Am 1. April 1939 wurde der spätere SPÖ-Bürgermeister Franz Fekete in die SS aufgenommen. Seit 2001 ist das Kapfenberger Fußballstadion nach Fekete benannt.

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Auch 13 Jahre nach seinem Tod wird über den ehemaligen Langzeitbürgermeister der steirischen Industriestadt Kapfenberg in höchsten Tönen geredet. Legendär und besonders volksnah war Franz Fekete (SPÖ), bescheinigten ihm Weggefährten. Ein Macher, einer, der immer an der Seite der sogenannten kleinen Leute stehe.

Wie sehr Fekete Kapfenberg in seiner Zeit als Bürgermeister geprägt hat, ließ Artikel der "Kleinen Zeitung" erahnen, die anlässlich seines 100. Geburtstags am 21. September des vergangenen Jahres erschienen. Einer mit dem Titel: „Sein Denkmal ist in den Herzen der Menschen“.

"Ich habe mein Denkmal in den Herzen der Bevölkerung."

Fekete gab in den Jahren 1963 bis 1987 in Kapfenberg den Ton an. Wie sehr seine Politik ankam, zeigte sich bei der Gemeinderatswahl im Jahr 1980, als er für die SPÖ 83 Prozent der Stimmen holte. Ein auch für die damalige Zeit unglaubliches Ergebnis, das ihm den Spitznamen „Mister 83 Prozent“ einbrachte.

„Was für den Gläubigen die Kirche, soll für den Bürger das Rathaus sein“, lautet ein Leitsatz Feketes. "Ich habe die Sorgen der Menschen zu meinen Sorgen gemacht", ein anderer. Über seine Popularität wusste er genau Bescheid. „Ich habe mein Denkmal in den Herzen der Bevölkerung“, sagte der Langzeitbürgermeister 2001 in einem Interview.

2001 wurde aus dem Alpen- das Franz-Fekete-Stadion

Ein bauliches Denkmal setzte ihm Kapfenberg schon zu Lebzeiten. Die Stadt benannte ihr Fußballstadion im Jahr 2001 von Alpenstadion in Franz-Fekete-Stadion um. Seither ist der Name wohl jedem und jedem bekannt, der/die sich in Österreich für Fußball interessiert. Der Fußballplatz ist die Heimstätte des Kapfenberger SV (KSV 1919), der in der zweiten Liga spielt. Zum 100. Geburtstag wurde eine Pokalpartie zwischen dem KSV und der Wiener Austria gewidmet.

Der Eingang zum Franz-Fekete-Stadion im steirischen Kapfenberg.
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Wer allerdings in Feketes Vita weiter zurückblickt, entdeckt, worüber im Nachkriegsösterreich gerne der Mantel des Schweigens gebreitet wurde. Der beliebte Bürgermeister war Mitglied der SS, jener Organisation, die untrennbar mit der Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden verbunden ist. Einheiten der Waffen-SS bewachten Konzentrations- und Vernichtungslager, Ärzte der Waffen-SS machten grausame Menschenversuche. Das Fußballstadion in Kapfenberg ist damit wohl das weltweit einzige, das nach einem ehemaligen SS-Mann benannt ist.

Am 1. April 1939 trat er der SS bei

Unterlagen aus dem Bundesarchiv in Berlin belegen, dass Fekete nach dem sogenannten Anschluss Österreichs an Deutschland der SS beitrat, und zwar einer Einheit, zu deren Aufgaben auch die Bewachung von Konzentrationslagern gehörte und die während des Zweiten Weltkriegs an Kriegsverbrechen beteiligt war.

Laut diesen Dokumenten wurde Fekete am 1. April 1939 als SS-Mann unter der SS-Nummer 135982 in die 1. Kompanie der 3. SS-Totenkopfstandarte "Thüringen" am Standort Weimar-Buchenwald aufgenommen. "Diese Einheit war eine von drei Standarten, die am 1. Juli 1937 aus den bisherigen Totenkopf-Sturmbannen hervorgegangen waren. Deren Mitglieder erhielten an den großen KZ-Standorten Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald eine militärische Grundausbildung, waren aber auch mit der Bewachung der Häftlinge der Konzentrationslager betraut", erklärt der Wissenschafter Holm Kirsten, der die historische Sammlung der KZ-Gedenkstätte Buchenwald im deutschen Thüringen leitet.

Gefangene aus Österreich

Als Fekete in der SS-Kaserne in Buchenwald seinen Dienst antrat, wurden im dazugehörigen Konzentrationslager zahlreiche Menschen aus Österreich gefangen gehalten: Gegner der Nationalsozialisten, Kommunisten, Sozialisten, Juden sowie Personen, die nicht in das NS-Weltbild passten, wurden seit 1938 in die Lager nach Deutschland verschleppt.

