Charlie Blackwell-Thompson ist Raketenstart-Direktorin am Kennedy Space Center.
Foto: Imago / Piemags

Mittwochmorgen geschah endlich, was die Raumfahrt seit Monaten erhoffte: Die Artemis-1-Mission brach Richtung Mond auf. Der perfekte Start nach wetterbedingten Verschiebungen ist auch den Führungsqualitäten von Charlie Blackwell-Thompson zu verdanken. Die Raketenstart-Direktorin war für die Beaufsichtigung des Ablaufs verantwortlich, auf ihr Signal zum Countdown wartete das ganze Team.

Die Ingenieurin ist die erste Frau im Chefsessel des Firing Room im Kennedy Space Center der Nasa. Vor 50 Jahren, bei der ersten Mondlandung, saß nur eine Frau unter 450 Männern im Saal. Heute ist dort fast ein Drittel der rund 100 zuständigen Ingenieure weiblich.

Blackwell-Thompson stammt aus einer Kleinstadt in South Carolina; ihr Geburtsdatum gibt sie nicht preis. Sie studierte bis 1988 an einer öffentlichen Universität technische Informatik und begann danach, für die Boeing Company am Kennedy Space Center zu arbeiten; 2004 wechselte sie zur Nasa und arbeitete nicht nur an Space-Shuttle-Missionen, sondern war auch als leitende Elektrotechnikerin an diversen Reparatureinsätzen für das Hubble-Weltraumteleskop beteiligt. Seit 2016 ist sie als erste Frau für Raketenstarts verantwortlich. Mehrere Patente für Raumflugsysteme laufen auf ihren Namen.

Zukunftsträume bis zum Mars

Dass sie mit einem riesigen Team eine neue Ära der Raumfahrt einleiten durfte, hat sich die dreifache Mutter hart erarbeitet. Wie auch die Kolleginnen und Kollegen, vor denen sie zu später Stunde sichtlich gerührt eine Ansprache hielt. "Ihr sollt wissen, dass ihr euch euren Platz in diesem Raum verdient habt", beschwor sie den amerikanischen Traum, "und euren Platz in der Geschichte."

Nach großen Worten dauerte es nicht lange, bis die Direktorin zum lockeren Teil der Nacht überging. Einer Nasa-Tradition folgend, wurde ihr die Krawatte abgeschnitten – wie auch allen, die erstmals in der Position eines Ingenieurs, Start- oder Testdirektors einen Raketenstart betreuten.

Nach einem halben Jahrhundert Mondfahrt-Pause werden die kommenden Jahre besonders spannend. Einst stieß die Menschheit mit dem Apollo-Programm in unbekannte Gefilde vor und ging die ersten Schritte auf einen fremden Himmelskörper. Heute hat Apollos Zwillingsschwester, die Mondgöttin Artemis, das Sagen.

Die Missionen Artemis 2 und 3 werden erstmals seit 1972 wieder eine Crew in eine Umlaufbahn um den Erdtrabanten befördern – und auf seine Oberfläche. Fix eingeplant: die erste Frau auf dem Mond. Diese Leistungen werden Menschen auf der ganzen Welt dazu inspirieren, ihre großen Träume in die Realität umzusetzen und die Probleme auf dem Planeten gemeinschaftlich anzugehen und zu lösen. Auf dem Mond hört der Traum für Blackwell-Thompson längst nicht auf, ganz nach dem am Mittwoch betonten Motto: "Je härter der Aufstieg, desto besser die Aussicht." Das nächste Ziel – der Mars – ist längst anvisiert. (Julia Sica, 16.11.2022)