Der Streit über die Strategie von ProSiebenSat.1 geht weiter.

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Berlin/Mailand/Unterföhring – Der Streit zwischen ProSiebenSat.1 und dem italienischen Großaktionär MFE über die Strategie des deutschen Fernsehkonzerns geht in die nächste Runde. Die Holding von der Familie des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi setzt auf einen Kurswechsel mit dem neuen ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets.

"Wir hoffen, dass die neue Strategie eine Veränderung gegenüber der Vergangenheit markiert", sagte Finanzchef Marco Giordani von MediaForEurope (MFE) am Mittwoch bei der Vorlage der Quartalszahlen. "Wir haben nicht wirklich gesehen, dass ProSieben sich den großen Herausforderungen stellt, vor denen die Branche steht: dem Rückgang der Zuschauerzahlen, der digitalen Transformation ... und der Notwendigkeit der Skalierung, um mit den digitalen Giganten konkurrieren zu können", sagte Giordani.

Bei ProSieben dürfte das wieder als Giftpfeil des Großaktionärs aus Mailand aufgenommen werden, der insgesamt 29 Prozent an dem Rivalen aus Unterföhring bei München hält. Der Konzern lehnte einen Kommentar dazu ab. ProSiebenSat.1-Finanzvorstand Ralf Gierig hatte jedoch erst am Dienstag im Reuters-Interview betont: "Wir verfolgen selbstbewusst unsere eigene Strategie." Diese basiere auf den drei Säulen Unterhaltung, Dating und Video sowie Commerce und Venture. "Die Strategie ist unverändert – auch unter den neuen personellen Rahmenbedingungen", sagte Gierig mit Blick auf Habets und den neuen Aufsichtsratschef Andreas Wiele.

Direkte Stimmrechte gesenkt

MFE (ehemals Mediaset) hat jüngst ihre direkten Stimmrechte an ProSiebenSat.1 von 24,26 auf 22,72 Prozent gesenkt, aber den Anteil insgesamt mit Finanzinstrumenten auf 29,01 Prozent erhöht. Mit Überschreiten der Schwelle von 30 Prozent der Stimmrechte wäre ein Übernahmeangebot fällig, was derzeit in der Branche aber als unwahrscheinlich gilt. Die Italiener haben wiederholt um mehr Zusammenarbeit mit ProSiebenSat.1 geworben, die Bayern zeigten MFE aber die kalte Schulter und sprachen sich gegen grenzüberschreitende Kooperationen aus.

Derweil sehen die Medienwächter der KEK keine Anzeichen für eine außerordentliche Machtposition der Italiener bei ProSieben. Es lägen "derzeit keine Anhaltspunkte für einen der Beherrschung vergleichbaren Einfluss der MFE, etwa durch personelle Verflechtungen auf der Leitungsebene, Zustimmungsvorbehalte oder enge Zulieferbeziehungen, vor", erklärte die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK). Sollte MFE die Anteile auf über 25 Prozent des Kapitals oder der Stimmrechte erhöhen, müsse man dies vorher anmelden.

MFE und ProSiebenSat.1 leiden unter der sich abzeichnenden Rezession und zurückhaltenden Werbekunden. MFE meldete einen Rückgang beim operativen Gewinn von 65 Prozent in den ersten 9 Monaten und verwies auf sinkende Werbeverkäufe auf dem heimischen Markt. Von Jänner bis September fiel das Ergebnis (Ebit) zwar deutlich auf 97,6 Mio. Euro von 275 Mio. Euro vor Jahresfrist, lag aber leicht über der Markterwartung. MFE gab sich zuversichtlich, ein "positives" Jahresergebnis zu erzielen, und sprach von einem bisher robusten inländischen Werbegeschäft im laufenden Schlussquartal 2022. (APA, Reuters, 16.11.2022)