Fünf weiße Schalter muss Tammy Goswami Rauch drücken, dann springen mit einem leisen "Klick, klick, klick" nacheinander die fünf Deckenpaneele in ihrem Yogastudio an. Gemeinsam mit Fußbodenheizung und Heizkörpern dauert es eine halbe Stunde, bis der 76 Quadratmeter große, verspiegelte Raum bei Bikram Yoga Vienna eine Temperatur von 40 Grad erreicht hat. Den meisten Menschen ist das für Sport viel zu heiß. Doch für Bikram-Yoga ist eine Raumtemperatur von 35 bis 40 Grad Voraussetzung.

Vor dem Ukraine-Krieg und der damit verbundenen Explosion der Energiekosten dachte kaum jemand darüber nach, wie viel ein beheizter Raum, in dem selbst an den grauslichsten Herbsttagen Hochsommer ist, kostet. Das hat sich geändert. Aus Angst vor hohen Nachzahlungen wird nun Energie gespart, wo es nur geht. Das betrifft nicht nur Hot Yoga. Die meisten Fitnessstudios verbrauchen mit ihren Geräten, Haustechnik, Wellnessbereichen, Duschen und Swimmingpools sehr viel Energie. Eine weitere Bewährungsprobe also nach Corona-Pandemie und Lockdowns, durch die viele Mitglieder verlorengegangen sind, die bisher den Weg nicht wieder zurück auf die Trainingsmatte geschafft haben.

Erhöhte Preise als Folge

Eine Folge: In vielen Unternehmen wird mittlerweile mehr oder weniger laut über eine Erhöhung der Preise nachgedacht. Die Fitnessstudiokette Cleverfit machte erst kürzlich Schlagzeilen, weil sie mit Anfang Oktober eine "einmalige Energiekostenpauschale" in der Höhe von 29,90 Euro bei Mitgliedern eingehoben hat. Was die aktuelle Situation so schwierig macht: Niemand weiß genau, wie hoch die Nachzahlungen im kommenden Jahr ausfallen werden.

Bei Bikram Yoga Vienna am Schottenring geht man aktuell bei den Stromkosten von einer Steigerung um das 2,5-Fache aus, bei den Gaspreisen um das 3,5-Fache – das ist der derzeitige Stand, für den man sich rüstet. Auch bei Hot Yoga Vienna im ersten Bezirk wird Kundinnen und Kunden beim Training auf 33 bis 40 Grad eingeheizt. Und auch hier wird die Preisentwicklung ganz genau beobachtet. "Mit den hohen Energiepreisen muss man über das ganze Konzept nachdenken", sagt Geschäftsführerin Raphaela Pruckner. Und: "Kann ich mir künftig noch leisten, Hot Yoga anzubieten?" Die Trainerinnen und Trainer wurden mittlerweile dazu angehalten, die Räume zumindest nicht zu überheizen.

Tammy Goswami Rauch in ihrem Yogastudio, das sie für ihre Hot-Yoga-Einheiten auf 40 Grad aufheizen muss.
Foto: Regine Hendrich

Pruckner hat in der Vergangenheit bereits moderater temperierte Yoga-Einheiten für Anfängerinnen und Anfänger angeboten. Das sei aber nicht so gut angenommen worden: "Die Leute kommen, um sich auszupowern und zu schwitzen."

Ähnlich schätzt die Situation Vera Neubauer, Geschäftsführerin des "Yogaloft Vienna" im vierten Bezirk, ein. Und Onlineklassen, für die viele Studios während Corona mit teurem Equipment aufgerüstet haben, würden in dem Bereich aus nachvollziehbaren Gründen nicht funktionieren.

Licht aus!

In den meisten Fitnessstudios wird mittlerweile an den kleinen und an den größeren Schrauben gedreht, um möglichst viel Energie zu sparen. Das fängt beim Umstieg auf effizientere LED-Lampen, oft in Kombination mit einem Bewegungsmelder, an, und geht bis hin zu Einschränkungen der Betriebszeiten der Sauna. Manche Studios bitten ihre Mitglieder auch, nicht mehr übermäßig zu duschen und beim Verlassen eines Raums doch bitte das Licht abzudrehen. "Energie sparen, aber ohne Qualitätseinbußen für die Mitglieder", so fasst man die Bemühungen beispielsweise bei John Harris zusammen. Die Sauna ist hier allerdings weiterhin ganztags nutzbar, weil man im "Premium-Segment" unterwegs sei. Auf die Weihnachtsbeleuchtung wird bei John Harris heuer aber verzichtet.

In den hochintensiven Spinning-Einheiten von Supercycle kommt man auch im Spätherbst ziemlich ins Schwitzen. In den Umkleideräumen wird es dafür künftig ein wenig kälter sein: "Wir haben heute entschieden, dass wir die Garderoben nicht mehr auf 21 oder 22 Grad heizen, sondern jetzt mit 19 Grad anfangen", sagt Lilli Hromatka, eine der beiden Geschäftsführerinnen der mittlerweile vier Studios in Wien. Bei Supercycle wurde die Belüftungsanlage wegen Corona aufgemotzt, achtmal in der Stunde findet ein Komplettsauerstoffwechsel statt. Zusätzlich entfeuchtet eine Klimaanlage die Luft, weil die Studios oft im Souterrain gelegen sind. Das ist energieintensiv. Heuer wurden die Preise erstmals seit sechs Jahren erhöht. "Es geht nicht mehr anders", sagt Hromatka.

Das bestätigt auch Christian Hörl, Branchensprecher der Fitnessbetriebe in der Wirtschaftskammer: "Es wird nur mit einer Kombination aus Energiesparmaßnahmen und Preisanpassungen gehen."

Bisher keine Kündigungen

Für ein Aufatmen sorgt nun bei vielen aber der Energiekostenzuschuss für Unternehmen, für den vor wenigen Tagen die Voranmeldung startete. "Das ist eine Hilfe", sagt Hörl. Doch es seien noch viele Fragen offen. Auch weil nicht nur Energiekosten, sondern auch an die Inflation angepasste Mieten sowie gestiegene Personal- und Betriebskosten für viele ein Problem sind. Hörl rechnete daher auch mit einer "deutlichen Zunahme" an Schließungen von Studios, die während und nach der Corona-Pandemie großteils ausgeblieben sind. Kündigungen von Mitgliedern, um Geld zu sparen, habe es bisher aber kaum gegeben. Dass Menschen sich jetzt vermehrt im Fitnessstudio duschen, um zu Hause Energie zu sparen, beobachten Studiobetreiber auch nicht.

Aber vielleicht wird Yoga bei 40 Grad ja noch einmal verlockender klingen, wenn zu Hause beim Heizen gespart wird und die Wohnung kalt wird. Die Temperatur um einige Grad herunterzudrehen kommt für Yogalehrerin Tammy Goswami Rauch in ihrem Yogaraum jedenfalls nicht infrage: "Ich werde niemals Hot Yoga in einem Raum anbieten, der nur warm ist." (Franziska Zoidl, 18.11.2022)