Beharrlichkeit führt zum Ziel, sagt man. Im Fall von Kevin McCarthy kommt auch ein besonderes Talent hinzu, im eigenen Interesse situationselastisch zu agieren. Wenn der 57-Jährige wohl Anfang Jänner formell zum Speaker des US-Repräsentantenhauses ernannt wird, dann löst er die Demokratin Nancy Pelosi ab und wird protokollarische Nummer drei in der US-Rangordnung.

Der Republikaner Kevin McCarthy soll Anfang Jänner Nancy Pelosi als Speaker im Kongress ablösen.
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Das politische Geschäft lernte der Nachfahre irischer und italienischer Migranten schon während des Wirtschafts- und Marketingstudiums an der California State University kennen. 15 Jahre lang arbeitete der Kalifornier für ein republikanisches Urgestein im Kongress, Bill Thomas.

Seine erste Wahl in eigener Sache gewann McCarthy 2000, als er sich um ein regionales Amt in seinem Heimatdistrikt Kern County bewarb. Es war dies wohl nur ein Testlauf, denn schon 2002 kandidierte er erfolgreich für das kalifornische Parlament. 2006 bezog er in Washington erstmals sein Büro als US-Kongressabgeordneter – und nach eigenen Angaben schläft er auch dort auf der Couch, wie er dem Magazin Politico verriet: "Ich will nicht zum Washingtoner werden, ich fliege jedes Wochenende nach Hause."

Schwieriger Job

2019 folgte eine wichtige Weichenstellung auf dem Karriereweg des verheirateten Vaters zweier Kinder: Er übernahm die Führung der Minderheitsfraktion im Repräsentantenhaus. Der neue Job als Speaker droht besonders diffizil und undankbar zu werden; gilt es doch, die wegen der unterschiedlichen Positionen zu Ex-Präsident Donald Trump intern zerstrittenen Republikaner zumindest nach außen geeint auftreten zu lassen.

Wie es McCarthy selbst mit Trump nimmt, ist nicht ganz geklärt: Einerseits gehörte er zu jenen, die den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Jänner 2021 verurteilten und Trump offen kritisierten, nicht rechtzeitig deeskalierend gehandelt zu haben. Doch nur Tage später, nach einer Aussprache mit Trump, vermochte sich McCarthy kaum noch an solche Aussagen zu erinnern. Ähnliches passierte, als er zunächst die Kritik von Liz Cheney an Trump unterstützte, ihr die Unterstützung dann aber plötzlich entzog, als sich Cheneys Parteiausschluss abzeichnete.

Der Fitnessfanatiker McCarthy, der Kevin Spacey für dessen Rolle in der Serie House of Cards inspiriert haben soll, hält übrigens einen Rekord: Um ein milliardenschweres Klima- und Sozialpaket der Demokraten zu verhindern, hielt er im Herbst 2021 eine mehr als achteinhalbstündige Filibuster-Rede. Länger hatte zuvor niemand im Repräsentantenhaus gesprochen. (Gianluca Wallisch, 18.11.2022)