Das "Exxpress"-Gründerduo: Eva Schütz und Richard Schmitt.

Foto: Christian Fischer

Wien – Das ÖVP-nahe Boulevardmedium "Exxpress" sorgt mit der Veröffentlichung einer als antisemitisch eingestuften Karikatur für heftige Kritik. In dem Artikel "FTX, Selenskyj, Biden: Der Krypto-Milliarden-Krimi, der vertuscht werden soll" war eine Karikatur eingebettet, die den US-amerikanischen Unternehmer und Gründer der Kryptowährungsbörse FTX, Sam Bankman-Fried, zeigt. FTX hatte – wie berichtet – vergangene Woche in den USA Gläubigerschutz beantragt, nachdem Kunden als Reaktion auf die heimliche Verschiebung von Einlagen im Volumen von zehn Milliarden Dollar massenhaft Gelder abgezogen hatten.

In der US-Karikatur ist Bankman-Frieds Kopf in einem Kanaldeckel zu sehen, aus dem Ratten kriechen. US-Präsident Joe Biden und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj werden als Teil seines finanziellen Netzwerks mit Rattenschwänzen dargestellt. Die Karikatur stammt von Ben Garrison, dessen Karikaturen bereits mehrfach als antisemitisch, rassistisch und sexistisch kritisiert wurden. Garrison hat seine Fans in der rechten Alt-Right-Bewegung, er selbst sieht sich als Libertärer und Verfechter der Meinungsfreiheit.

Update um 17 Uhr: Karikatur entfernt

Nach der heftigen Kritik hat "Exxpress" die Karikatur anscheinend aus dem Artikel entfernt und durch eine andere Illustration ersetzt, wie ein Twitter-Account unter dem Namen "Björn Björnsen" hinweist.

IKG: "Antisemitisches Stereotyp"

Für Benjamin Nägele, de Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde, spielt Garrisons Karikatur jedenfalls klar mit antisemitischen Codes: "Der geldgierige und mit Geld die Politik korrumpierende hakennasige Jude ist ein klassisches antisemitisches Stereotyp, das besonders im Nationalsozialismus vielfach zu Propagandazwecken verwendet wurde." Der Karikaturist Ben Garrison sei in der Vergangenheit bereits mehrfach mit "klar antisemitischen Karikaturen aufgefallen", sagt Nägele zum STANDARD. Und: "Es ist nicht hinnehmbar, dass ein österreichisches Medium, das zudem öffentliche Förderungen erhält, solche Karikaturen verbreitet."

Förderung

"Exxpress" bekam etwa aus dem Privatrundfunkfonds für das zweite Halbjahr 2022 eine Förderung für den Bewegtbildkanal Exxpress TV in der Höhe von 117.000 Euro. Laut dem gerade in Begutachtung befindlichen neuen Gesetz zur Medienförderung der schwarz-grünen Regierung sollen auch Onlinemedien einbezogen werden. Die Kriterien sind etwa, dass sie mindestens 30 Millionen Zeichen im Jahr veröffentlichen und über eine gewisse Reichweite verfügen – zumindest 300.000 Unique User pro Monat.

Blimlinger: "Wer zu Hass aufstachelt", dürfe nicht gefördert werden

Das könnte sich theoretisch für "Exxpress" ausgehen. Wenn es nach der Grünen-Mediensprecherin und Verhandlerin Eva Blimlinger geht, ist eine Förderung aber alles andere als selbstverständlich. Ganz im Gegenteil. Blimlinger schrieb am Mittwoch auf Twitter: "Im eXXpress werden Juden mit Hakennasen und als Ratten dargestellt, an anderer Stelle beruft man sich auf einen Holocaust-Leugner. Darum verschärfen wir die Ausschlussgründe in der Förderung, wer zu Hass aufstachelt, darf keine Förderung erhalten."

Im Gesetzestext, der gerade in Begutachtung ist, werden Ausschlussgründe für den mit 20 Millionen Euro pro Jahr dotierten Fördertopf definiert. Unter anderen Kriterien für die Vergabe steht, dass Medieninhaber von der Förderung ausgeschlossen seien, in deren Medien im Jahr, für das die Förderung beantragt wird, oder in den beiden vorangegangen Jahren ...

".... zu Hass oder Gewalt gegen eine Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer Gruppe auf Grund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung aufgestachelt wurde".

