Analysierte in ihrem Werk das zwischenmenschliche Spiel von Macht und Geschlecht: Ingeborg Bachmann.

Foto: Heinz Bachmann/Familienarchiv Bachmann

Ingeborg Bachmanns Tod jährt sich 2023 zum 50. Mal. Im Oktober 1973 starb die Autorin infolge eines Feuers in ihrer Wohnung in Rom, ausgelöst durch eine brennende Zigarette. Ihre Medikamentenabhängigkeit führte zu Komplikationen im Krankenhaus, sie wurde nur 47 Jahre alt.

Zum Einstieg in das Gedenkjahr erscheint kommende Woche unter dem Titel Wir haben es nicht gut gemacht auf 1040 Seiten kommentiert ihr Briefwechsel mit dem Kollegen Max Frisch, mit dem Bachmann von 1958 bis 1962 eine Liebesgeschichte mit vielen Aufs und Abs verband: "Es ist furchtbar zu glauben, dass man dem Mann, den man liebt, nicht genügt hat und keine wirkliche Freude war." (Brief Bachmanns) Auch wenn die Briefe erstmals publiziert werden (Piper/Suhrkamp), sind sie der Forschung schon lange zugänglich. Revolutionäre Erkenntnisse sind daher keine zu erwarten.

Studentin Bachmann

Zum Teil kommen die Schriften aus Beständen der Nationalbibliothek (ÖNB) in Wien. Bereits 1978 war der Nachlass der Autorin als Schenkung ihrer Geschwister ins Haus gekommen, seither baut die ÖNB die Sammlung aus, kauft zu, um Lücken zu füllen. Zuletzt erwarb man Studienunterlagen wie Entlehnscheine.

Die nun im Literaturmuseum der ÖNB angelaufene Ausstellung Eine Hommage kann also aus dem Vollen schöpfen: von Gedichten aus dem Jugendwerk Bachmanns über Fragmente zu nicht vollendeten Texten, Manuskripte, Typoskripte bis hin zu Fotografien, privaten Filmaufnahmen und Dokumenten. Persönliches verrät etwa eine Zollerklärung, 1954 in Klagenfurt ausgefüllt, für ein Paket, das die Mutter der Autorin nach Rom schickte, wo jene seit einem Jahr lebte. Darin: ein Kostüm, Leintücher, ein Kissenbezug.

Fast alle Ausstellungsstücke werden zum ersten Mal in einer Schau gezeigt. Geordnet ist diese in zehn Stationen, von Krieg und Krankheit über Geschlechterverhältnisse bis zu Musik oder dem Eindruck, den Bachmann auf Kolleginnen machte.

Undankbares Geschäft

Nun sind Literaturausstellungen ein undankbares Geschäft: Leben wie Werk von Schreibenden bestehen nämlich großteils aus bedruckten Seiten. Und die schauen für Nichtspezialisten nach drei Vitrinen alle gleich aus. Der Sammeleifer der ÖNB in Ehren, aber dem entgeht auch die Ausstellung nicht.

Und so erlebt man neben vielen Erstausgaben und Typoskripten (teils mit handschriftlichen Korrekturen) auch die Dichterin beim Lesen ihrer Anrufung des großen Bären, erblickt ihre Schreibmaschine oder Zigarettenpackung. Rätsel gibt ein Notizblatt Hans Weigels auf, der 1952 bei einer Tagung der Gruppe 47 eine Stricherlliste der Teilnehmenden führte: Bachmann hat nur eines, neben anderen Namen stehen über fünf. Was zählte er da?

Das routinierte "Einmal alles über XY"-Konzept bietet einen properen Überblick. Bachmann ist aber keine Unbekannte. Man hat das Gefühl, ein klarerer Fokus und kreativerer Zugang wären fruchtbarer und spannender gewesen. (Michael Wurmitzer, 17.11.2022)