Angela Alvarez erlebt eine späte Karriere als Musikerin.

Foto: angelaalvarez.com

Angesichts des Erfolgs kubanischen Oldtimer, die als Buena Vista Social Club Weltkarriere gemacht haben, wundert es nicht, wenn Eightysomethings auf der Bühne stehen und Erfolge feiern. Mit Angela Alvarez ist es sogar eine Ninetysomething, die spät ins Scheinwerferlicht tritt. Alvarez ist 95 und bei den am Donnerstag zu vergebenden Latin Grammys als "Best New Artist" nominiert. Das gibt’s nicht alle Tage, und das verdankt sie neben sich selbst ihrem Enkelkind Carlos José Alvarez.

Der wusste, dass seine von ihm Nana gerufene Oma eine höchst musikalische Person ist, allein, ihr Leben hat verhindert, dass sie ihren Traum früher verwirklichen konnte. Er hat das jetzt für sie zurechtgebogen. Die in Kuba geborene Angela Alvarez schrieb ihren ersten Song mit 14 Jahren; daraus erwuchs der Wunsch, aus dieser Leidenschaft einen Beruf zu machen, doch ihr Vater bremste ihre Ambitionen. Sie könne für die Familie singen, aber nicht für die Welt, sagte er. Angela gehorchte, heiratete mit 19 und bekam vier Kinder.

Flucht aus Kuba

1962 flüchtete sie vor Fidel Castro in die USA, wo sie im Bundesstaat Colorado in einer Bank als Putzkraft arbeitete. Sie tat das, um in der Nähe ihrer Kinder zu sein. Die waren in einem Heim untergebracht worden, nachdem Alvarez sie bei ihrer Flucht zuerst alleine in die USA schicken musste. Sie beschreibt das als die schlimmste Zeit ihres Lebens. Zum Trost in einsamen Stunden, getrennt von ihren Kindern und ihrem Mann, allein in einem fremden Land, blieb ihr die Musik als Trost.

1966 konnte ihr Mann schließlich aus Kuba ausreisen, und die wiedervereinte Familie zog nach Baton Rouge in Louisiana. Elf Jahre später starb ihr Mann an Lungenkrebs.

Angela Alvarez schrieb darüber traurige Lieder, über freudige Ereignisse fröhliche. Über 50 eigene Songs sollen so entstanden sein, als akustische Chronik ihres Lebens.

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Ihr Enkel Carlos José Alvarez wurde Komponist und wollte das musikalische Erbe seiner Großmutter dokumentieren. Das wuchs sich aus. Aus der Idee entstand ein ganzes Album, als die Geschichte seiner Oma sich herumsprach, entstand eine filmische Doku, in der der Schauspieler Andy García den Erzähler gibt – García ist ein Freund von Carlos José Alvarez.

Live bei den Latin Grammys

An ihrem 91. Geburtstag gab Alvarez ihr erstes Konzert. Ihr Lebenstraum, eine Musikerin zu sein, hatte sich erfüllt, das Publikum war hin und weg. García ermutigte sie, für eine Filmrolle in einem Remake von Father of the Bride vorzusprechen – und sie erhielt die Rolle. Und Ende September wurde ihre Grammy-Nominierung bekanntgegeben: Nana Alvarez war im Himmel. Heute, Donnerstag, wird sie in Las Vegas bei den Latin Grammys dabei sein und auftreten. Wer auch immer gewinnt, die Siegerin der Herzen ist sie jetzt schon. (Karl Fluch, 16.11.2022)