Die Parteimitgliedschaft von Thomas Schmid ist derzeit ruhend gestellt.

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Bei Thomas Schmid liefen die türkisen Fäden zusammen. Und auch die türkisen Affären. Ob Inseratencausa, Interventionen bei Steuerprüfungen oder für Posten – überall war der Ex-Öbag-Chef und frühere Generalsekretär im türkisen Finanzministerium mittendrin statt nur dabei. Und es war auch Schmids Handy beziehungsweise die unzähligen daraus ausgewerteten Chatnachrichten, die all diese Affären an die Öffentlichkeit brachten.

Deshalb wurde Schmid nicht nur ausgiebig von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) einvernommen, bei der er den Kronzeugenstatus zu erlangen versucht. Sein Verhalten hat nun auch parteiinterne Konsequenzen.

Der Ethikrat der ÖVP hat am Donnerstag den Parteiausschluss des einstigen Vertrauten von Ex-Kanzler und Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz empfohlen. Vornehmen kann einen solchen aber nur die Parteispitze, die Entscheidung liegt also bei Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer.

Der Kanzler dürfte der Empfehlung des Rates folgen. Aus seinem Büro hieß es am Donnerstag: "Bundesparteiobmann Karl Nehammer und Generalsekretär Christian Stocker unterstützen die Empfehlung des Ethikrates, Thomas Schmid aus der Volkspartei auszuschließen, und werden dies auch der zuständigen Teilorganisation, dem ÖAAB Wien, nahelegen." Zuletzt war die Parteimitgliedschaft Schmids bereits ruhend gestellt.

Schwere Straftaten

Begründet hat das parteiinterne Compliance-Gremium seine Empfehlung in einer schriftlichen Erklärung damit, dass Schmid schwere Straftaten gestanden habe. Allerdings: Schmid hatte vor der WKStA nicht nur sich selbst schwer belastet – sondern auch einige der wichtigsten aktuellen beziehungsweise ehemaligen ÖVP-Funktionsträger. Allen voran den früheren Parteichef Kurz, den amtierenden Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka und den aktuellen Klubchef August Wöginger. Sie bestreiten die Vorwürfe.

Zu Schmids Aussagen vor den Korruptionsjägern der WKStA hielt der Ethikrat, der bereits am Mittwoch getagt hatte, fest: "Eine solche Vorgangsweise hat jetzt und in Zukunft für alle vergleichbaren Fälle erwiesenen schweren Fehlverhaltens zu gelten." Im Klartext: Sollte es bei einem der genannten ÖVP-Granden von Kurz abwärts ebenfalls zu einem Geständnis oder gar einer Verurteilung kommen, würde der Ethikrat dieselbe Empfehlung aussprechen wie bei Schmid. Man würde dann "höchstwahrscheinlich" ebenso einen Ausschluss aus der ÖVP nahelegen, wird auf Nachfrage des STANDARD aus dem Gremium bestätigt.

Allerdings: Im ÖVP-Verhaltenskodex, den sich die Partei 2012 selbst verordnet hatte und über den der Ethikrat wachen soll, ist klar definiert, dass sich parteiinternes Fehlverhalten keineswegs nur über eine rechtliche Beurteilung oder gar strafrechtliche Verurteilung definiere. "Anstand, Ehrlichkeit und Verantwortung sind Werte, die in unserer Volkspartei Tradition haben", heißt es gleich im ersten Absatz.

Strenger Maßstab

Von der "hohen moralischen Verpflichtung" politischer Tätigkeit ist dann die Rede und von der "Vorbildfunktion", die Politikerinnen und Politiker haben müssten, um das "Vertrauen in Staat und Politik" zu steigern. Das mache einen besonders "strengen Maßstab" an sie nötig. Noch zentraler sind zwei andere Stellen: "Im Bemühen, verloren gegangenes Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik zurückzugewinnen", heißt es, habe die ÖVP "zusätzlich zu vorhandenen gesetzlichen und statutarischen Regelungen" Standards für ihre Funktionsträgerinnen und Funktionsträger beschlossen. Politische Moral und Ethik müssten "über die strikt einzuhaltende Rechtsordnung" hinausgehen.

Die ÖVP hat damit in ihren eigenen Verhaltensleitlinien eigentlich sehr klar festgehalten, dass es nicht gerichtliche Verurteilungen oder die Grenze des Strafrechts sind, an denen der Ethikrat ein Fehlverhalten von Funktionären bemisst.

Aktuell will der Parteirat die Vorwürfe, die gegen Kurz oder Sobotka im Raum stehen und von den WKStA-Ermittlern untersucht werden, trotzdem nicht beurteilen. Begründung: Es habe "diesbezüglich die Unschuldsvermutung" zu gelten. Man werde die weitere Entwicklung aber "aufmerksam beobachten und begleiten". Aus den aktuell verfügbaren Informationen seien allerdings "keine neuen Sachverhalte hervorgegangen".

Mangelnder Respekt

Es sei ein großer Unterschied, dass Schmid bereits gestanden habe, während Kurz, Sobotka und Wöginger die Vorwürfe bestreiten, heißt es zum STANDARD. Ob die vorliegenden Chats, etwa auch von Kurz, dem Verhaltenskodex nicht bereits deutlich widersprächen, will man nicht klar beantworten.

Die Wortwahl in Schmids Chats sowie der "mangelnde Respekt" darin seien jedenfalls "völlig unangemessen und abzulehnen", ließ der Ethikrat in seiner Aussendung ebenfalls wissen. Sie widersprächen dem ÖVP-Verhaltenskodex.

Festgehalten wurde vom Ethikrat, dass es sich um nicht öffentlich getätigte Äußerungen handelte, die ohne Beachtung von Datenschutz und Privatsphäre veröffentlicht worden seien. "Vor allem wurden sie auch ohne Rücksicht auf sämtliche Begleitumstände und aus dem Zusammenhang gerissen öffentlich."

Reaktionen

Politologe Peter Filzmaier sagte am Donnerstagabend in der "ZiB2", er könne die Argumentation des Ethikrats teilweise nachvollziehen. Für ihn sei aber etwa unlogisch, warum für einige ÖVP-Granden mit der Unschuldsvermutung argumentiert werde, für Schmid diese aber anscheinend nicht gelte. Zudem sei er verwundert, dass sich der Ethikrat auf strafrechtliche Aspekte beziehe und nicht auf moralische und ethische.

Politologe Peter Filzmaier in der "ZiB2".
ORF

Die SPÖ fragte sich angesichts der Empfehlung, Schmid aus der Partei auszuschließen, warum dies nicht auch im Fall anderer verdächtigter Politiker und Politikerinnen der ÖVP geschieht. Für Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch ist die Reaktion "zu spät, widersprüchlich und völlig inkonsequent". Als "reinste Augenauswischerei" bezeichnete FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker die Empfehlung des ÖVP-Ethikrates.

Die Einvernahme Schmids bei der WKStA soll laut "Kurier" indes beinahe abgeschlossen sein. Die Tageszeitung verweist dabei auf ein Schreiben der Staatsanwälte an die Parlamentarier. Demnach sei nur noch ein Sachverhaltskomplex offen, und dieser sollte voraussichtlich Anfang Dezember erledigt sein. Damit könnte Schmid doch noch einmal vor den U-Ausschuss geladen werden. Denn dieser läuft eigentlich mit 7. Dezember aus, und Neos wollten einer Verlängerung nur zustimmen, wenn dies einer neuerliche Einvernahme des Ex-ÖBAG-Chefs dient. (Martin Tschiderer, red, 17.11.2022)