Für sie und die anderen Gefangenen bedeutete dies ein andauerndes Martyrium, das oftmals mit dem Tod endete. So wurden Gefangene von den Wachmannschaften aus reiner Langeweile ermordet, bei Verfehlungen gegen die Lagerordnung gab es drakonische Strafen. Weil zwei Häftlinge fehlten, dauerte etwa der Abendappell am 14. Dezember 1938 in Buchenwald 19 Stunden bei minus 15 Grad. Dabei erfroren mehr als 70 Häftlinge. Der Appellplatz war in den Konzentrationslagern der zentrale Platz auf dem Häftlingsgelände, auf dem morgens und abends der Zählvorgang (Appell) der Häftlinge stattfand.

Das von der SS geleitete Konzentrationslager Buchenwald. In Buchenwald wurden Regimegegner, Vorbestrafte, Nichtsesshafte, Homosexuelle, Sinti und Roma und Juden interniert.
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"Jedem das Seine" – das berüchtigte Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald.
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Andere starben in diesen Tagen an Krankheiten wie Typhus oder kamen um, weil sie es einfach nicht mehr schafften, täglich elf Stunden lang schwerste Arbeiten zu verrichten. Wer versuchte, sich auszuruhen, wurde entweder sofort totgeschlagen oder in eine Strafkompanie versetzt, was einem Todesurteil gleichkam.

Britische Kriegsgefangene erschossen

Nach dem Überfall Deutschlands auf Polen und dem damit verbundenen Ausbruch des Zweiten Weltkriegs änderten sich die Aufgaben der SS-Einheit, in der Fekete diente. "Ab dem 1. Oktober 1939 wurden die Angehörigen der 3. Standarte gemeinsam mit den Standarten 'Oberbayern' und 'Brandenburg' nach Dachau verlegt und dort aus diesen Einheiten die 3. SS-Division 'Totenkopf' gebildet, die ab Mai 1940 an der Besetzung Frankreichs beteiligt war und für viele Kriegsverbrechen verantwortlich war", erklärt der Historiker Kirsten. So erschossen am 27. Mai 1940 Angehörige der Division im französischen Le Paradis 97 britische Kriegsgefangene. Es war das erste von vielen Kriegsverbrechen der Truppe.

"Feuerwehr des Führers"

In den letzten zwei Jahren des Zweiten Weltkriegs diente die "Totenkopf"-Division an der Ostfront als "Feuerwehr des Führers", so der von Zeitgenossen verwendete Begriff. Sie wurde etwa bei der Niederschlagung des Warschauer Aufstands 1944 eingesetzt.

Die Truppenstammrolle von Fekete.
Foto: Bundesarchiv

Anhaltspunkte oder Beweise für Gräueltaten, in die Fekete direkt involviert war, liegen nicht vor. Aus den Unterlagen des Berliner Bundesarchivs geht hervor, dass Fekete mehrmals verwundet und mit Orden überhäuft wurde. Ihm wurde die Silberne Nahkampfspange zweiter Stufe verliehen, die insgesamt nur einige Tausend Soldaten erhielten. Er war einer der höchstdekorierten SS-Männer überhaupt, sein höchster bekannter militärischer Rang war SS-Hauptscharführer. 1944 war er in Warschau stationiert. Vermerkt ist auch, dass er von 1934 bis 1938 in der Hitlerjugend war.

"Derrick" und ein Minister einer SPÖ-Regierung

Neben Fekete waren auch der 2008 verstorbene deutsche Schauspieler und "Derrick"-Darsteller Horst Tappert und der österreichische Kurzzeit-Landwirtschaftsminister (21. April bis 22. Mai 1970) Johann Öllinger Mitglieder der "Totenkopf"-Division. Tapperts erst nach seinem Tod bekannt gewordene SS-Vergangenheit ist der Grund, warum keine "Derrick"-Krimis mehr im linearen Fernsehen zu sehen sind. Öllinger trat "aus gesundheitlichen Gründen" wenige Tage nach seiner Ernennung zum Minister zurück, nachdem seine SS-Mitgliedschaft publik geworden war und international für Schlagzeilen gesorgt hatte. Sein Nachfolger im Amt wurde Oskar Weihs, ebenfalls ein ehemaliges NSDAP-Mitglied.

