Auf dem Dach des Parlaments hebt Sobotka das Glas auf eine exklusive, genussvolle Zeit im neuen Parlament.

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Ein Gläschen Weißen in der Rechten – wird wohl ein Niederösterreicher sein –, die Linke in der Hosentasche, so schlendert der Präsident auf dem Dach des Parlaments umher. Nimmt einen kräftigen Schluck und hebt das Glas Richtung Kamera, die die Szene für seinen Facebook-Account festhält: "Prost, das werden viele sagen, die dann später auf diesen Terrassen sitzen."

Vier davon werde es geben, "mit einem herrlichen Überblick über die Wiener Innenstadt". Wolfgang Sobotka strahlt über beide Ohren und verrät noch ein Geheimnis: "Und wir haben schon einen neuen Pächter. Sie können sich auf eine exquisite Küche verlassen, die Sie hier kredenzt bekommen."

In dieser Sequenz ist klar, an wen die Botschaft gerichtet ist, nämlich an die Abgeordneten, für die der Hausherr des Parlaments goldene Zeiten in Aussicht stellt, wenn das Haus Anfang 2023 nach dem großen Umbau endlich wieder eröffnet wird. Und gülden soll auch die Muse ins Hohe Haus kommen.

Im Empfangssalon soll ein goldenes Klavier stehen, ein Bösendorfer. Der Hersteller schwärmt: "In 23 Karat vergoldet, erstrahlen die Blätter im Deckelinneren als auch der vergoldete Gussrahmen. Flügelinnenwand und Stimmstock nehmen den zarten Grünton der Lorbeerblätter aus der Kuppel auf. Das Motto ,Ver Sacrum‘ ist Buchstabe für Buchstabe in das Notenpult eingraviert und ebenfalls mit 23 Karat vergoldet."

Ob solch ein Prunk, in Zeiten wie diesen, wo viele Menschen Sorgen wegen der Lebensmittelkosten und Angst vor den Energiepreisen haben, als Signal von der Politik nicht fatal sei, fragte eine kritische Opposition im Parlament nach.

Das Klavier sei ja schon ursprünglich von dem Parlamentsarchitekten Theophil Hansen vorgesehen gewesen, der Plan werde im renovierten Haus eben umgesetzt, kontert Sobotkas ÖVP. Er selbst ließ bis dato eine Anfrage des STANDARD unbeantwortet. Das "Ver sacrum" ("Heiliger Frühling") in goldener Schrift war übrigens eine Idee des studierten Dirigenten und Musikliebhabers Sobotka.

"Wir brauchen ein Klavier"

Die türkise Kultursprecherin Maria Großbauer sprang Sobotka jedenfalls zur Seite: "Wir brauchen ein Klavier im Parlament – auf jeden Fall." Ins selbe Horn blies auch die Grünen-Kultursprecherin Eva Blimlinger. Es habe "einigermaßen wundergenommen", welche "Kunstfeindlichkeit" die Oppositionsparteien hätten, wenn sie sich über ein Klavier aufregten, "das noch dazu ein Kunstwerk ist". Am liebsten wäre Blimlinger gar ein Parlamentsorchester. Diese Worte der Koalitionspartnerin müssen betörende Klänge in den Ohren des Präsidenten gewesen sein, der doch bei jeder passenden Gelegenheit zum Dirigentenstab greift.

Ein eigenes Parlamentsorchester und er am Pult: was für eine Vorstellung – die alle anderen bösen Gedanken, an die Korruptionsstaatsanwaltschaft, an die Ermittlungen rund um Postenbesetzungen gegen ihn, verfliegen lässt.

"Lange Haare – kurze Röcke"

Sobotka kann seinen kunstbehauchten Fantasien im Parlament offenbar freien Lauf lassen. Vieles macht er im Alleingang. Kritik, Rücktrittsaufforderungen, Attacken im U-Ausschuss perlen an ihm ab. Man könnte annehmen, er hört in diesen Augenblicken nur die "Wassermusik" von Georg Friedrich Händel. Die Abgeordneten geben schon lange w. o. Er ist nicht mehr zu bewegen in seiner Welt. Wen immer man im Parlament fragt, es tönt einem nur ein tiefer Seufzer entgegen: "Was sollen wir tun, so ist er halt."

Nur einmal konnten ihn die Abgeordneten von einem merkwürdigen Trip abhalten. Dabei hatte er sich seiner Meinung nach etwas besonders Originelles ausgedacht.: eine "Party 1968" nach dem Motto "Lange Haare – kurze Röcke". Im und um das Palmenhaus war Hippiezeit angesagt. Und es sollte auch die Bevölkerung eingeladen werden. Die Abgeordneten hätten ein Zeichen am Revers erhalten als Erkennung, dass sie gratis Getränke konsumieren können. Die anderen Gäste hätten zahlen müssen. Das Fest wurde gecancelt.

Manch einer rätselt, ob Sobotka wirklich alles immer selbst einfällt. Oder ob er nicht auch auf eine eigene Abteilung in seinem Haus zurückgreift. Auf das "Professionelle Ideenmanagement". (Walter Müller, 16.11.2022)