Studien zeigen: Schöne Menschen verdienen mehr Geld und werden eher befördert.
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"Bye bye Booty, der Heroin Chic der 90ger Jahre ist zurück", titelte die Boulevardzeitung New York Post im November 2022. Modezeitungen wollen wieder einen Trend hin zu abgemagerten Frauen mit sichtbaren Hüftknochen erkennen. In Social Media wird sogar gemunkelt, die Kardashians hätten sich ihre aufgespritzten Hintern wieder kleiner operieren lassen.

Was hat all das mit dem Job zu tun? Leider viel. Welches Gewicht oder welche Statur wir haben, beeinflusst, wie viel wir verdienen. "Mehrere Studien zeigen: Mehrgewichtige Frauen verdienen weniger als ihre schlankeren Kolleginnen", sagte Kulturwissenschafterin und Autorin des Buchs Riot, Don’t Diet Elisabeth Lechner bei einer Veranstaltung der Grünen Wirtschaft Wien.

Eine Untersuchung in Deutschland im Auftrag des Instituts zur Zukunft der Arbeit aus dem Jahr 2014 kommt sogar zu einem noch alarmierenderen Ergebnis. Es zeigte sich, dass Frauen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 21,5 am meisten verdienen. Mit zunehmendem Gewicht nahm das Gehalt immer weiter ab – und zwar um bis zu zwölf Prozent. Das Körpergewicht wirkte sich auch auf die Chancen aus, überhaupt eingestellt zu werden.

Wer positiver bewertet wird – Lookismus

Unter dem Begriff Halo-Effekt versteht man, dass Menschen, die unserer Vorstellung von uns selbst am ehesten entsprechen, positiver bewertet werden. Den umgekehrten Effekt gibt es allerdings auch. "Je größer der kulturelle, Gender- oder Altersunterschied ist, desto eher nehmen wir einen kritischen Standpunkt ein", heißt es auf der Projektwebsite mit dem Namen Debias der TU Wien und des Centre for Informatics and Society. Im Zuge des Projekts wurden neue Bewerbungsprozesse getestet.

Die erste Phase des Bewerbungsgesprächs lief dabei völlig anonym ab, also weder Geschlecht noch Alter noch Name waren bekannt. Erst in der zweiten Runde kam es zu einem persönlichen Treffen. Teilnehmende waren überrascht, wie unterschiedlich ihre Vorstellung voneinander vor und nach dem Treffen war.

Auch Männer leiden unter den stereotypen Körperbildern. So zeigte die Studie aus Deutschland, dass schmale Männer einen Lohnabschlag von rund acht Prozent haben. Eine andere Untersuchung, die sogenannte Caesar-Studie aus dem Jahr 2021, fand eine weitere Korrelation: Je größer ein Mann, desto höher auch das Einkommen. Der starke, große Mann und die kleine, zierliche Frau haben also nicht nur beim Dating, sondern auch am Arbeitsmarkt immer noch die besseren Karten. In der Wissenschaft wird dieses Phänomen Lookismus genannt.

Aus Denkmustern ausbrechen

Haben Sie sich auch schon einmal ertappt, eine dicke Person als faul, undiszipliniert, dreckig oder dumm einzuschätzen? "Wir alle sind in einer Gesellschaft voller Vorurteile aufgewachsen. Deshalb können solche Gedanken hochkommen, obwohl wir der Person grundsätzlich nichts Böses wollen. Um aus diesem Kreislauf auszubrechen, hilft es, immer wieder seine eigenen Gedanken zu hinterfragen, mit Betroffenen zu sprechen und zu versuchen, deren Sichtweise einzunehmen", sagt Lechner. Sie erzählt von dem Wunsch mehrgewichtiger Personen, auch die Möglichkeit zu haben, unterzutauchen, nicht hypersichtbar zu sein.

Der BMI, der in diesem Zusammenhang immer wieder genannt wird, hatte allerdings nie das Ziel, eine Maßeinheit für einen gesunden Körper zu sein. Damit sollte lediglich der Durchschnitt von Körpergröße und Gewicht einer großen Gruppe von Menschen errechnet werden. Auch wenn es medizinische Zusammenhänge zwischen dem Körpergewicht und gewissen Krankheitsbildern gibt, lassen sich keine Rückschlüsse auf die Kompetenz oder das Verhalten der Personen ziehen.

Video: Fatshaming Gesund muss nicht unbedingt dünn bedeuten
DER STANDARD

Gegen Gewichtsdiskriminierung klagen

Gegen Sexismus oder Rassismus kann man mittlerweile vorgehen. Für Diskriminierung aufgrund der Statur gibt es allerdings noch keine gesetzlichen Bestimmungen. In einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2014 wurde jedoch ein Rechtsweg geebnet: Fettleibigkeit kann als Behinderung eingestuft werden und ist einklagbar. Diese Einordnung ist jedoch umstritten. Klassifiziert man Mehrgewicht als Behinderung, werden Betroffene wiederum stigmatisiert.

Bobby Herrmann-Thurner, Plus-Size-Expertin und Betreiberin des Blogs Curvect, geht noch einen Schritt weiter: "Wenn Menschen Bodyshaming in Unternehmen erfahren, sollte die Firma auch Geld für die Behebung der Probleme einplanen – also beispielsweise die Kosten einer Therapie oder eines Coachings übernehmen."

Grooming-Gap

Einen Körper zu haben, der dem gesellschaftlichen Idealbild entspricht, ist einerseits eine Frage der Genetik, andererseits auch eine der Körperarbeit. Gerade von Frauen wird in manchen Arbeitsbereichen erwartet, in ihr Aussehen zu investieren: geschminktes Gesicht, gemachte Nägel, reine Haut. All das kostet Geld. Deshalb spricht man vom Grooming-Gap, also den Mehrkosten für den Frauenkörper. Der Druck auf Männer, in ihr Aussehen zu investieren, ist ebenfalls gestiegen. Leider heißt es also immer noch nicht Bye-bye, Beautystandards. (Natascha Ickert, 21.11.2022)