Reinigung einer Gasturbine im Heizkraftwerk Salzburg: Das teure Gas führt am Energiemarkt zu Reformbedarf.

Foto: APA / jasmin walter

Sie zählen zu den großen Profiteuren des Ukraine-Krieges: Viele Energiekonzerne machen derzeit Gewinne wie sonst kaum. Ein Grund dafür ist, dass am Strommarkt das jeweils teuerste Kraftwerk den Preis für die gesamte Elektrizität bestimmt. Dies führt dazu, dass etwa Ökostromunternehmen billigen erneuerbaren Strom produzieren, aber Preise kassieren, als wäre er aus Gas hergestellt – das ja infolge der russischen Boykotts sehr teuer geworden ist.

Seit Monaten wird deshalb über eine Steuer auf sogenannte Zufalls- oder Übergewinne diskutiert. Im Mai versuchte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) einen Vorstoß in Österreich: In einem Interview dachte er darüber nach, Gewinne staatlicherseits abzuschöpfen. Allerdings hörte man bald darauf nichts mehr von dieser Idee. Unterdessen führten einige EU-Staaten, etwa Griechenland und Italien, ihre eigenen Übergewinnsteuern ein.

Die Durchsetzung

Weil die Krise seit Frühjahr schlimmer geworden und die EU-Länder Hilfsmaßnahmen in Milliardenhöhe setzen müssen, kam es Anfang Oktober auf EU-Ebene zum Durchbruch. Man verständigte sich auf eine Art Minimalvariante der Übergewinnsteuer, die die einzelnen Staaten noch strenger gestalten dürfen. Sie müssen sie nun bis Jahresende einführen. Insgesamt erwartet man sich davon grob hundert Milliarden Euro. Eigentlich handelt es sich um zwei Steuern: Da wäre einmal ein "Solidaritätsbeitrag" für fossile Erzeuger und etwa Ölraffinerien: Wenn deren Gewinne 20 Prozent über dem Schnitt der vergangenen vier Jahre liegen, werden diese zu 33 Prozent abgeschöpft. Das Zweite ist die "Erlösobergrenze" für erneuerbare Stromerzeuger: Wenn diese am Großhandelsmarkt mehr als 180 Euro pro Megawattstunde verkauften Strom lukrieren, wird alles darüber kassiert.

Kritische Einwürfe

Kritik an der EU-Übergewinnsteuer kommt von vielen Seiten. Manchen geht sie zu weit, anderen nicht weit genug. In Deutschland warnt etwa die Strombranche davor, dass die Steuer den Ausbau erneuerbarer Energien gefährde – weil das Geld für Investitionen fehle, etwa in Wind- und Solarenergie. Ähnlich skeptisch äußert sich Österreichs Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP). Umgekehrt kritisiert etwa Greenpeace, dass es sich bei der Steuer nur um einen "ersten Schritt" handle: Denn die derzeitigen Übergewinne in der EU fallen deutlich höher aus als die Summen, die voraussichtlich aus der Übergewinnsteuer kommen werden.

In Österreich verweisen Kritiker auch auf einen Aspekt, der insbesondere für den heimischen Energiesektor gilt: Viele Versorger befinden sich ohnehin im öffentlichen (Teil)Besitz. Dividenden fließen also an den Staat – da brauche es keine Übergewinnsteuer.

Spielräume

Das Korsett ist eng, das sich die 27 EU-Mitgliedsstaaten in Sachen Besteuerung von Zufallsgewinnen haben überstülpen lassen. Österreich wird sich zumeist an den von Brüssel vorgegebenen und von den EU-Energieministern und -ministerinnen beschlossenen Mindestanforderungen orientieren. Das war am Donnerstag aus Verhandlerkreisen zu erfahren, die sich im Endspurt der Formulierung eines Initiativantrags befanden. Dieser soll rasch in die parlamentarische Beschlussfassung gehen, damit das Gesetz noch heuer in Kraft treten kann.

Die 180 Euro pro Megawattstunde als Erlösobergrenze für Erzeuger von Strom aus Wind- und Wasserkraft, Sonne und Biomasse stehen außer Streit, ebenso die 33 Prozent Gewinnabschöpfung von fossilen Unternehmen. Beim Geltungszeitraum will man – über ein Jahr hinaus – auch rückwirkend vorgehen: und damit den EU-Vorschlag übertreffen.

Die Folgen

Das Geld, das durch die Abschöpfung von Zufallsgewinnen und Solidaritätsbeiträge von Energieunternehmen in die Staatskassen gespült wird, soll umverteilt werden. Es ist zur Gegenfinanzierung diversester Maßnahmen gedacht, die vonseiten des Staates zur Bewältigung der enormen finanziellen Belastungen von Haushalten und Unternehmen durch hohe Gas- und Strompreise gesetzt wurden oder noch gesetzt werden.

Belastbare Prognosen, wie viel Geld am Ende des Tages hereinkommen wird, gibt es nicht. Der Chef der Regulierungsbehörde E-Control, Wolfgang Urbantschitsch, hat zuletzt von einem "niedrigen einstelligen Milliarden Eurobetrag" gesprochen. Während der Solidaritätsbeitrag vergleichsweise einfach einzuheben ist, dürfte die Abschöpfung von Gewinnen, die über die 180 Euro je Megawattstunde Verkaufserlös im Großhandel hinausgehen, deutlich schwieriger sein. (Joseph Gepp, Günther Strobl, 17.11.2022)