Mehr Sein als Schein: Andor (Diego Luna) schafft es, die Ästhetik des Franchise in ein dunkleres und schmutzigeres Setting zu rücken.

Foto: Disney+

Kein Lichtschwert, kein Skywalker-Drama und keine aufs Auge gedrückten Nostalgiemomente – eigentlich spricht alles gegen die Star Wars-Serie Andor, wenn es darum geht, das in Schutt und Asche liegende Science-Fiction-Franchise wiederzubeleben. Aber genau diese absichtliche Abnabelung, intelligentes Storytelling und wohldosiert eingesetzte Actionszenen machen Andor zu dem, was Star Wars-Fans schon seit Jahrzehnten verdienen: eine neue Hoffnung.

Im Mittelpunkt der seit Ende September auf dem Streamingservice Disney+ laufenden Serie steht der aufkeimende Bürgerkrieg gegen das Imperium. Dieser rote Faden verknüpft zahlreiche Einzelschicksale, die in insgesamt zwölf Folgen miteinander verknüpft werden. Als verbindendes Element dient der unscheinbare Dieb Cassian Andor, der wider Willen in diese Revolution hineingezogen wird. Gespielt wird der titelgebende Andor von Diego Luna, der die Figur bereits im Film Rogue One verkörperte und mit seiner Darstellung auch diesmal überzeugt. Ähnlich verhält es sich mit Stellan Skarsgård und Genevieve O’Reilly, die als Luthen Rael und Mon Mothma als Drahtzieher hinter der Revolution so manche Folge fast im Alleingang stemmen.

Eine dunkle Bedrohung

Andor ist, ähnlich wie die erste Staffel von The Mandalorian, nicht aus denselben Materialien geschnitzt wie das Gros der Star Wars-Produkte der letzten Jahrzehnte und richtet sich ganz gezielt an ein älteres Publikum. Kein Jar Jar Binks, kein Kind, das zweimal in sechs Folgen entführt und wieder befreit wird, und keine unangenehme Anlehnung an die Originaltrilogie, weil man allein nicht stehen kann. Der Thriller greift mehrere Handlungsbögen auf, die nach drei Folgen auch schon wieder abgeschlossen sein können. Er nimmt jene Charaktere unter die Lupe, die in dem Franchise bisher zu unwichtig waren, um beleuchtet zu werden – und dennoch mehr zu erzählen haben als Filme wie Solo.

Damit riskiert man viel, auch weil der bei Disney beliebte Wochenrhythmus für spannende Serien wie Andor eher Fluch als Segen ist. Man will dennoch dranbleiben, auch weil das zumeist eindimensional böse Imperium Gesichter spendiert bekommt, deren Tun vom Zuseher begleitet werden will – auch wenn keines davon eine schwarze Maske trägt – oder vielleicht gerade deshalb. Einzig der Grund, warum man gänzlich auf spannende Alien-Rassen verzichtet hat, wird in der ersten Staffel nicht näher erläutert. Die in der Serie präsentierten Rassen sehen zumeist aus wie Menschen, was Farbe für die Art von Science-Fiction-Serie vermissen lässt.

Serie der Herzen

Wer die Serie bis jetzt nicht gesehen hat, der sollte sich noch bis zum 23. November gedulden. Da flimmert die letzte Folge der ersten Staffel über die mit einem Disney+-Abo gesegneten Bildschirme. Eine weitere soll folgen, deren Ereignisse im 2016 erschienenen Film Rogue One bereits ihr Finale gefunden hat.

Vielleicht liegt es an der von Star Wars-Serien wie Boba Fett oder Obi-Wan Kenobi nach unten geprügelten Erwartungshaltung, dass Andor bereits mit den ersten Folgen so viele Herzen erobern konnte.

Die Serie gibt sich so erfrischend unaufgeregt, ohne langweilig zu sein, dass man den Verantwortlichen einen gut gefüllten Geschenkekorb zukommen lassen will. Die Serie leistet sich gut überlegt geschriebene Dialoge, glaubhafte Charaktere und eine nicht nur von Action, sondern von nachvollziehbaren Motivationen getriebene Handlung: Dinge, die man in den letzten Jahren von dem Franchise nur in homöopathischen Dosen verabreicht bekommen hat. Mögen die Drehbuchautoren ihren Weg auch in der kommenden Staffel weitergehen dürfen. Star Wars-Fans hätten sich nach den vielen Niederlagen ein paar Siege verdient. (Alexander Amon, 17.11.2022)