Im Gastblog analysiert Aurelia Brida, wie Veränderungen der Arbeitswelt positiven Einfluss auf das Bildungssystem haben könnten.

In der Businesswelt gibt es seit einiger Zeit einen großen Trend: New Work. Unternehmerinnen und Unternehmer wünschen sich mehr Produktivität und Zufriedenheit der Angestellten. Dabei setzen sie auf Homeoffice oder agile Arbeitsmethoden. Darunter fallen etwa Scrum, eine Methode, mit der bestehende Prozesse begutachtet, Verbesserungspotenzial herausgefunden und dementsprechend Verbesserungen vorgenommen werden, oder Kanban, eine Visualisierungsmethode, die dabei hilft, Aufgaben agil zu bearbeiten. Weiters kommen kleine Gadgets wie Maltafeln zum Einsatz, die eine kreative und produktive Zusammenarbeit unterstützen.

Spezialistinnen und Spezialisten üben sich dabei in Kritik, denn New Work braucht nicht nur andere Arbeitsformen, sondern auch einen Kulturwandel. So hat es zumindest der Österreicher Frithjof Bergmann vorgesehen, auf den der Ursprung der Bewegung zurückgeht. Er hat es so ausgedrückt: "Menschen sollen an Aufgaben arbeiten, die sie wirklich, wirklich wollen." Die Arbeitswelt soll menschenzentriert sein, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen sich fair und verantwortungsbewusst verhalten und dabei auf die Umwelt achtgeben. Im Zentrum stehen also Selbstbestimmung und Sinnhaftigkeit.

Eine Lektion von New Work für das Bildungssystem wäre, die Benotung hintanzustellen und stattdessen Talente zu fördern.
Foto: imago/Roland Mühlanger

Einige Sozialunternehmerinnen und Sozialunternehmer setzen dies bereits um. Die Arbeit ist von Grund auf sinnstiftend und motiviert Mitarbeitende, da sie soziale Probleme unternehmerisch lösen. Erfolgreiche Beispiele kann man etwa bei "Kicken ohne Grenzen" oder "YEP – Stimme der Jugend" sehen. Diese Unternehmen inkludieren Mitarbeitende in Entscheidungsprozesse, organisieren ihre Arbeitsaufgaben stärkenorientiert, während Teammitglieder sich selbst organisieren. Cartsten Schermuly von der SRH Hochschule Berlin ist der Meinung, dass diese Arbeitsmethoden auch zu höheren Kompetenzen führen und sich außerdem positiv auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden auswirken.

New Work: Motivation und Verantwortung

New Work wird unsere Arbeitswelt noch länger beschäftigen. Ob es in einem Betrieb funktioniert, ist aber nicht nur von den Führungskräften abhängig – auch Mitarbeitende müssen die notwendigen Kompetenzen mitbringen: Selbstorganisation, Eigenmotivation und Reflexionsfähigkeit, um nur einige zu nennen. Die meisten dieser Eigenschaften entwickeln wir nicht erst im Arbeitsumfeld, sondern bereits in der Jugend – sofern wir die Möglichkeit bekommen. Wie müsste nun ein Schulsystem aufgebaut sein, das uns auf die Arbeitswelt von morgen vorbereitet?

In New Work geht es um Eigenverantwortung, das heißt Aufgaben erkennen und diese selbstorganisiert umsetzen. Wichtig dabei ist, dass Schülerinnen und Schülerinnen erkennen, dass sie selbstwirksam sind und hinter der Aufgabe stehen. Projektorientierter und fächerübergreifender Unterricht kann dies ermöglichen. Junge Menschen werden dabei vor ein komplexes Thema gestellt und müssen in Zusammenarbeit Probleme kreativ lösen. Wichtig dabei ist, dass sich die Schülerinnen und Schüler ausprobieren dürfen und Fehler erlaubt sind. In New Work nennt man das "Agiles Arbeiten" – man probiert etwas aus, evaluiert, wo man damit steht, und verbessert sich im nächsten Schritt. Schülerinnen und Schüler würden einerseits lernen, Projekte zu gestalten, die sie selbst verfolgen wollen. Andererseits könnte diese Methode Perfektionismus abbauen, da im Falle von Fehlern immer noch nachgebessert werden kann. Konkret heißt das, die Benotung hintanzustellen und stattdessen Talente zu fördern. Somit können Innovationen entstehen. Das Projekt "OpenSchool" zeigt dabei gute Beispiele, wie die neuen Lernformate durch beispielsweise Open Labs oder Lernbüros aussehen können. Konkret bedeutet das: Das Lehrprogramm wird von den Schülerinnen und Schülern in Zusammenarbeit mit Lerncoaches entwickelt. Dabei werden Talente ausgebaut, Interessen entwickelt, und auch wird Selbstwirksamkeit erlebt.

Menschenzentrierte Reform des Bildungssystems

Das aktuell vorherrschende Schulsystem geht unzureichend auf individuelle Fähigkeiten ein. Es werden standardisierte Leistungen von Kindern und Jugendlichen erwartet, obwohl diese ganz unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen. Schwächen müssen oft in langer Arbeit nachgebessert werden. New Work setzt dem ein gutes Verständnis von den eigenen Stärken und Interessen entgegen, die dann effizient im Team eingebracht werden. Dafür müsste der Unterricht verstärkt Persönlichkeitsentwicklung- und Kenntnis fördern.

Weiters ist in agilen Lernformaten eine regelmäßige Reflexion rein fixer Bestandteil. Was funktioniert in der Projektlaufzeit gut? Was wollen wir noch verbessern? Und was haben wir über uns selbst gelernt? Hier kann außerdem Feedback zu geben und Feedback anzunehmen geübt werden. Fähigkeiten, die für gutes agiles Teamwork essenziell sind. Dies hilft auch dabei, ein Verständnis für die eigene Persönlichkeit zu gewinnen.

Primäres Ziel sollte nicht sein, Schülerinnen und Schüler zu guten Arbeitskräften auszubilden, sondern zu Gestalterinnen und Gestalter, die die Welt zum Positiven verändern können und wollen. Dafür braucht es eine menschenzentrierte Bildung, die sich traut, Neues auszuprobieren. Zeit also, Innovationen à la New Work ins Bildungssystem zu bringen. (Aurelia Brida, 23.11.2022)