Braune Flecken in der SPÖ

Öllinger und Weihs waren Minister im ersten rein sozialdemokratischen Kabinett der Republik Österreich. Sie wurden vom damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky in die Regierung geholt, der sich schützend vor Öllinger stellte und von einer "Kampagne" sprach. Ein unrühmliches Stück der Parteigeschichte der SPÖ, die erst 2005 aufgearbeitet wurde, nachdem der damalige SPÖ-Vorsitzende und Bundeskanzler Alfred Gusenbauer eine Studie über die "braunen Flecken" seiner Partei in Auftrag gegeben hat.

Der spätere SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky musste nach dem "Anschluss" Österreichs im März 1938 nach Schweden fliehen, um einer Verhaftung und/oder Ermordung zu entgehen. Später holte er einen ehemaligen SS-Mann in sein Kabinett.
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Eines der Ergebnisse: Unter den SP-Abgeordneten im Nationalrat, im Bundesrat sowie in den Landtagen waren nach 1945 zehn Prozent ehemalige NSDAP-Mitglieder.

Opfer der Nationalsozialisten vergessen

Die Studie belegt auch, wie rasch die SPÖ die Opfer der Nationalsozialisten vergessen hatte. Als die rund 688.000 ehemaligen österreichischen NSDAP-Mitglieder wieder an Wahlen teilnehmen konnten, buhlte die SPÖ um deren Stimmen, sagt die Wiener Universitätsprofessorin Maria Mesner. So wie die ÖVP und auch die KPÖ.

Der Verband der Unabhängigen und seine spätere Nachfolgerin, die FPÖ, wurden als Sprachrohr und politischer Arm ehemaliger Nationalsozialisten gegründet. Erster Parteichef der Freiheitlichen war Anton Reinthaller, ein ehemaliger SS-Brigadeführer. Sein Nachfolger Friedrich Peter war SS-Obersturmführer einer berüchtigten Mordeinheit.

SPÖ entschuldigte sich bei NS-Opfern und Angehörigen

Schon ab den 1950er Jahren wurde über die Nationalsozialisten in der SPÖ nur mehr selten geredet. Bei der Präsentation der Studie, an der Mesner maßgeblich mitgearbeitete, entschuldigte sich Gusenbauer namens der SPÖ ausdrücklich bei den Opfern des Nationalsozialismus und ihren Angehörigen, "wenn die Partei in der Vergangenheit durch politische Maßnahmen der Leiden nicht oder nicht ausreichend gewürdigt hat".

"Nicht drüber reden"

Das "Nicht darüber reden" prägte bis in die 1980er Jahre den Umgang mit der NS-Vergangenheit Österreichs. Erst die Auseinandersetzung rund um die Wahl des ehemaligen Wehrmachtsoffiziers Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten ändert dies.

Franz Fekete wird in der SPÖ-Studie nicht erwähnt. Seine SS-Vergangenheit war zu seinen Lebzeiten viele Kapfenberger und Kapfenbergerinnen bekannt, aber selten ein Thema. Und schon gar kein Thema, das groß aufregte. Selbst nicht, als der 2008 verstorbene FPÖ-Chef Jörg Haider die Vergangenheit ansprach. Als Haider 1995 unter Druck kam, nachdem er bei einem Auftritt vor ehemaligen SS-Veteranen diese als "anständige Menschen mit Charakter" bezeichnet hatte, folgte er den "roten Bürgermeister von Kapfenberg" ins Treffen, um seine Aussage zu rechtfertigen.

"Kapfenberg war sich der Vergangenheit von Franz Fekete bewusst."

Trotz Feketes SS-Vergangenheit hat sich der Kapfenberger Gemeinderat 2001 dafür entschieden, das Stadion nach ihm zu benennen. „Kapfenberg war sich zur Zeit der Umbenennung des Alpenstadions im Jahr 2001 der Vergangenheit von Franz Fekete bewusst“, heißt es Seiten der Stadt dazu zum STANDARD. Und: „Fekete wurde jedoch ausschließlich anhand seiner Verdienste als Bürgermeister der Stadt Kapfenberg sowie anhand seiner Leistung als Verfechter des europäischen Gedankens und seines Einsatzes für Frieden und Menschenwürde aufgestellt.“ Aber Kapfenberg nehme diese Thematik "sehr ernst und steht einem Diskurs offen gegenüber". (Markus Sulzbacher, 21.11.2022)

UPDATE 18:32: Die Bundesliga hat auf den Artikel mit einer Aussendung reagiert.

Darin heißt es: "Die Bundesliga und der ÖFB können zwar die Bezeichnung des Stadions nicht ändern, werden den Namen jedoch ab sofort nicht mehr verwenden und zukünftig im Meisterschaftsbetrieb, im Cup und auf allen Kanälen vom "Stadion Kapfenberg" sprechen."