizisten angegriffen und dabei eine Person getötet zu haben. Ein weiteres Urteil wurde wegen Waffenbesitzes und Brandstiftung verhängt. Die dritte Person wurde als "Anführer von Protesten" sowie wegen Beschädigung öffentlichen Eigentums zum Tode verurteilt. Insgesamt sind der iranischen Justiz zufolge bereits mehr als 1.000 Personen angeklagt.

Berichte über Tote

Gleichzeitig haben die Gedenken an den "blutigen November" von 2019 die größten Proteste seit Wochen ausgelöst. In vielen Landesteilen strömten in der Nacht auf Mittwoch Menschen auf die Straßen, wie Augenzeugen berichteten. In der Hauptstadt Teheran waren chaotische Szenen zu beobachten. Demonstranten errichteten Straßensperren, Autofahrer gaben Hupkonzerte. Hunderte Menschen versammelten sich auf zentralen Plätzen und riefen Protestslogans gegen die Islamische Republik.

Proteste in Deutschland, Australien, Japan und den USA.
DER STANDARD

Während der Großteil der Straßenproteste friedlich verlief, kam es vor allem in den Provinzen wieder zu gewaltsamen Vorfällen. Mindestens zwei Sicherheitskräfte der Revolutionsgarden sowie ein schiitischer Geistlicher seien getötet worden, berichteten iranische Medien. Nach Angaben von Aktivisten wurden zwei Demonstranten in den Kurdenregionen erschossen. Berichten zufolge erfassten die Proteste dutzende Städte und mehr als zwei Drittel der Landesprovinzen. Die Angaben aus den Protestgebieten sind schwer zu überprüfen.

Hohe Benzinpreise lösten damalige Demo aus

Aktivisten hatten zu dreitägigen Protesten und Streiks im Gedenken an den "blutigen November" von 2019 aufgerufen. Hintergrund der Demonstrationen vor drei Jahren waren hohe Benzinpreise. Sie richteten sich jedoch schnell auch gegen die politische Führung in Teheran.

"Die Zeit der Revolution hat begonnen"

Immer mehr Protestteilnehmer drücken auch mit zivilem Ungehorsam ihren Unmut aus. Auf den Straßen der Hauptstadt waren Paare zu beobachten, die sich in der Öffentlichkeit küssten – ein gesellschaftliches Tabu und unter Strafe verboten seit der Islamischen Revolution 1979. In anderen Teilen Teherans waren Lautsprecherdurchsagen zu hören: "Das ist ein roter Alarm, die Zeit der Revolution hat begonnen", gefolgt von Sirenentönen, die einst bei Bombenalarm im Iran-Irak-Krieg (1980 bis 1988) zu hören waren.

Innenministerium: französische Geheimagenten inhaftiert

Laut dem iranischen Innenministerium sind bei den Protesten auch französische Geheimagenten inhaftiert worden. "Menschen anderer Nationalitäten wurden bei den Unruhen festgenommen, von denen einige eine große Rolle spielten. Es gab Elemente des französischen Geheimdienstes, und sie werden gemäß dem Gesetz behandelt", sagte Innenminister Ahmad Vahidi am Mittwoch.

Dieser Bild stammt von Protesten in Teheran am 19. September.
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Die französische Außenministerin Catherine Colonna hatte vergangene Woche erklärt, dass sieben französische Staatsangehörige im Iran festgenommen worden seien. Insgesamt sind im Iran derzeit etwa 20 Menschen mit europäischen Pässen inhaftiert, die meisten von ihnen mit doppelter Staatsbürgerschaft.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat dem Iran "zunehmende Aggressivität" und "inakzeptable Geiselnahmen" von Franzosen vorgeworfen. "Ich rufe den Iran auf, zur Ruhe zu kommen und sich auf den Geist der Zusammenarbeit zu besinnen", sagte Macron am Mittwoch zum Abschluss des G20-Treffens in Indonesien.

Die derzeitige "Revolution der Frauen und der Jugend" verteidige universelle Werte, sagte Macron. Bei allem Respekt für die Souveränität des Iran sei es rechtens, "den Mut und die Legitimität dieses Kampfs" zu loben.

Atomkonflikt schwelt weiter

Irans Vizepräsident und Atomchef Mohammad Eslami hat indes vereinbarte Gespräche mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu ehemals geheimen nuklearen Aktivitäten und Standorten infrage gestellt. "Die Reise einer IAEA-Delegation ist derzeit nicht auf der Agenda", sagte er laut der Nachrichtenagentur ISNA am Mittwoch in Teheran.

Eslami reagierte auf Bemühungen von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA, Teheran zur Beantwortung offener Fragen zu drängen. Mittels einer Resolution im Gouverneursrat der IAEA hatten die westlichen Staaten Teheran zu einer Stellungnahme aufgefordert. Eine Verschiebung oder Absage der in der zweiten Novemberhälfte geplanten Gespräche im Iran "würde die Dinge noch schlimmer machen, als sie ohnehin schon sind", warnte IAEA-Chef Grossi in Wien.

Irans Vizepräsident Mohammad Eslami zeigt wenig Interesse an Gesprächen mit der Internationalen Atomenergiebehörde.
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Seit mehreren Jahren fordert die IAEA vergeblich Informationen zum Verbleib von nuklearem Material an drei Standorten im Iran. Teils bekäme die Behörde in Wien keine Antworten, und teils würden unglaubwürdige Erklärungen geliefert, sagte Grossi nach Beginn des Gouverneursrates zu Journalisten. Der Iran hat stets betont, Atomtechnologie nur für friedliche Zwecke zu nutzen. Doch die mangelnde Kooperation Teherans nährt im Westen den Verdacht, dass die Islamische Republik vergangene militärische Nuklearforschung verheimlichen will.

Nachdem die USA im Jahr 2018 aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausstiegen, begann Teheran die darin vereinbarten Beschränkungen zu brechen und IAEA-Kontrollen zu erschweren. Derzeit reichert der Iran Uran bis zu einem Reinheitsgrad von 60 Prozent an, der laut IAEA nur knapp unter dem für Atomwaffen benötigten 90 Prozent liegt. Verhandlungen über die Rettung des Atomabkommens liegen seit Monaten auf Eis. (APA, 16.11.2022)