Grüne: Verschärfungen in zweierlei Hinsicht

Aus dem Büro der grünen Mediensprecherin Eva Blimlinger heißt es auf STANDARD-Anfrage, dass über die Förderungswürdigkeit von Medien ein Beirat der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) entscheide, aber: Der Gesetzgeber könne die Grundlage schaffen. Und im neuen Gesetz seien in zweierlei Hinsicht Verschärfungen vorgesehen: "Einerseits stellt der §1 auf die 'gebotene Sorgfalt hinsichtlich Faktizität und Quellenherkunft in Redaktionen' ab, was im vorliegenden Fall bei der Berufung auf einen Holocaustleugner nicht gegeben ist. Zweitens haben wir die Ausschlussgründe aus dem strengeren Publizistikförderungsgesetz übernommen, siehe §5 Abs.2 Z.4." Das ist der oben erwähnte Paragraf.

Mit dem Holocaustleugner ist Hal Turner gemeint. "Exxpress" berichtete unter Berufung auf den Rechtsextremisten und Verschwörungserzähler, dass die Ukraine an der Kryptobörse FTX mit Kryptowährungen spekuliert und so Hilfsgelder versenkt haben soll – der STANDARD berichtete darüber.

DÖW: "Bilderrepertoire des Antisemitismus"

Die FTX-Karikatur stößt auch bei Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) auf Kritik. Der Zeichner greife – "bewusst oder unbewusst – auf das über Jahrhunderte angehäufte Bilderrepertoire des Antisemitismus zurück", so Peham auf STANDARD-Anfrage: "Von der spezifischen Nase über die gekräuselten Haare, das Dämonische, ja Diabolische bis zu den Ratten und der Unterwelt, mit welchen das Objekt des Hasses in Verbindung gebracht wird."

Schütz und Schmitt

"Exxpress" wurde von der ÖVP-nahen Rechtsanwältin Eva Schütz gegründet. Sie war zu türkis-blauen Zeiten Vize-Kabinettschefin im Finanzministerium unter Minister Hartwig Löger (ÖVP) und Büroleiterin von Thomas Schmid. Als Chefredakteur und Mitgesellschafter fungiert der langjährige Boulevardjournalist Richard Schmitt ("Krone", Mediengruppe Österreich, "Heute"). Er scheint auch als Verfasser des Artikels mit der inkriminierten Karikatur auf.

Auf Twitter kommentierte Schmitt einen Tweet von Luis Paulitsch vom Presserat, der von einer "widerlichen antisemitischen Karikatur" schrieb, so: "Da wird niemand als 'Ratte' dargestellt – null. Sie haben eine kranke Fantasie, lassen Sie sich behandeln. Ungeheuerlich." Er forderte Paulitsch zur Löschung des "Drecks-Tweets" auf.

Presserat: Codes aus der NS-Zeit

Die Karikatur halten nicht nur die grüne Mediensprecherin Blimlinger und Nägele von der Israelitischen Kultusgemeinde für höchst problematisch, sondern auch Alexander Warzilek, Geschäftsführer des Österreichischen Presserats. Grundsätzlich gebe es bei der Satire und Karikaturen mehr Spielraum in Sachen Medienethik, aber er definiert auch hier Grenzen: "wenn es etwa um massive Diskriminierungen geht und die Menschenwürde". Und diese Karikatur arbeite mit Codes, die man aus der NS-Zeit kenne.

Die Darstellung von Juden mit übergroßen Nasen sei damals typisch gewesen. "Besonders heikel ist, dass Menschen als Ratten oder Halbratten dargestellt werden. Das ist typisch für den Nationalsozialismus und gehe mit Vernichtungsfantasien einher." Ratten seien das "klassische Beispiel im Zusammenhang mit Juden", sagt Warzilek zum STANDARD. Er stuft die Karikatur als "diskriminierend und antisemitisch" ein. Der Karikaturist sei auch kein unbeschriebenes Blatt und habe bereits mehrfach mit antisemitischen Sujets und sexistischen Veröffentlichungen für Aufregung gesorgt.

Presserat erwägt Ausweitung auf Onlinemedien

Für reine Onlinemedien wie den "Exxpress" ist der Presserat nicht zuständig. Es gebe aber Überlegungen des Trägervereins, die Zuständigkeit auf Onlinemedien auszuweiten, sagt Warzilek. Im Jänner werde es zu dem Thema eine Sitzung des Trägervereins geben, der sich aus diversen Medien, der JournalistInnengewerkschaft in der GPA oder dem Presseclub Concordia zusammensetzt. Langfristig wünscht er sich, dass der Presserat, der erst kürzlich Regional- und Communitymedien einbezogen hat, für alle professionellen Medien verantwortlich ist. Also auch für Fernsehen und Radio.

DER STANDARD hat Schmitt Donnerstag am frühen Nachmittag um eine Stellungnahme gefragt. Sollte sie noch eintreffen, wird der Artikel ergänzt. (Oliver Mark, 17.11.2022)