Steigende Zinsen, strengere Kreditvergaberegeln, hohe Preise – am Wohnimmobilienmarkt bahnt sich eine Zeitenwende an. Im dritten Quartal haben sich die Preise bereits eingebremst, nun beschäftigt Wohnungssuchende und Häuslbauerinnen die Frage, wie es weitergeht. Drei Szenarien zur Zukunft des Marktes.

Der wolkenlose Himmel ist am Immobilienmarkt – vorerst – Geschichte.
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1. Die Preise steigen weiter

Zinswende hin oder her, preislich ist "the sky the limit": Das ist ein nicht ganz ausgeschlossenes Szenario. Immerhin sind die Zeiten ungewiss wie nie, was für das Betongold immer schon von Vorteil war. Das hat man auch in der Corona-Pandemie gesehen, sagt der Ökonom Michael Klien vom Wifo: "Aufgrund der hohen Inflation und der Unsicherheit sind Immobilien immer noch ein werthaltiges Investment." Klien hält es daher für nicht ganz ausgeschlossen, dass es 2023 wieder eine "leicht steigende" Entwicklung bei den Preisen geben wird.

Der Theorie können auch andere etwas abgewinnen. "Langfristig gesehen werden die Immobilienpreise weiter steigen", denkt auch Remax-Österreich-Chef Bernhard Reikersdorfer. Der Preis wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt – und hier tut sich nach Ansicht von Expertinnen und Experten auf beiden Seiten gerade sehr viel.

Das Angebot ist bei Remax in den vergangenen vier Monaten "deutlich gestiegen", sagt Reikersdorfer – was aber auch daran liegt, dass sich die Vermarktungsdauer wesentlich verlängert hat, die Objekte bleiben also länger in der Datenbank. "Für manche Objekte wird es nur noch zwei oder drei Interessenten geben", Preissteigerungen wie in den vergangenen beiden Jahren werde man deshalb nicht mehr sehen, ist sich Reikersdorfer sicher.

Andererseits mehren sich auch die Berichte, dass potenzielle Verkäufer jetzt zuwarten, weil sich in ungewissen Zeiten niemand von einer Immobilie trennt, der oder die das nicht muss, oder eben auf eine baldige Fortsetzung des Aufwärtstrends hofft, der in Österreich immerhin nun schon seit 18 Jahren anhält.

Noch ein Indiz für ein Steigen der Preise: Die Baupreise sind weiterhin hoch und werden mit dem Ansteigen der Personalkosten mit Jahreswechsel noch einmal steigen, wie der Wohnbauforscher Wolfgang Amann betont. Und auch Baugrundstücke werden wohl nicht billiger werden, denn der Druck auf die Politik, der Verbauung und Zersiedelung Österreichs Einhalt zu gebieten, wird noch weiter steigen.

2. Die Preise rasseln in den Keller

In Ländern wie Irland oder Spanien ist es in den 2000er-Jahren passiert: Dort sind nach Jahren der Spekulation Immobilienblasen geplatzt und die Preise stark gesunken. Hierzulande ist eine solche Entwicklung aber eher unwahrscheinlich, eine Blase will am Immobilienmarkt nämlich niemand erkennen. Die Immobilienverschuldung mache derzeit 33 Prozent des BIPs aus, damit liege man unter dem Niveau Deutschlands und der Eurozone, argumentiert Matthias Reith von Raiffeisen Research, auch die Arbeitslosenrate deutet derzeit auf keine aufziehenden Wolken hin.

Auch, dass es derzeit kaum Notverkäufe durch Kreditnehmerinnen und Kreditnehmern gibt, die ihre Raten nicht mehr zurückzahlen können, spricht gegen Szenario Nummer zwei. Eine solche "erzwungene Angebotsausweitung" sei für deutliche Preiskorrekturen aber notwendig. Michael Klien betont, dass solche Notverkäufe nur der letzte Ausweg sind und vorher bei allen anderen Ausgaben zurückgeschraubt wird. Auch die Zinsentwicklung spielt hier eine Rolle. Mit zeitlicher Verzögerung könnten manche also durchaus noch ins Straucheln kommen.

Denn etwas mehr als fünf Prozent der Haushalte gelten laut der Oesterreichischen Nationalbank als vulnerabel, also finanziell leicht verletzbar. Diese Haushalte haben zwar mehr Konsum- als Wohnkredite. Doch ein Zinsplus von nur einem Prozent samt der Inflation von zehn Prozent lässt den Anteil der vulnerablen Haushalte auf über sechs Prozent steigen. Die aktuellen Zinserhöhungen treffen daher viele, hinzu kommen ja noch die hohen Energiekosten. Der Anteil variabel verzinster Kredite liegt in Österreich bei 47 Prozent und damit weit höher als im Euroraum mit knapp 20 Prozent. Diese Kredite sind von den Zinsanstiegen voll betroffen.

Aber zumindest derzeit gibt es eben noch keine Anzeichen, dass sich hier Probleme anbahnen. "Und wenn es keine markante Krise gibt, werden nicht viele Menschen jetzt zum ungünstigen Zeitpunkt ihre Immobilien verkaufen", sagt Klien.

