Auf die Frage, ob ein Ausschluss von Ex-Kanzler Kurz aus der ÖVP denkbar sei, wollte Ethikrat-Vorsitzende Klasnic sich im Oktober nicht eindeutig äußern.

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Am Donnerstag verkündet der ÖVP-Ethikrat seine Empfehlungen in den aktuellen türkisen Korruptionsaffären. Das parteiinterne Compliance-Gremium soll über den 2012 beschlossenen Verhaltenskodex der Volkspartei wachen und bei etwaigen Verstößen Vorschläge zu Konsequenzen an die Parteiführung geben.

Im Oktober bestätigte der Rat, dass er sich mit den Anschuldigungen, die gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und weitere zentrale ÖVP-Funktionäre im Raum stehen, beschäftige. Nach Abschluss der Beratungen werde wie in den Statuten vorgesehen ein Bericht an die Bundesparteileitung gehen. Zudem werde es dann eine Aussendung und damit ein öffentliches Statement des Gremiums geben. Die Vorsitzende des Ethikrats, die frühere steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic, kündigte das damals für den November an – der STANDARD berichtete.

Gesamte "Causa Schmid" soll umfasst sein

Wie der STANDARD am Mittwoch aus dem Gremium erfuhr, werde die Aussendung im Laufe des Donnerstagvormittags erfolgen. Eine Pressekonferenz zum Inhalt werde es hingegen nicht geben, Vorsitzende Klasnic sei nach dem schriftlichen Statement aber für Nachfragen erreichbar. In der Aussendung werde jedenfalls der Inhalt der Empfehlungen veröffentlicht, die der Ethikrat an die Parteiführung richtet. Laut ÖVP-Verhaltenskodex können diese bis zum Parteiausschluss reichen.

Die Vorschläge an die türkise Parteispitze werden jedenfalls die gesamte Causa um die öffentlich gewordenen Chats von Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid umfassen, ließ man aus dem Gremium wissen. Vorschläge zum Umgang mit den schweren Vorwürfen gegen Parteigrößen wie Ex-Kanzler Sebastian Kurz, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Klubchef August Wöginger beziehungsweise Empfehlungen für etwaige Konsequenzen für diese sind daher zu erwarten.

Auf die Frage, ob ein Parteiausschluss etwa von Kurz denkbar sei, antwortete Klasnic dem STANDARD im Oktober: "Wir sind ein beratendes Gremium." Man gebe Vorschläge ab, entscheiden müsse dann die Parteispitze – praktisch also wohl ÖVP-Chef und Kanzler Karl Nehammer.

Strafrecht nicht die Richtschnur für Ethikrat

Das Strafrecht oder gerichtliche Entscheidungen sind jedenfalls nicht die Richtschnur für den Parteirat. An zentraler Stelle im Verhaltenskodex heißt es nämlich, politische Moral und Ethik müssten über die "strikt einzuhaltende Rechtsordnung hinaus" gehen. In diesem Sinne hatte sich im Oktober etwa auch der frühere ÖVP-Spitzenpolitiker Franz Fischler geäußert. Die damals von Generalsekretär Christian Stocker bekräftigte Haltung der Bundespartei, Urteile abwarten zu wollen, kritisierte er deutlich. Die ÖVP müsste "initiativ sein", sie könne "nicht immer die getriebene Partei bleiben", sagte Fischler.

Im Kodex ist definiert, dass der Ethikrat bei "Verdacht eines Verstoßes gegen den Verhaltenskodex" tätig werden soll. Im Rahmen der Prüfung seien die jeweiligen Betroffenen anzuhören. Nach "Abschluss des Verfahrens" trifft er eine Feststellung, ob der Verhaltenskodex eingehalten oder verletzt wurde, und schlägt "dem jeweils statutarisch zuständigen Parteigremium die Ergreifung von geeigneten Maßnahmen und Sanktionen" vor, wie es wörtlich heißt.

Der Ethikrat hatte sich bereits im vergangenen Jahr, nach Bekanntwerden der Schmid-Chats, zur Causa geäußert. Der Inhalt würde dem ÖVP-Verhaltenskodex widersprechen, stellte man damals schon klar. Die "Wortwahl und der mangelnde Respekt" seien "unangemessen und abzulehnen". (Martin Tschiderer, 17.11.2022)