Eine Demonstrantin protestiert am 8. November für höhere Löhne in der Sozialwirtschaft.

Foto: IMAGO/SEPA.Media

In der Nacht auf Donnerstag haben sich die Sozialpartner der Sozialwirtschaft nach 16 Verhandlungsstunden auf den Kollektivvertrag geeinigt. Demnach werden die Löhne und Gehälter um bis zu 10,2 Prozent steigen. Das gaben die Gewerkschaften GPA und Vida nach einer Einigung in der vierten Runde mit dem Arbeitgeberverband SWÖ bekannt. 130.000 Beschäftigte in der Sozialwirtschaft, also dem privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich, sind davon betroffen.

Vereinbart wurde eine Erhöhung um acht Prozent für alle, wobei die Gehälter monatlich mindestens um 175 Euro erhöht werden. Dadurch kommt die unterste Einkommensgruppe auf eine Gehaltserhöhung von 10,2 Prozent. Insgesamt profitiere fast ein Drittel der Beschäftigten vom Mindestbetrag, hieß es. Teilzeitgehälter werden aliquot erhöht.

Höher als in anderen Branchen

Damit fällt die Erhöhung in der Sozialwirtschaft höher aus als in anderen Branchen. Bei den Metallern beispielsweise, traditionell dem Schrittmacher bei Kollektivvertragsverhandlungen, war die Erhöhung geringer ausgefallen: Löhne und Gehälter steigen rückwirkend ab 1. November um durchschnittlich 7,4 Prozent.

Allerdings hatten die Arbeitnehmer in der Sozialwirtschaft auch deutlich mehr gefordert als ihre Pendants bei den Metallern: Zu Beginn der Verhandlungen hatte sich die Gewerkschaft ein Lohnplus von 15 Prozent und mindestens 350 Euro bei einer Vollzeitanstellung gewünscht. Die Metaller – wie auch der Handel – hingegen hatten sich am Anfang der Verhandlungen mit der vergleichsweise bescheidenen Forderung von zehn Prozent zufriedengegeben.

Die Sozialwirtschaft hingegen forderte nicht nur kräftiger, sie verlieh ihrem Ansinnen auch lautstark Ausdruck: In der Vorwoche gab es eine Demo und zahlreiche Betriebsversammlungen, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen. Streiks wurden angedacht – ehe es zur nunmehrigen Einigung kam.

Unterbezahlt und zurückgelassen

Warum fällt die Erhöhung in der Sozialwirtschaft höher aus? Bereits seit Jahren fühlen sich viele Pflegekräfte in Österreich unterbezahlt und zurückgelassen. "Die Kolleginnen und Kollegen im Gesundheits- und Sozialbereich sind seit drei Jahren im Krisendauereinsatz. Sie brauchen eine Abgeltung deutlich über der Teuerung, damit sie sich ihr Leben weiter finanzieren können", erklärte Eva Scherz, Chefverhandlerin der GPA. Dazu komme, dass sich der Personalmangel in der Branche immer weiter verstärke, was zusätzliche Belastungen mit sich bringe.

Nun also fällt das Plus tatsächlich spürbar höher aus als bei den Metallern und in anderen Branchen. Angesichts eines Sektors, der immer dringlicher mit Arbeitskräftemangel kämpft und dessen Bedeutung angesichts der Alterung der Gesellschaft stets zunimmt, ist dieses Plus auch notwendig und gerechtfertigt.

Letztlich zahlt der Staat

Wer aber wird für die höheren Löhne aufkommen müssen? Klare Antwort: zum Gutteil der Staat und dessen Einrichtungen.

Auch wenn die Einigung formell privates Pflegepersonal und Freizeitbetreuerinnen betrifft, kommen deren Gehälter doch großteils von der öffentlichen Hand. Die großen Arbeitgeber sind Volkshilfe, Hilfswerk, Caritas Socialis. Sie bekommen den größten Teil der Ausgaben fürs Pflegepersonal von den Ländern ersetzt. Das Budget der Caritas beispielsweise besteht zu rund zwei Dritteln aus öffentlichen Mitteln. Ein weiterer großer Geldgeber der übrigen Vereine im Sektor sind AMS und die Gemeinden. Fazit: Die Erhöhung ist notwendig, die Kosten dafür tragen letztlich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. (Joseph Gepp, 17.11.2022)