3. Die Preise stagnieren

Für die meisten befragten Experten das wahrscheinlichste Szenario: Die Preise stagnieren beziehungsweise sinken in manchen Teilen des Landes sogar leicht. Das hört man jetzt bereits von Maklerinnen und Maklern. Michael Klien vom Wifo vergleicht die aktuelle Situation mit den 1990er-Jahren. Damals kam es aufgrund einer geplanten Weltausstellung in Wien zu massiver Spekulation – und danach landesweit zu einem Abschwung am Markt.

Fünf bis sechs Jahre habe es dann im ganzen Land stagnierende Preise und teilweise sogar leichte Rückgänge gegeben, damals seien sogar die Bodenpreise leicht zurückgegangen. Ab 2002 und 2003 sind die Preise dann wieder gestiegen.

Auch beim Entwickler Immobilienrendite AG geht man davon aus, dass die Preise nun nicht mehr stark steigen werden. In den letzten Monaten seien "viel zu hohe Preise" verlangt worden, nun sei es möglich, dass "realistischere Preise verlangt werden", die Angebotspreise also fallen.

Ein wichtiger Faktor in der aktuellen Marktsituation ist die Kreditvergabe, seit August gelten ja strengere Vergabekriterien. Notwendig wurde das, weil die Immobilien in Österreich viel zu oft mit nur wenig Eigenkapital vergeben wurden. Kreditnehmerbezogene Maßnahmen seien daher notwendig geworden, wurden auch in der EU in vielen Ländern angepasst.

Die Leistbarkeit von Immobilien leidet damit aber weiter. Diese Leistbarkeit mit Überschuldung zu kompensieren könne laut Nationalbank aber auch nicht das Ziel sein. Das berge das Risiko der Überschuldung von Haushalten, erhöhe das Risiko für Banken durch Kreditausfälle, und auch für die Wirtschaft sei das schlecht, weil kaum freies Kapital mehr für Konsumausgaben blieben.

Klar ist: Für 2022 wird der Preisanstieg wegen eines starken ersten Halbjahres mit einem Plus von rund elf Prozent laut den Zahlen von Raiffeisen Research noch einmal zweistellig ausfallen. Es könnte, darin sind sich die Experten einig, für einige Zeit das letzte Jahr mit einem zweistelligen Plus sein. (Bettina Pfluger, Martin Putschögl, Bernadette Redl, Franziska Zoidl, 23.11.2022)

Wie es Hausbauern und Wohnungssuchenden jetzt geht

"Wollen lieber gestern als heute anfangen": Ein Wiener Häuslbauer plant gerade sein Haus

"Meine Frau und ich sind dabei, unser Haus zu planen. Sie hat ein Grundstück mit einem baufälligen Haus darauf in einem Wiener Außenbezirk geerbt. Wir haben vor, so ökologisch wie möglich zu bauen. Es wird wohl auf eine Lehm-Holz-Stroh-Kombination hinauslaufen. Geplant sind eine Photovoltaikanlage auf dem Flachdach und eine Luftwärmepumpe. Insgesamt rechnen wir derzeit mit 600.000 Euro. Je nach Sonderwünschen kann das aber noch mehr werden. Wir sind jetzt dabei, eine Lebensversicherung abzuschließen als Absicherung für den Kredit. Einen Banktermin hatten wir noch nicht. Wir wollen erst einmal das Rahmengerüst abstecken, um zu wissen, was wir im Endeffekt überhaupt brauchen werden. Im Prinzip wollen wir lieber gestern als heute anfangen."

"Warten erst einmal ab": Ein Wohnungssuchender aus Tirol berichtet

"Meine Freundin und ich sind seit einem halben Jahr auf der Suche nach leistbarem Eigentum in Tirol. Wir suchen nach einer Wohnung oder einem Haus mit vier Zimmern und Garten. Vor einigen Monaten haben wir ein schönes Reihenhaus entdeckt und uns auch bereits zwei Mal mit dem Makler getroffen. Der nächste Schritt war die Finanzierung. Wir sind 26, verdienen für unser Alter aber zusammen relativ gut und haben uns schon eine hohe Summe an Eigenmitteln angespart. Daher dachten wir, dass die Finanzierung kein Problem sein sollte. Leider wurden wir eines Besseren belehrt. Ein Monat später scheiterten wir bei einer Vier-Zimmer-Wohnung wieder an der Finanzierung. Seitdem schauen wir zwar regelmäßig nach Wohnungen, haben für die nächste Zeit die Hoffnung aber aufgegeben und warten die Situation erst einmal ab."

"Ziehen eine Wand ein": Eine Wiener Mieterin hat die Suche aufgegeben

"Seit vier oder fünf Jahren suchen wir nach einer Wohnung, zwei Mal waren wir schon nahe dran. Aber wir haben den Preisanstieg der letzten Jahre ein bisschen übersehen, in Wahrheit würde ich jetzt manche Wohnung, die uns damals zu teuer war, mit Handkuss nehmen. Wir haben unsere Suche jetzt aufgegeben. Die neuen Vergaberichtlinien würden wir zwar erfüllen, aber die Frage ist mittlerweile schon: Was will man zahlen? Unser Plan ist jetzt, in unserer Mietwohnung im 15. Bezirk eine Rigipswand einzuziehen und unser Wohnzimmer damit dreizuteilen. Das Wohnzimmer wird also kleiner, dafür bekommen wir ein Schlafzimmer und ein fensterloses Büro dazu. Unser Kind zieht dann in unser bisheriges Schlafzimmer. Der Vermieter ist einverstanden. Im Dezember beginnen die Arbeiten."