Über 80 Prozent der Befragten fordern den Ausbau von Windrädern in Österreich.

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Dürreperioden und Starkregenfälle im Sommer, der Neusiedler See auf einem Tiefststand und der wärmste Oktober in der Messgeschichte. Der Klimawandel ist in der österreichischen Bevölkerung angekommen. Das bestätigt die Klimastudie 2022, in Auftrag gegeben von den Umweltschutzorganisationen Greenpeace und Mutter Erde, durchgeführt von Integral. Dieser zufolge hat jede zweite Person große Angst vor der Klimakrise.

Vier von fünf Personen assoziieren Hitzetage und Wetterextreme mit dem Klimawandel. Der Großteil rechnet mit mehr Extremwetterereignissen. Über 60 Prozent halten Hitzenächte mit über 30 Grad in Wien für möglich und glauben sogar an zukünftige Wüstenbildungen im Mittelmeerraum.

Dass die Zeit knapp ist, um derartige Horrorszenarien abzuwenden, davon ist die Mehrheit überzeugt. Über 60 Prozent glauben, dass sich in den nächsten zehn Jahren entscheiden wird, ob die Klimakrise überhaupt noch aufzuhalten ist. Drei von vier zeigen sich zudem beunruhigt, ob nötige Maßnahmen rechtzeitig getroffen werden.

Misstrauen in Politik

Das Vertrauen darin, dass die Politik überhaupt die richtigen Entscheidungen trifft und Maßnahmen setzt, um den Klimawandel zu stoppen, hält sich, milde ausgedrückt, in Grenzen. Knapp 70 Prozent sind nämlich nicht davon überzeugt. Seit 2020 ist der Anteil dieser skeptischen Haltung um sieben Prozentpunkte gestiegen. Dem gegenüber steht ein Viertel der Befragten, das der Politik durchaus vertraut.

Die Österreicherinnen und Österreicher sind generell besorgter als noch vor zwei Jahren. Gefragt nach einer Einschätzung des aktuellen Fortschritts der Klimakrise anhand einer Skala von 0 ("Wir befinden uns ganz am Anfang") bis 100 ("Es ist schon zu spät"), geben die Befragten durchschnittlich 64 Punkte an. 2020 lag der Durchschnitt noch bei 59,4. Wobei die Erhebung zeigt, dass Ältere den aktuellen Status optimistischer einstufen als Junge und die kritischere Einstufung mit dem Bildungsniveau steigt.

Fossile Brennstoffe

Daher verwundert es auch nicht, dass ein Großteil der Bevölkerung mit 86 Prozent Maßnahmen gegen die Klimakrise als "sinnvoll und notwendig" erachtet. Zudem wollen sich 80 Prozent in Zukunft klimafreundlicher verhalten. Ein Großteil ist überzeugt, dass jede und jeder Einzelne aktiv zum Klimaschutz beitragen kann.

Interessant ist, dass sogar verpflichtende Energiesparmaßnahmen durchaus positiv angenommen würden. Über 60 Prozent der Befragten befürworten ein derartiges Gebot. Zwei von drei Personen fordern sogar die Umsetzung des Verursacherprinzips, bei dem klimafreundliches Verhalten steuerlich begünstigt und klimaschädliches sanktioniert werden sollte.

Handlungsbedarf hinsichtlich des Klimaschutzes sehen vier von fünf Österreichern und Österreicherinnen auch in der Wirtschaft und in der Industrie.

Die Gasheizung zählt mittlerweile zu den unbeliebten Wärmeträgern in den Wohnräumen. Lediglich vier Prozent würden aus freien Stücken wieder zu Gas greifen, ein Prozent zu Öl. Die überwiegende Mehrheit, nämlich 95 Prozent, würde sich heute nicht mehr für fossile Energieträger entscheiden. Das Verbrennen von Erdöl, Kohle und Gas stufen zudem knapp 70 Prozent als "stärkste Verursacher des Klimawandels" ein.

Weg frei für Windräder?

Hoch im Kurs liegt dafür Solarstromerzeugung auf den Dächern. Über 90 Prozent sprechen sich dafür aus. Den Ausbau des öffentlichen Verkehrs befürworten über 80 Prozent.

Diese Ergebnisse dürften Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten durchaus positiv stimmen und könnten auch Entscheidungsträgern Rückenwind geben, um bisher unpopuläre Projekte anzugehen – Stichwort Windräder. Denn: Über 80 Prozent wünschen sich laut Klimastudie einen landesweiten Ausbau von Windkraftanlagen.

Dasselbe fordert auch Herwig Schuster von Greenpeace: "Eindeutiger kann der Handlungsauftrag an die Politik nicht sein. Die Bundesregierung muss das längst überfällige Klimaschutzgesetz und das Energieeffizienzgesetz endlich auf den Boden bringen." Und auch die Landespolitik müsse in Sachen Klimaschutz viel aktiver werden. "Insbesondere müssen sie Ökostrom wie Wind und Sonne massiv ausbauen und klimaschädliche Projekte wie etwa neue Autobahnen oder Lagerhallen auf der grünen Wiese stoppen."

Pessimistischer Blick in die Zukunft

Weniger erfreulich ist hingegen, dass die Befragten ein durchaus pessimistisches Bild der Zukunft zeichnen. Während vor zwei Jahren, also auch vor der Pandemie und dem Ukraine-Krieg, 31 Prozent pessimistisch in die Zukunft geblickt haben, sind es nun mit 58 Prozent mehr als die Hälfte. Auch die Zahl derer, die glauben, dass die Klimakrise mit den richtigen Maßnahmen gestoppt werden kann, sank von 45 Prozent 2020 auf 41.

Die Studie offenbart aber auch einen Mangel an Informationen. Die Hälfte der Bevölkerung fühlt sich nicht ausreichend informiert. Zwei von drei Personen wissen nicht, zu welchen Klimaschutzmaßnahmen sich Österreich verpflichtet hat und was es Österreich kosten wird, sollten die EU-Klimaziele nicht eingehalten werden. Sechs von zehn Personen wissen nicht genau, was erfolgreiche Klimaschutzmaßnahmen sind und welche Folgen die Klimakrise auf das Leben in Österreich haben wird.

Für die repräsentative Bevölkerungsbefragung wurden 1.000 Personen ab einem Alter von 16 Jahren von 5. bis 20. Juli 2022 befragt. (Julia Beirer, 17.11.2022)